Klimafreundliche Mobilität ist politisch noch nicht genügend als Zukunftsthema verankert
Auch zur letzten Zusammenkunft des Verkehrsausschusses in diesem Jahr war wieder ein kompetenter, politischer Gast eingeladen: Bernd Reuther, Mitglied des Bundestages und verkehrspolitischer Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion. Der Verkehrsausschuss hat ihm gegenüber deutlich gemacht, die Schienenpolitik des Bundesministers ist angezählt, es passiert weiterhin zu wenig für die Schiene.
Auch im Jahr 2022 hat die EVG erneut wichtige Akzente in der Verkehrspolitik unseres Landes gesetzt und geschaffen - so könnte das Resümee aus Sicht des Verkehrsausschusses lauten. Die in diesem Gremium vertretenen Kolleg:innen aus den EVG-Landesverbänden und den Personengruppen waren auch im zurückliegenden Jahr aktive, haben unsere verkehrspolitischen Positionen nach außen vertreten und sich in politische Diskussionen eingebracht. Weitere Meilensteine, die unsere Gewerkschaft in den Fokus setzt, stehen für 2023 an. Dazu gehört u.a. das beschlossene Deutschlandticket, bislang im Sprachgebrauch noch als 49.-Euro-Ticket bekannt.
Die EVG sieht dessen Einführung zwiegespalten: Zum einen als wichtigen Teil der angestrebten Mobilitätswende in unserem Land. Zum anderen besteht die Gefahr, dass die Bundesländer und Eisenbahnunternehmen mit der Umsetzung allein gelassen werden, wie schon bereits beim 9-Euro-Ticket. Aus allen Regionen wurden Bedenken geäußert, dass unter der Maßnahme wieder einmal die Beschäftigten am meisten leiden könnten. Daher müsse bereits vor dem Start des Deutschlandtickets alles Nötige bedacht, getan und vorbereitet sein, um die Kolleg:innen vor Überlastung und Übergriffen zu schützen.
„Wichtig wäre es, schnell festzulegen, wann und wie konkret das Deutschlandticket umgesetzt wird“, so mobifair-Vorstand Dirk Schlömer. Für NRW stellte er infrage, ob das Bundesland mit der aktuellen ÖPNV-Infrastruktur zukunftsfähig sei. Denn auch hier forderten Personalmangel und Baustellen ihren Tribut an Pünktlichkeit und Einsatzfähigkeit von Mensch und Material. „Die Politik darf uns nicht über den Tisch ziehen“, stellt Heinrich Klumpe fest. Der stellvertretende Vertreter der Senior:innen im EVG-Bundesvorstand fordert, das Deutschlandticket auch in Papierform und nicht nur per Smartphone erwerben zu können.
Wenn für die Einführung des vergünstigten Monatstickets vor allem klimapolitische Aspekte sprechen, sind es mehr die aktuell personellen und verkehrstechnischen Herausforderungen, die dem entgegenstehen. Stichworte sind hierbei: Personalmangel, arbeitsbedingte Überlastungen und hohe Krankenstände sowie akute Nachwuchssorgen der Eisenbahnverkehrsunternehmen.
So fahre in NRW kaum ein Zug mehr im Originalzeitplan. Gründe dafür seien u. a. viele Baustellen und ein dauerhafter Mangel an Lokführer:innen. Mittlerweile werde es zu einem Normalzustand, dass Mitarbeiter:innen aus anderen Geschäftsfeldern des gleichen Unternehmens untereinander abgeworben werden. „Das muss unterbunden werden“, so Ralf Damde, Vorsitzender GBR DB Regio. Auch stellte Damde infrage, warum es deutschlandweit über 100 Verkehrsverbünde geben müsse - inklusive Vorständen und weiteren Personalebenen. So vertrete die EVG die Position, dass ein Aufgabenträger pro Bundesland genüge.
„Die Personalpolitik im Bereich Schiene ist absolut verbesserungswürdig“. So stieg Bernd Reuther, MdB und verkehrspolitischer Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion in die Veranstaltung ein. Er war als Fachpolitiker zum Verkehrsausschuss eingeladen. „Wir müssen bei Ausbau und Sanierung der Infrastruktur besser werden. Auch müssen Personenverkehr und Cargo gleichermaßen beim Ausbau von Strecken profitieren“. Der EVG-Vorsitzende Martin Burkert stimmte dem ausnahmslos zu. Allerdings gebe es gegen den Fachkräftemangel noch kein schlüssiges Rezept. So könnten beispielsweise gute Löhne und Top-Arbeitsbedingungen ein Schlüssel sein, diese Krise zu bewältigen. So sehe sich die EVG im kommenden Jahr vor der großen Herausforderung, in rund 50 Unternehmen der Branche Tarifverhandlungen zu führen. „Die Beschäftigten haben eine große Erwartungshaltung“, stellte Burkert fest. „Inflation und Preissteigerungen für Energie und Sprit machen den Menschen sehr zu schaffen“.
Martin Burkert appellierte an den FDP-Politiker Reuther, den Bereich Verkehr in künftigen Gesetzgebungsverfahren intensiver zu berücksichtigen, als im ersten Jahr der Ampelkoalition geschehen. Vor allem was die Schiene und den ÖPNV angeht. Die Enttäuschung bei den Verkehrsunternehmen sei deswegen groß. Im Gegenzug versprach Reuther immerhin: „Ich werde dieses Anliegen mit Nachdruck beim Bundesminister Wissing anbringen“.