Der "weibliche Bebel" – zum Todestag von Luise Zietz (geb. Körner)

Luise Catharina Amalie Körner wurde 1865 in Bargteheide als Kind einer Weber- und Heimarbeiterfamilie geboren. Schon als 9-Jährige musste im väterlichen Betrieb mitarbeiten und Wolle spinnen oder die Ware ausliefern. Mit 14 Jahren nahm sie eine Stelle als Dienstmädchen an und schlug sich später als Arbeiterin in einer Hamburger Tabakfabrik durch. Schließlich gelang es ihr, eine Ausbildung als Kindergärtnerin zu absolvieren.

Foto: Bayerische Staatsbibliothek, CC BY-SA 4.0 <https://creativecommons.org/licenses/by-sa/4.0>, via Wikimedia Commons

Sie heiratete den Hafenarbeiter Karl Zietz und bekam durch ihn Kontakt zur Arbeiterbewegung und sozialistischen Ideen. In der Folgezeit begann sich politisch zu engagieren und blieb dabei, auch als ihre Ehe schon nach kurzer Zeit endete.

Sie las begeistert „Die Frau und der Sozialismus“ von August Bebel und fand ihre politische Heimat in der SPD, wo sie viel Unterstützung erfuhr und sich weiterbilden konnte. Sie wurde eine brillante und gefragte Rednerin bei Veranstaltungen. Mit ihren Reden versuchte sie, gerade Arbeiterfrauen zu ermutigen, für bessere Arbeitsbedingungen zu kämpfen und sich gewerkschaftlich zu organisieren. Im Hafenarbeiterstreik 1896/97 rief sie dazu auf, die streikenden Männer zu unterstützen und im Kampf für die Sache nicht nachzulassen. Sie organisierte eigene Veranstaltungen für die Frauen und füllte die Säle. In Hamburg als aufreizende Agitatorin polizeibekannt, reichte ihr Ruf nun über die Grenzen der Stadt hinaus.

Daneben verfasste sie mehrere Schriften, in denen sie sich mit der Situation der Landarbeiterinnen, mit dem Thema Frauen und Politik und zur Frauenerwerbsarbeit auseinandersetzte.

Als 1908 das Vereinsrecht geändert wurde, durfte sie endlich in die SPD eintreten und wurde sofort in den Parteivorstand gewählt. Sie schien den Männern im Vergleich zu Clara Zetkin weniger radikal, die bis dato die Vorkämpferin für die Sache der Frauen in der SPD war. Von 1909 bis zur Spaltung der Partei 1917 blieb sie als Sekretärin für Frauenfragen im Parteivorstand. Sie war die erste Frau nicht nur im Parteivorstand der SPD, auch keine andere Partei in Deutschland hatte jemals zuvor eine Frau im Vorstand gehabt.

Im Jahre 1910 stellte sie auf der Zweiten Internationalen Frauenkonferenz in Kopenhagen eine Resolution vor, in der sie sich für das allgemeine Frauenwahlrecht aussprach: „Das beschränkte Frauenwahlrecht sei nicht eine Etappe auf dem Wege zum allgemeinen Wahlrecht, sondern das größte Hindernis dafür. Der Kampf für das Frauenwahlrecht müsse geführt werden.“ Den auf dieser Konferenz beschlossenen Internationalen Frauentag in Deutschland organisierte sie im folgenden Jahr.

In den ersten Jahren des Weltkrieges unterstützte Luise Zietz zunächst die Burgfriedenspolitik der SPD-Führung. Allerdings wandte sie sich später ab und unterschrieb im Juni 1915 Karl Liebknechts "Offenen Brief" gegen diese Burgfriedenspolitik. Dies war möglicherweise der Grund, weshalb sie Ende 1916 ihre Funktion als Frauensekretärin im SPD-Vorstand verlor.

1917 gehörte sie zu den Gründungsmitgliedern der Unabhängigen Sozialdemokratischen Partei Deutschlands (USPD), die sich von den Mehrheitssozialisten (MSPD) abspaltete. Bis zu ihrem Tode gehörte sie zum Zentralkomitee der USPD und war dort wiederum verantwortlich für die frauenpolitische Arbeit.

Luise Zietz vertrat die USPD in der verfassunggebenden Deutschen Nationalversammlung von Weimar und ab 1919 als Abgeordnete im Reichstag. Politische kämpfte sie für die Einführung des Achtstundentages, die Ausweitung des Mutterschutzes und die Erhöhung des Krankengeldes sowie das Verbot von Kinderarbeit. Vieles konnte sie nicht durchsetzen, doch ihre Beiträge in der Nationalversammlung waren gefürchtet. Sie setzte sich immer für das gemeinsame Vorgehen von Sozialdemokrat:innen und Kommunist:innen ein.

Nur zwei Jahre arbeitete Zietz als Abgeordnete. Sie starb überraschend nach einem Ohnmachtsanfall währen einer Plenarsitzung am 27. Januar 1922 im Alter von nur 56 Jahren. Sie wurde auf dem Zentralfriedhof Friedrichsfelde beigesetzt. Nach Umbettung im Jahr 1951 ist ihr Grab weiterhin an der Rindmauer der Gedenkstätte der Sozialisten erhalten.

Mehrere Straßen sind in der Bundesrepublik nach ihr benannt, so unter anderem in ihrem Geburtsort. 

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Ein Artikel des AK Geschichte der Bundesfrauenleitung.