Werk Nürnberg - vor 20 Jahren: Erinnerungen an eine harte Auseinandersetzung

Vor 20 Jahren machte er Schlagzeilen, und dies nicht nur regional, sondern bundesweit: der Kampf um den Erhalt des Werks Nürnberg. Die EVG erinnerte Ende Juli mit einer Pressekonferenz an die damalige Auseinandersetzung. Neben EVG-Vize Martin Burkert nahm der heutige Betriebsratsvorsitzende des Werkes, Joachim Hannes, auf dem Podium Platz – und Petra Wedel, die 2001 als Betriebsrätin den Kampf anführte.

Am 26. Juni 2001 hatte die Nachricht vom Schließungsbeschluss des Bahnvorstandes unter Hartmut Mehdorn die Beschäftigten erschüttert. Schon schnell konnte nach der ersten großen Kundgebung auf dem Nürnberger Kornmarkt und der Teilnahme der Gewerkschaftsvertreter*innen an der Nürnberger Stadtratssitzung eine Solidarisierung mit Politik und Bevölkerung erreicht werden. Der Stadtrat sprach sich zum einen für den Erhalt des Werks aus, zum anderen auch dafür, dass das Grundstück nicht zur Wohnbebauung herangezogen werden darf.

Die Medien berichteten fast täglich über den Kampf um das Werk. Höhepunkt war der über 35 Tage dauernde Hungerstreik. „Dieser hat die Flamme der Hoffnung entzündet“, so Martin Burkert. Schlussendlich zeigten die Aktionen Wirkung. „Der Konzernbevollmächtigte der DB AG für Bayern, Graf von der Schulenburg, musste sogar seinen Hut nehmen“, so Martin. „Und wir konnten in Erlangen am 30. August 2001 auch den Bundeskanzler treffen und ihn auf unseren Kampf ansprechen. Ein Novum war der Bruch der Bannmeile durch die Kundgebung der Beschäftigten vorm Landtagsgebäude!“ 

35 Tage in Ketten

Die damals in der Presse als „eiserne Lady“ bezeichnete Petra Wedel erzählte davon, wie überwältigt sie von der Unterstützung damals war. Der Vorsitzende des Schriftstellerverbandes Nürnberg, Walter Zahorka und seine Frau Jutta, organisierten mit einer größeren Künstler*innengruppe Kulturabende für die Streikenden und Beschäftigten. Petra Wedel selbst verbrachte die gesamte Zeit des Hungerstreiks angekettet vor Ort und nahm die Kette selbst zum Schlafen im Zelt nicht ab. 

Joachim Hannes stellte den Bezug zur Gründung der DB Fahrzeuginstandhaltung vor 20 Jahren her. Die Schließung mehrerer Standorte, darunter Nürnberg, war vorgesehen, um diese Sparte zu konsolidieren. In der Folge wurden keine Ausbildungsjahrgänge am Standort mehr eingestellt. 

In den zwei Jahrzehnten seitdem hat sich das Werk aber gut entwickelt. Die Rettung des Standortes führte u.a. dazu, dass wieder Ausbildungsplätze geschaffen wurden. So konnte die Belegschaft im Werk deutlich verjüngt werden. Das Projektwerk für Re-Designs, Revisionen und Sanierungen ist aber auf Aufträge von extern angewiesen. So wird hier neben den ICE-Reihen zurzeit die Revision der Münchner S-Bahn durchgeführt. Das Werk leistet damit einen wichtigen Beitrag zum Erhalt des Schienenverkehrs, denn, so Joachim Hannes, „wenn es das Werk nicht gäbe, müsste es zu mehr Abstellungen kommen. So gibt das Werk nicht nur einfach Lohn und Brot, sondern sorgt für einen effizienten Eisenbahnverkehr.“ 

In die Zukunft blicken die Beschäftigten „mit gemischten Gefühlen“, so der BR-Vorsitzende. „Die FZI hat beschlossen, in Cottbus ein neues Werk zu bauen. Schon damals hatte man ein Werk in Krefeld gebaut. Und nun hat das geplante Werk in Cottbus vier lange Gleise für die ICE4-Reihe. Wenn die FZI nun in Zukunft mit Krefeld und Cottbus die Leistungen erbringt, sehen wir das mit Sorge.“

Seit Wochen wird nun in der Frankenmetropole um den Neubau eines ICE-Werkes der DB Fernverkehr gestritten, ein Thema, das auf der Veranstaltung nicht fehlen durfte. „Das neue ICE-Werk ist für die betriebsnahe Instandhaltung gedacht, während die schwere Instandhaltung hier im Werk bleibt“, so Joachim Hannes. „Wir stellen uns nicht gegen das neue Werk, wir sind solidarisch und Nürnberg ist eine Eisenbahnerstadt. Aber aus unserer Sicht darf es keine Verschiebung von Leistungen und Arbeitsplätzen geben. Es müssen echte, neue Arbeitsplätze entstehen.“

Zwei unterschiedliche Werkstypen

An diesem Punkt war der Ball nun bei Matthias Birkmann. Der Leiter der EVG-Geschäftsstelle Nürnberg wünschte sich, dass in der Presseberichterstattung auch die Unterschiede zwischen den unterschiedlichen Werkstypen dargestellt würden. „Das neue, geplante ICE-Werk der DB Fernverkehr ist dafür da, dass die Toiletten und Türen funktionieren, dass niemand im Sommer in einem Abteil ohne Klimaanlage sitzt und auch dass die Betriebssicherheit durch Überprüfung der eingebauten Systeme, der Achsen und allem Drum und Dran gegeben ist. Das bestehende Werk nimmt dagegen einen kompletten Umbau an den Zuggarnituren vor. Darum entstehen definitiv neue, tarifgebundene Arbeitsplätze.“ Der Blick solle auch auf die gesamtgesellschaftliche Ebene der Verkehrswende gelegt werden, so Matthias. „Wenn lokal ein Werk entsteht, bringt dies global gesehen einiges für den Umwelt- und Klimaschutz. Allein nur Einzelinteressen vom jeweiligen Standort gesehen zu verfolgen, bringt uns nicht weiter.“ Er betonte, dass sich die EVG nicht für oder gegen einen Standort ausspreche, „sondern für das Raumordnungsverfahren. Ein Verfahren im rechtsstaatlichen Rahmen, welches anhand eines Kriterienkatalogs die Verhältnismäßigkeit des Werksbaus an jedem einzelnen Standort prüft.“ Schlussendlich wünsche sich die EVG „eine übergreifende Solidarität und Rückhalt in der Bevölkerung für den Ausbau des Schienenverkehrs. Die Chance für Bayern und die Region auf dieses Werk darf nicht vergeben werden."