70 Jahre DGB: Happy Birthday

„Es ist immer und einzig die menschliche Arbeit, durch welche die Gemeinschaft lebt.“ So Hans Böckler, erster Vorsitzender des DGB. Seit nunmehr sieben Jahrzehnten kämpfen die Gewerkschaften gemeinsam dafür, dass Arbeit fair bezahlt wird und ein Leben in Würde möglich ist.

© DGB

Lohnfortzahlung im Krankheitsfall, 4 Wochen Mindest-Urlaub, Urlaubs- und Weihnachtsgeld – das erscheint vielen heute selbstverständlich. Doch nichts davon ist den Beschäftigten von den Arbeitgebern oder vom Staat geschenkt worden. Vielmehr haben die Gewerkschaften und ihr Dachverband, der DGB, all dies erkämpft, in oftmals zähen Auseinandersetzungen.

Von der Unternehmensmitbestimmung (zunächst in der Kohle- und Stahlindustrie) unmittelbar nach dem zweiten Weltkrieg bis hin zu den heutigen Themen Zukunft der gesetzlichen Rente, paritätische Finanzierung des Gesundheitswesens und bezahlbares Wohnen – wohl kein soziales Fortschrittsthema in Deutschland seit 70 Jahren ist ohne die Gewerkschaften denkbar. 

„Schafft die Einheit!“ Das politische Vermächtnis des Gewerkschafters Wilhelm Leuschner bildete die Basis der Einheitsgewerkschaften nach dem zweiten Weltkrieg. Die politische Zersplitterung der Gewerkschaften und der Arbeiterbewegung war einer der Gründe, die zum Aufstieg der Nationalsozialisten geführt hatte. Nie wieder, so die Lehre aus der Geschichte, sollten die Gewerkschaften sich auf diese Weise selber schwächen.  

Politische Richtungsgewerkschaften wie in der Weimarer Republik sollten so von vornherein ausgeklammert werden. Stattdessen galt das Prinzip der Einheitsgewerkschaft: Vom produzierenden Arbeiter bis zum Kantinenkoch, vom Hausmeister bis zu den Büroangestellten sollten alle Beschäftigten eines Betriebs bzw. Unternehmens von einer Gewerkschaft vertreten werden. Die 16 Gewerkschaften, die sich am 12. Oktober 1949 in München zum ersten „Parlament der Arbeit“ trafen und dabei den DGB gründeten – darunter die Gewerkschaft der Eisenbahner Deutschlands, GdED, blieben autonom; der demokratisch aufgebaute Dachverband sollte das politische Sprachrohr der freien Gewerkschaften in Westdeutschland werden.

Einige Meilensteine aus 70 Jahren DGB-Geschichte:

1951 In der Montanindustrie (Kohle und Stahl) wird die Paritätische Mitbestimmung eingeführt. In den Aufsichtsräten der Montanunternehmen haben Beschäftigte und Gewerkschaften genauso viele Sitze wie die Anteilseigner. Damit soll verhindert werden, dass diese Schlüsselindustrien noch einmal politisch instrumentalisiert werden können.

1956 16 Wochen lang streiken die Metallarbeiter*innen in Schleswig-Holstein. Ihr Ziel: die Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall. Für Angestellte gab es sie bereits, für Arbeiter*innen nicht. Der Streik führt zu einem neuen Gesetz. Ab 1970 haben alle Beschäftigten denselben Anspruch. 

1966 Ein Spitzengewerkschafter wird Minister. Georg Leber, Vorsitzender der IG Bau-Steine-Erden, übernimmt das Verkehrsressort in der ersten Großen Koalition. 

1967 legt er den sog. „Leber-Plan“ vor, ein verkehrspolitisches Gesamtkonzept von einer Stringenz, die bisher von keinem seiner Nachfolger im Amt erreicht worden ist.

1967 In der ersten Wirtschaftskrise der Bundesrepublik ruft Wirtschaftsminister Karl Schiller die Konzertierte Aktion ins Leben. Die großen Interessengruppen, auch die Gewerkschaften, kommen zu regelmäßigen Gesprächsrunden über die wirtschaftliche Entwicklung zusammen. Das soll eigentlich unverbindlich sein – aber die Jahreswirtschaftsberichte, die aus den Treffen entstehen, werden als „Lohnleitlinien“ interpretiert, sie bilden die Basis für Mäßigungsappelle in der Tarifpolitik. 1979 kündigt der DGB die Mitarbeit auf.

1972 Auf Druck der Gewerkschaften wird das Betriebsverfassungsgesetz novelliert. Die Mitbestimmung der Betriebsräte in sozialen und personellen Angelegenheiten wird erweitert; die Mitbestimmung in wirtschaftlichen Angelegenheiten dagegen nicht.

1976 Mit Drohkulissen wie dem „Gewerkschaftsstaat“ haben sich die Arbeitgeber zwei Jahrzehnte dagegen gewehrt – verhindern können sie es nicht: Das Mitbestimmungsgesetz tritt in Kraft. In Unternehmen ab 2000 Beschäftigten werden fortan Aufsichtsräte gewählt. Allerdings gelingt es nicht, die Parität aus der Montanindustrie in die gesamte Wirtschaft zu übertragen. Der AR-Vorsitzende kommt von der Anteilseignerseite und hat eine zweite Stimme.

1986 Die DGB-Jugend gründet den Kumpelverein. Unter dem Motto „Mach meinen Kumpel nicht an!“ und dem Signet der Gelben Hand tritt er seitdem gegen Ausländerfeindlichkeit, Rassismus und Sexismus an.

1989/90 Mit dem Ende der DDR wird der dortige Dachverband FDGB aufgelöst; überall werden freie Gewerkschaften gegründet, so auch die Gewerkschaft der Eisenbahner (GDE). Sie verschmilzt wenige Monate später auf die westdeutsche GdED.

1995 Mit dem Slogan „Samstags gehört Vati mir“ hat der DGB in den 50er Jahren die Auseinandersetzung um die Arbeitszeit eröffnet. Nun wird in den Branchen Metall, Elektro und Druck die 35-Stunden-Woche eingeführt.

1996 In Deutschland regiert der Neoliberalismus. Angeblich will die Regierung Kohl ein „Bündnis für Arbeit“, legt aber dann plötzlich ein Sparpaket vor: Erhöhung des Renteneintrittsalters, Senkung der Lohnfortzahlung, Aufweichung des Kündigungsschutzes vorsieht. Der DGB geht auf die Straße – gemeinsam mit Sozialverbänden und der politischen Opposition. Im Juni demonstrieren in Bonn 350.000 Menschen gegen das Sparpaket. 

2005 Kohls Nachfolger Schröder ist ein Sozialdemokrat. Seine Politik mit der „Agenda 2010“, den Hartz-Gesetzen und der Rente mit 67 führt dennoch zu einer Entfremdung zwischen SPD und Gewerkschaften.

2010 Fusionen von Mitgliedsgewerkschaften des DGB gab es mehrere – 2002 schlossen sich gleich fünf von ihnen zur Dienstleistungsgewerkschaft ver.di zusammen. Die Eisenbahner aber sorgen für ein Novum. Die TRANSNET fusioniert mit der Verkehrsgewerkschaft GDBA, die dem konkurrierenden Beamtenbund angehört – zur EVG.   

2015 Nach einem Jahrzehnt zäher Auseinandersetzungen wird der gesetzliche Mindestlohn eingeführt. Seitdem durfte kein*e Beschäftige*r in Deutschland mehr weniger als € 8,50 verdienen. Heute liegt der Mindestlohn bei € 9,19.

2016 Rente muss reichen – unter diesem Motto startet der DGB eine politische Kampagne gegen den Sinkflug der gesetzlichen Rente. Inzwischen steht die Erhöhung des Rentenniveaus im Gesetz – ein Erfolg der DGB-Kampagne.

2016 Und wieder Arbeitszeit. Mehr Geld oder mehr Freizeit – mit dem EVG-Wahlmodell eröffnet unsere Gewerkschaft ein neues Kapitel in der Tarifpolitik.