„Schluss mit der Beliebigkeit"
Schon 2019 war sie geplant worden, dann kam die Pandemie dazwischen, jetzt war es soweit: Die Bildungsgesellschaft der EVG, die EVA, lud zur Konferenz ausschließlich für Interessenvertreterinnen.
Und rund 120 engagierte EVG-Frauen aus allen Bereichen der Mitbestimmung folgten der Einladung nach Fulda: aus Betriebs- und Personalräten, aus JAV und Schwerbehindertenvertretungen. Und schon am Auftakttag war allen Teilnehmerinnen klar: Es hat sich gelohnt, auf diese Veranstaltung zu warten.
„Frauen engagieren sich an vielen Stellen, auf vielen Ebenen, sie setzen sich in den Betrieben für ihre Kolleg:innen ein, aber leider sehen wir, dass auch in diesem Bereich die Gleichstellung nicht durchgesetzt ist“, stellte einleitend die EVA-Geschäftsführerin Johanna Uekermann fest. „Wir wollen einen Beitrag leisten, dass die Gleichstellung in den Betrieben vorangebracht wird.“ Denn schließlich ist das, laut § 80 des BetrVG, eine genuine Aufgabe der Betriebsräte. Die Konferenz, so ergänzte die Stellvertretende EVG-Vorsitzende Cosima Ingenschay „soll auch die Gelegenheit sein, sich auszutauschen, sich zu vernetzen, gemeinsam gute Lösungen zu entwickeln.“ Sie wünsche sich, so Cosima, dass viele Frauen von der Konferenz mit gestärktem Selbstbewusstsein zurückfahren „und dass sie sagen: Jetzt ist es mal vorbei mit der Beliebigkeit; ich habe das Recht, gehört zu werden und das nehme ich jetzt in Anspruch.“
Bereits vorab konnten sich die Teilnehmerinnen für einen von vier Workshops entscheiden. In denen wurden am ersten Tag Bestandsaufnahme der Problemlagen zu vier Themenschwerpunkten gemacht. Und da heißt bei den EVG-Frauen: viermal intensive, engagierte und lebhafte Diskussionen, die zum Ausklang des ersten Tages zusammengefasst wurden.
Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Hier kristallisierten sich drei Schwerpunkte heraus. Erstens, wie kann für alle Interessierten der Zugang zu Bildungsangeboten sichergestellt werden, insbesondere für Frauen im Schichtdienst. Zweitens die weitere Ausgestaltung des mobilen Arbeitens: wo gibt es bereits gute Lösungen, wie können Mitbestimmungsgremien beim Entwerfen von Betriebsvereinbarungen voneinander profitieren? Wichtig ist hier auch das Gesamtpaket: denn zum Arbeiten „zu Hause“ gehört auch die entsprechende Gefährdungsbeurteilung. Und drittens: wie können Betreuungsleistungen mit dem Arbeitsleben vereinbart werden – nicht nur, was Kinder betrifft, auch zu pflegender Angehöriger oder Menschen, die in einem gemeinsamen Haushalt wohnen, ohne eigentlich „Angehörige“ zu sein.
Beschäftigungsmodelle in Voll- und Teilzeit. Welche verschiedenen Arten der Teilzeit gibt es eigentlich und wie kann man sie in Anspruch nehmen – so eine der zentralen Fragen der Teilnehmerinnen. Die Kolleg:innen müssen informiert sein, denn viele kennen manche Spezialformen wie z.B. die „Brückenteilzeit“ nicht. Unbedingt zu vermeiden, das war Konsens, ist die „Teilzeitfalle“: Niemals sollte Teilzeit unbefristet vereinbart werden, denn das birgt das Risiko, nicht wieder in Vollzeit wechseln zu können und wirkt sich auch negativ auf die Rentenansprüche aus.
Arbeitsbedingungen vor Ort. In diesem Workshop stand ein Thema schnell im Fokus: der Zugang zu sanitären Anlagen. Klingt lapidar, ist es aber nicht, gerade in Verkehrsbetrieben. Oft sind eigene Anlagen nicht vorhanden, es müssen öffentliche Toiletten genutzt werden. Dafür müssen vor Ort Lösungen gefunden werden. Da sei „das Gefälle in unserem Konzern groß“, so eine Kollegin, „es reicht von ‚vorbildlich‘ bis ‚gar nichts‘“. Genauso bei einem zweiten Thema, das die Kolleginnen beschäftigt: der Umgang mit Gewalt und sexueller Belästigung – sowohl durch Kunden als auch durch Kollegen.
Frauenpolitik und Gleichstellung in der Gremienarbeit. Knapp zwei Jahre ist es her, dass im Rahmen des europäischen Sozialen Dialogs die Vereinbarung „Women in Rail“ (WiR) abgeschlossen wurde. Ziel: den Frauenanteil in den Verkehrsunternehmen zu erhöhen, indem man die Arbeitsplätze für sie attraktiver macht und Karrierewege eröffnet. Was ist seitdem passiert?, fragten sich die Frauen im vierten Workshop. „Wir haben es hier mit einem ziemlich stumpfen Schwert zu tun“, fasste eine Kollegin die Diskussion zusammen. „Man kann die Vereinbarung als Selbstverpflichtung ansehen. Aber es gibt keine Konsequenzen, wenn nichts passiert.“ Immerhin gebe es auch positive Punkte: die Zahl der Frauen in Führungspositionen ist gestiegen, es gibt Zielquoten für weibliche Führungskräfte. Aber, da waren sich die Workshop-Teilnehmernnen einig: „WiR“ muss bekannter gemacht werden.
Am zweiten Tag der Konferenz sollen in denselben Arbeitsgruppen Lösungsansätze für die angesprochenen Probleme erarbeitet werden. Der erste Konferenztag hat jedenfalls schon viel versprochen!