EVG-Verkehrsausschuss: Aktueller Bundeshaushalt ist verkehrspolitisch ein Rückschritt

Die verkehrspolitischen Positionen der EVG werden nicht im stillen Kämmerlein erdacht - sie sind Ergebnis intensiver Diskussionen mit den ehrenamtlichen Expertinnen und Experten unserer Gewerkschaft. Eine zentrale Rolle spielt hierbei der EVG-Verkehrsausschuss, in dem Kolleg:innen aus allen Landesverbänden vertreten sind. In seiner jüngsten Sitzung in Berlin hat sich der Verkehrsausschuss schwerpunktmäßig mit dem aktuellen Bundeshaushalt auseinandergesetzt - und hatte sich dazu politische Gäste eingeladen.

Im Dialog mit den Bundestagsabgeordneten Susanne Menge (B90/Grüne) und Martin Kröber (SPD) wurde deutlich: Der Bundeshaushalt 2022 ist verkehrspolitisch eher ein Rückschritt als alles andere. „Wir erkennen nicht, dass der Bundeshaushalt den Zielvorstellungen des Koalitionsvertrages nachkommt“, fasste EVG-Vize Martin Burkert zusammen. Denn darin ist nicht nur vorgesehen, dass mehr in die Schiene als in die Straße investiert wird, sondern generell auch ein Aufwachs der Investitionen in die Schiene. Mit diesem Haushalt „werden wir unsere Klimaschutzziele nicht erreichen“, musste auch Susanne Menge zugeben. Ihre düstere Prognose: Wenn es bei dem Umfang und Tempo bleibt, werden wichtige Neubaumaßnahmen immer mehr in die Zukunft verschoben, auch der Deutschlandtakt rückt in weite Ferne. „Wenn wir so weiter machen, werden wir unsere Ziele bis Ende des Jahrhunderts nicht erreichen.“ Matthias Altmann aus dem EVG-Landesverband Thüringen erwiderte die Ausführungen der Grünen-Abgeordneten mit der Frage: „Mit welcher Bilanz will die Koalition in drei Jahren wieder vor die Wähler:innen treten, wenn zentrale Anliegen nicht aufgegriffen werden?“ Eine Frage, auf die Susanne Menge mit dem Verweis auf die schwierigen Aushandlungsprozesse in einer Dreierkoalition antwortete.

Der Haushalt 2023 wird nun der Lackmustest sein. Martin Kröber (SPD), Mitglied im Verkehrsausschuss und eines von vier EVG-Mitgliedern im Bundestag, wies darauf hin, dass der Haushaltsausschuss des Bundestages die Bundesregierung deutlich aufgefordert hat, mit dem Vorhaben „Mehr Geld in die Schiene als in die Straße“ endlich ernst zu machen.

Die Berichte aus den Landesverbänden zeigten das große Themenspektrum, um das sich die Verkehrspolitiker:innen der EVG vor Ort kümmern. Die Palette reicht von fairen und sozialen Ausschreibungen, über die Begleitung von Digitalisierungsprojekten der Verkehrsunternehmen über den notwendigen Ausbau der Schienen-Infrastrukturausbau bis hin zum regionalen Strukturwandel durch den Kohlekompromiss, bei dem auch die Schiene eine Rolle spielt. 

Einen Schwerpunkt bei den Berichten bildeten natürlich die Erfahrungen mit dem 9-Euro-Ticket. Die Kolleg:innen berichteten von zahlreichen überfüllten Zügen und gesperrten Bahnhöfen am Pfingstwochenende. „Unsere Leute sind jetzt schon total genervt“, so Dirk Richter, Vorsitzender des Landesverbandes Bayern. „Schon allein, weil die Diskussion um die Maskenpflicht wieder hochgekommen ist.“ Denn das war ein Problem an Pfingsten: Viele Passagiere waren unterwegs, die noch nie oder jedenfalls schon lange nicht mehr mit der Bahn gefahren waren. Trotz aller Medienberichte im Vorfeld gab es immer wieder Probleme mit Fahrrädern, die nicht mitgenommen werden konnten. Die Nachsteuerung von Personal und Fahrzeugen sei nur ungenügend gelungen, so die allgemeine Einschätzung. 

Ein Beispiel aus dem Busbereich: Trotz Nachfragen bei den insgesamt 600 Bestellern von ÖPNV-Leistungen in Deutschland sind bundesweit insgesamt ganze zehn Busse zusätzlich für Pfingsten bestellt worden. Auch an Personal fehlt es überall. „Wir brauchen die Leute da, wo was los ist, und das merken wir jetzt“, so Ralf Damde, Vorsitzender des Landesverbandes Saarland und GBR-Vize von DB Regio. „Klar ist: In dieser Intensität werden unsere Leute das nicht durchhalten.“ 

Der EVG-Verkehrsausschuss diskutierte auch den verkehrspolitischen Leitantrag für den Gewerkschaftstag im Oktober. Unter der Überschrift „FÜR EINE SOZIAL-ÖKOLOGISCHE VERKEHRSWENDE - gerechte und mutige Mobilitätspolitik in Deutschland und Europa“ fasst der Antrag in 12 Kapitel unsere zentralen verkehrspolitischen Forderungen zusammen. Er wird nach dem Gewerkschaftstag die Grundlage für die Arbeit der EVG bilden.    

Christian Gebhardt von mobifair berichtete zum Thema Ausschreibungen im SPNV. Der Ausschreibungskalender ist nach wie vor gut gefüllt. Mobifair wird sich in naher Zukunft mit den EVG-Landesverbänden und -Geschäftsstellen, in denen demnächst Ausschreibungen stattfinden, in einer Videokonferenz über Handlungsmöglichkeiten austauschen. Denn, so Christian: „Wir müssen unsere Arbeit in dieser Hinsicht intensivieren. Wir müssen 4-5 Jahre vor einer geplanten Vergabe bereits aktiv werden, um die Ausschreibungsbedingungen im Sinne der Beschäftigten zu beeinflussen.“