Von alten Welten und roten Rettern - zweiter Tag der Sommertour von Martin Burkert
Zweiter Tag der Sommertour des EVG-Vorsitzenden Martin Burkert durch Baden-Württemberg. Wir haben ein straffes Programm: Nicht weniger als fünf Standorte in der Baden-Metropole Karlsruhe stehen auf unserem Plan.
Wir starten in der Karlsruher Südweststadt. Mitten in einem lauschigen Wohngebiet befindet sich die Regionalleitung Baden-Württemberg der DB RegioBus. Hier werden zentrale Aufgaben für fünf Busgesellschaften erledigt. Wir sehen schon bei unserem kurzen Rundgang: Überall schreitet die Digitalisierung voran, sei es bei den Dispositionsprogrammen für Fahrer:innen und Fahrzeuge, sei es bei Störungsmeldungen oder bei den Fahrgastinformationen. Im Gespräch mit der Regionalleitung bestätigt sich: Eigenwirtschaftlichkeit ist ein wichtiges Element, um die Stabilität der Busverkehre im Südwesten zu gewährleisten. „Wir sind zufrieden, wenn wir bestehende Konzessionen erhalten können. Bei Ausschreibungen konkurrieren wir mit mittelständischen Unternehmen, die ganz andere Kostenstrukturen als wir haben.“ Allerdings: mancher Mittelständler übernimmt sich auch und muss Verkehrsverträge zurückgeben, „und dann springen wir wieder ein, als der ‚rote Retter‘.“
Dennoch bewerben sich auch RegioBus-Unternehmen auf Ausschreibungen, und so lebt beispielsweise die RVS in einer tarifpolitischen Zwischenwelt. „Um uns bewerben zu können, haben wir den WBO-Tarif übernommen“, berichtet der Betriebsratsvorsitzende Dirk Weinert. Das ist der in Baden-Württemberg als repräsentativ zugrunde gelegte Tarifvertrag. Allerdings: nur was die Bezahlung betrifft. „Ansonsten behalten wir viel EVG bei: Beschäftigungssicherung gibt es nur bei der EVG. Und der Fonds soziale Sicherung und die darin enthaltene GUV-Mitgliedschaft ist für mich tägliches Handwerkszeug bei der Mitgliederbindung.“
„Kommt rein, herzlich willkommen in der alten Welt“, begrüßt uns der BG-Vorsitzende Torsten Bachocz auf unserer zweiten Station, der Einsatzstelle von DB Fernverkehr im Karlsruher Hauptbahnhof. Hier könne man sehen, wie es aussieht, wenn nicht investiert werde. Die neue Welt würden wir am nächsten Tag in Mannheim sehen können. Wir sind bereits gespannt. Immerhin, das Treppenhaus, inklusive der bläulichen Kacheln, steht unter Denkmalschutz.
Die Kolleg:innen aus dem Zugbegleitdienst, die wir treffen, berichten über Sozialräume, die über Monate nicht gereinigt werden, und marode Arbeitsplatten in der Küche. Was sie aber am meisten ärgert, ist das aktuelle Besetzungskonzept von DB Fernverkehr, auch 1:1 genannt. Sprich, ein ICE wird mit einer/m Zugchef:in und einer/m Zugbegleiter:in besetzt, egal wie ausgelastet, egal wie viele mobilitätseingeschränkte Fahrgäste, egal wie viele Fahrräder. Und wer nicht eingesetzt wird, sitzt in den Einsatzstellen in Bereitschaft. „Draußen auf den Zügen brennt die Hütte“, fasst es Daniela Kebschull zusammen, GBR- und Aufsichtsratsmitglied. „Die Leute werden verbrannt und gleichzeitig haben wir hier Kolleg:innen, die arbeiten wollen und nicht eingesetzt werden.“ Denen geht auf diese Weise Geld in Form von Zulagen etc. verloren. „Wir haben es ihnen“, womit Daniela die Arbeitgeber meint, „hundertmal versucht zu erklären. Aber sie wollen es einfach nicht verstehen.“ Der Fernverkehr, formuliert es ein Kollege, „befindet sich nicht mehr auf der Mitte des Tisches, sondern am Rand, kurz vor dem Runterkippen.“ Eine andere Kollegin bemängelt, dass „nicht mehr wahrgenommen wird, was die Basis sagt.“ Das Besetzungskonzept im Fernverkehr – ein Thema, das Martin Burkert mitnehmen wird.
Einen Crashkurs in SPNV bekommen wir an unserer dritten Station, der Regio-Werkstatt. 24 Kollegen und pro Jahr zwei bis drei Azubis arbeiten hier in der betriebsnahen Instandhaltung. Gearbeitet wird in zwei Schichten, früh und nachts. Nach zwei Wochen Früh wird in die Nachtschicht gewechselt, eine Spätschicht gibt es nicht. Wir sprechen über die Vergabepolitik des Landes, aber auch über Arbeiten bei Hitze. „Bei Arbeiten auf dem Zugdach kann man nicht kühlen“, das ist eine (manchmal leidvolle) Erfahrung aus der Praxis. Im Betrieb werden aber klimatisierte Sozialräume und gekühlte Getränke bereitgestellt. Die Beschäftigten sind zufrieden, sagt der betreuende Gewerkschaftssekretär, und David Zein, EVG-BuVo Mitglied aus dem Wahlkreis Mannheim, bestätigt: „Karlsruhe läuft.“
Nicht ganz so läuft es im Stellwerk Karlsruhe Hbf, so erfahren wir auf der nächsten Station, der DB InfraGO. Die Fahrdienstleiter dort nutzen die Gelegenheit von Martins Besuch, um auf zwei massive Mängel hinzuweisen: Mangel an Personal und Mangel an Wertschätzung. „Wir sind seit drei Jahren unterbesetzt und bekommen keine neuen Leute. Es lohnt sich für viele schlichtweg nicht mehr, von einem kleinen Stellwerk auf ein großes in einem Knotenbahnhof zu wechseln. Die Leute sehen den Stress und gehen wieder.“ Und dafür gebe es „keine Wertschätzung, gar nichts. Der Frust ist extrem groß,“
In einer lebhaften und zum Teil emotionalen Diskussion sprechen wir über angemessene Entlohnung, über einzelne Bestandteile aus dem jüngsten Tarifabschluss und wir können viele Details klären und Unklarheiten auflösen. Völlige Zufriedenheit stellt sich nicht ein, aber wir verlassen wir diesen Step auch mit einer versöhnlichen Aussage aus der Mitgliedschaft: „Es ist gut, Martin, dass du hier bist und dich auch dieser Diskussion stellst. Wir sind ja bei allem Ärger auch Eisenbahner durch und durch und arbeiten gerne bei der Eisenbahn.“
Ein wieder anderes Bild bietet sich uns bei dem abschließenden Stopp, DB Engineering & Consulting (E&C) am Karlsruher Hauptbahnhof. 200 Kolleg:innen arbeiten am Standort, gut 6000 sind es insgesamt im Unternehmen. Ihr Portfolio: Projektmanagement, Planung und Bauüberwachung von Infrastrukturprojekten, und dies nicht nur in Deutschland, sondern weltweit. Spezialisierte Kenntnisse sind hier erforderlich, und deswegen, sagt der BG- und BR-Vorsitzende Johannes Brunner, „spürt man hier auch die Arbeitsmarktsituation. Wer sich nicht wertgeschätzt fühlt und wem keine Perspektiven geboten werden, der ist schnell weg.“ Die Standortleitung bemühe sich daher um ein gutes Betriebsklima. Konkurrenzunternehmen am freien Markt werben mit deutlich höheren Gehältern. „Manche Kolleg:innen verlassen uns deswegen, aber manche kehren auch zurück. Denn sie sehen: Das Gesamtpaket bei der Bahn stimmt. Mit den Arbeitszeiten, mit der Beschäftigungssicherung, den EVG-Wahlmodellen.“ Man spürt’s: Auf dem Sommerfest erleben wir eine relativ junge, international gemischte Belegschaft. Ein guter Abschluss des zweiten Tourtages.