Sommertour in Fulda: Fachkräftemangel und Werkeschließung belasten Beschäftigte
Die zweite Station der Sommerreise des EVG-Vorsitzenden Martin Burkert führte ihn am Montagnachmittag in das Werk der Fahrzeuginstandhaltung nach Fulda. War zu Beginn des Jahres aufgrund schwacher Auftragslage noch Kurzarbeit im Gespräch, fällt es den Beschäftigten inzwischen schwer, die zahlreichen Aufgaben zu bewältigen.
„Dass es nicht gelingt, das Aufkommen an Instandsetzungsarbeiten verlässlich zu planen, ist ein großes Problem“, kritisierte Burkert. Hinzu komme, dass hochkomplexe Arbeiten, die bislang in Delitzsch ausgeführt wurden, künftig in Fulda erledigt werden sollen - allerdings, ohne dass genügend qualifizierte Fachkräfte zur Verfügung stehen.
„Die wenigsten werden wechseln, die Entfernung ist einfach zu groß“, hatte Stefan Möller, Betriebsratsvorsitzender in Fulda, bereits vor einigen Wochen prophezeit - und behielt recht. Aktuell sind 15 zusätzliche Stellen für die anspruchsvolle Instandhaltung von Bremsanlagen ausgeschrieben. Besetzt werden sollen diese über den internen Personalausgleich oder mithilfe von DB Zeitarbeit. Doch bislang haben sich nur zwei Beschäftigte aus Delitzsch zu einer vorübergehenden Tätigkeit in Fulda bereit erklärt.
Währenddessen werden im rund 300 Kilometer entfernten Delitzsch bereits Fakten geschaffen: Erste Werkbänke und Prüfstände sind abgebaut und nach Fulda transportiert worden, weitere folgen. Den Beschäftigten in Sachsen wird so tagtäglich vor Augen geführt, dass es für ihren Standort keine Zukunft mehr gibt. Mit der Schließung endet eine über 100-jährige Tradition - aus Sicht der DB AG, um Miet- und Transportkosten einzusparen. Dass dabei wertvolles Fachwissen verloren geht und Existenzen langjähriger, hoch motivierter Beschäftigter gefährdet werden, spielt offenbar keine Rolle.
„Was aber weiterhin zählt, ist unsere Solidarität mit den Kolleginnen und Kollegen in Delitzsch - auch wenn wir die Entscheidung trotz massiven Widerstands nicht verhindern konnten“, betont Betriebsrat Möller. Man habe alle Mitbestimmungsrechte konsequent ausgeschöpft, auch wenn dies die Verantwortlichen verärgert habe. „Geräuschlos und ohne politischen Schaden geht die Schließung jedenfalls nicht über die Bühne - das wird nachwirken.“
Aktuell werden den Delitzscher Beschäftigten alternative Arbeitsplätze oder Abfindungen angeboten, manche Offerten aber wieder zurückgezogen. „So kann man mit Menschen, die ihre Arbeit stets zuverlässig und mit Herzblut erledigt haben, nicht umgehen“, empört sich Möller. Ein Sozialplan soll finanzielle Härten abfedern, denn in der Region Delitzsch sind neue, sichere Arbeitsplätze im Eisenbahnsektor rar.
Eine mögliche Option wäre RailMaint, auf dessen Gelände sich die Bremsenwerkstatt bisher befand. Zwar werden dort ebenfalls Schienenfahrzeuge instandgesetzt, doch das niedrigere Lohnniveau lässt viele zögern. Für die meisten ist ein Wechsel ins Werk Fulda keine Alternative - die Entfernung würde ihre gesamte Lebensplanung infrage stellen. „Nach Feierabend noch Zeit mit Familie oder Freunden zu verbringen, ist bei einer Anfahrt von drei Stunden unmöglich. Stattdessen bleibt nur ein Gasthof oder ein möbliertes Zimmer in Fulda“, beschreibt Möller die Situation.
Gleichzeitig wird das Fachwissen der Kolleginnen und Kollegen aus Delitzsch in Fulda dringend benötigt. „Hier stehen künftig die Maschinen, hier landet die Arbeit - aber uns fehlen die Fachkräfte“, so Möller. Für die Kunden, die bisher hochzufrieden waren, sei das eine vorhersehbare Katastrophe. „Wir haben immer wieder davor gewarnt.“ Doch letztlich treffe der Arbeitgeber die Entscheidungen, nicht der Betriebsrat.
DB Zeitarbeit sucht inzwischen händeringend nach Fachkräften für Bremskomponenten. Ob sich genügend qualifizierte Bewerber finden, ist ungewiss. „Die Vorgänge um Delitzsch haben viel Kraft gekostet, aber die Kolleginnen und Kollegen wissen, dass wir sie nicht alleinlassen“, sagt Möller. Man habe Versammlungen begleitet, persönliche Gespräche geführt und mit dem Sozialplan wichtige Schutzmaßnahmen erreicht.
Auch im Werk Fulda selbst bleibt die Lage angespannt. Von kurzfristigen Schichtabsagen über freiwillige Sonderschichten bis zu wechselnder Auftragslage reicht die Bandbreite. Noch Anfang 2025 war Kurzarbeit vereinbart worden, nun gibt es wieder zu viele Aufträge - oder zu wenig Personal.
Im Mai 2026 stehen zudem Betriebsratswahlen an. Bei mehr als 500 Beschäftigten ist ein 11er-Gremium zu wählen. „Die meisten der bisherigen Betriebsräte werden erneut kandidieren, aber wir wollen auch Jüngere gewinnen“, erklärt Möller. Ziel sei es, ein möglichst breites Abbild der Belegschaft im Betriebsrat zu erreichen.
„Wir werden mit einer überzeugenden Liste antreten“, zeigt sich Möller zuversichtlich, wenngleich er um die Wahlbeteiligung sorgt. „Da müssen wir uns etwas einfallen lassen.“ Anlass für Optimismus bot das Grillfest beim Besuch von EVG-Chef Burkert allemal.
Doch die Herausforderungen bleiben groß. Der Betriebsrat blickt mit Sorge auf die Transformation innerhalb der DB AG: strikte Sparvorgaben, fehlende Werkestrategien und das Turnaround-Programm „Fit für die Zukunft“. „Hoffentlich hat unser Werk auch eine Zukunft?“, fragt Möller mit Blick auf die kommenden Jahre.