„Die junge Generation kann ihren Beitrag leisten“

Die Ausbildungswerkstätten der DB AG leisten eine wichtige Arbeit - nicht nur in der betrieblichen Ausbildung. Ein Beispiel dafür ist die Ausbildungswerkstatt Rostock. Sie beteiligt sich alljährlich am Wettbewerb „Bahn-Azubis gegen Hass und Gewalt“. Seit mehr als zehn Jahren kooperiert die Werkstatt mit der Mahn- und Gedenkstätte KZ Ravensbrück.

Auch wenn die Ausbildungswerkstatt Rostock direkt hinter dem Hafen liegt: Schiffe bekommt man nicht zu sehen, wenn man am Kopierer steht. Dafür sieht man etwas anderes: Ringsum sind die Wände mit Zetteln voller Sinnsprüchen bedeckt. „Das ist unsere Sprüche-Ecke“, sagt Roland Leutner. „Wenn man hier steht und sich etwas kopiert, kann man dabei gleich was Schlaues lesen.“

Roland Leutner ist Ausbildungsleiter der Ausbildungswerkstatt Rostock-Seehafen und er ist es mit Herz und Seele. Hier kümmern sich insgesamt vier Kollegen um die Ausbildung junger Eisenbahnerinnen und Eisenbahner: zum Industriemechaniker, Mechatroniker und Elektroniker. Aber, das zeigt schon die stetig wachsende „Sprüche-Ecke“, es geht hier nicht nur um den Umgang mit Strom und Metall. „Wir haben hier einen wichtigen pädagogischen Auftrag. Gerade im ersten Lehrjahr leisten wir nicht nur Ausbildungs-, sondern auch ein bisschen Erziehungsarbeit.“

In der Regel halten sich die Azubi während ihrer Ausbildung 42 bis 46 Wochen in einer Ausbildungswerkstatt auf, also immerhin fast ein Drittel der gesamten Ausbildungszeit. Ein deutlicher Schwerpunkt liegt dabei auf dem ersten Lehrjahr. Und hier bekommt die Aussage von der „Erziehungsarbeit“ eine besondere Note.

Denn seit 2000 sind alle Auszubildenden der DB im ersten Lehrjahr eingeladen, sich am Wettbewerb „Bahn-Azubi gegen Hass und Gewalt“ zu beteiligen. Die Rostocker tun das auch bereits seit Anfang an. Zweimal schon haben sie den Wettbewerb gewonnen. 2010 für den „Stein des Anstoßes“: damals brachten sie am Südeingang des Rostocker Hauptbahnhofes eine Platte an mit der Inschrift „Wir setzen Zeichen gegen Hass und Gewalt“. Und 2005 für den aufgearbeiteten Deportationswaggon für die Mahn- und Gedenkstätte KZ Ravensbrück. Aus dieser Aktion ist mittlerweile eine Art Partnerschaft erwachsen.
„Damals ist die Gedenkstätte an uns heran getreten. Man hatte einen alten Waggon aus den Deportationszügen gefunden und fragte, ob ein Werk den aufarbeiten könne“, sagt Roland Leutner. „Da kam uns die Idee zu sagen: das machen wir zu unserer Azubi-Aktion.“ Ausbilder und Auszubildende stellten Materialien und ihre Arbeitsleistung zur Verfügung, um den Waggon originalgetreu wieder herzustellen. Seit 2005 steht nun der Wagen in der Gedenkstätte und erinnert an die Deportation von rund 150.000 Menschen mit der Reichsbahn in das KZ Ravensbrück.

„Wir haben damals gesehen, was in Ravensbrück noch alles zu tun ist und haben uns gesagt: Das soll keine einmalige Aktion gewesen sein“, sagt Roland Leutner. „Daraus ist eine Kooperation geworden, die jetzt seit elf Jahren andauert.“ Jedes Jahr sind die Rostocker Azubis in Ravensbrück: Sie haben Wege gepflastert, Ausstellungsräume renoviert oder eine Informationsstele für Besucher aufgestellt. Alle diese Aktionen sind durch Schautafeln im Gebäude der Ausbildungswerkstatt dokumentiert. „Wir müssen bei den Jugendlichen nicht mehr viel Überzeugungsarbeit leisten. Bevor wir was sagen können, haben sich die jungen Leute schon mit dem Thema vertraut gemacht. Wir brauchen dann nur noch sagen, dass wir das auch in diesem Jahr fortführen.“ Auch hier zieht die Ausbildungswerkstatt mit den eigentlichen Ausbildungsbetrieben an einem Strang: sie organisieren Freistellungen für die Azubi-Aktion.

„Die Welt ist leider auch heute noch voller Brutalität und Aggression. Und in Ravensbrück kann man sehen, wohin so etwas führen kann. Das wollen wir den jungen Leuten zeigen“, sagt Ausbilder Bernd Bergmann. Auch er ist von Anfang an mit dabei und so etwas wie der Mentor des Projekts - verantwortlich für die Organisation, Durchführung und die Dokumentation der Projekte. „Wir wollen so auch verhindern, dass sich die jungen Leute von rechten Parolen verleiten lassen.“ Wichtig ist den Ausbildern die Nachhaltigkeit ihres Projekt: Es soll um mehr gehen als um einen einmaligen Effekt. „In Ravensbrück ist noch auf Jahre hinaus genug zu tun“, sagt Bernd Bergmann. „Die Mahn- und Gedenkstätte hat auch nur geringe Mittel und freut sich über jeden Beitrag. Da ist es für uns Ehrensache, uns hier weiter einzubringen.“

Für die Rostocker Ausbilder, allesamt EVG-Mitglieder, ist das Engagement in Ravensbrück aber auch eine Art historische Verpflichtung. „Die Bahn hat ja nun auch ihre Geschichte und auch eine historische Verantwortung. Von daher ist unser Projekt vielleicht nicht gleich eine Wiedergutmachung. Aber die junge Generation, die selber damit nichts zu tun hat, kann ihren Beitrag leisten, um die Geschichte aufzuarbeiten und dafür zu sorgen, dass sie sich nicht wiederholt.“