"Wir können Dinge durchsetzen, die wir uns bisher nicht vorstellen konnten"

Unter dem Motto „Mitbestimmen. Mitgestalten. Mit uns. Arbeitet die EVG noch stärker für die Verbesserung der Beschäftigungsbedingungen in den Betrieben. Beispiel: Susanne Mathurin und ihre Betriebsrats-Kollegen von DB Station & Service. Ihr Thema ist die individuelle Flexibilität.

Susanne Mathurin und Rainer Perschewski

Und die ist eine doppelte: zeitlich und räumlich. Für die Zentrale der DB Station & Service AG setzte der Betriebsrat entsprechende Betriebsvereinbarungen durch. Sie ermöglichen den rund 460 Beschäftigten, Arbeitsort und –zeit weitgehend mit ihren individuellen Bedürfnissen in Einklang zu bringen. „Derzeit“, sagt Susanne Mathurin, „will der Arbeitgeber die Digitalisierung für sich nutzen. Das heißt für uns aber auch: Wir können derzeit Dinge für die Beschäftigten durchsetzen, die wir uns gestern noch nicht vorstellen konnten.“

Ansatzpunkt ist jeweils die Organisationseinheit. Innerhalb dieser Einheiten können die Kolleginnen und Kollegen immer vier Wochen im Voraus miteinander abstimmen, wer an welchen Tagen im Büro oder im Home Office arbeitet. Das Stichwort dafür lautet „Flexi-Arbeit“. In Abstimmung mit dem direkten Vorgesetzten kann jede/r Kolleg/in auch recht kurzfristig seine Arbeitstage ins Home Office verlagern, z.B. wenn die Handwerker kommen oder wenn das Kind krank ist. „Auf der einen Seite steht der Mitarbeiter dem Unternehmen zur Verfügung, auf der anderen Seite muss er sich nicht selber krank melden oder einen Urlaubstag nehmen.“ Es muss nur sichergestellt sein, dass die OE zu vorab definierten Ansprechzeiten erreichbar ist. 

„Der Vorschlag zur Flexi-Arbeit kam von den Beschäftigten, wir haben ihn aufgegriffen und ein Pilotprojekt angeschoben.“

Rainer Perschewski, Betriebsrat

Die Betriebsvereinbarungen sind in engem Kontakt mit den Beschäftigten entwickelt worden, sagt Betriebsrat Rainer Perschewski. „Der Vorschlag zur Flexi-Arbeit z.B. selbst kam von den Beschäftigten, wir haben ihn aufgegriffen und ein Pilotprojekt angeschoben.“ Auch an den Gesprächen mit dem Arbeitgeber waren stets zwei Kolleginnen und Kollegen aus der Belegschaft beteiligt. Um Vorbehalte bei den einzelnen Vorstandsmitgliedern zu über-winden, wurde die BV schrittweise eingeführt, nach dem Motto: Gute Beispiele wirken ansteckend. Bisher sperrt sich nur noch ein Vorstandsbereich dagegen – ausgerechnet der, in dem Susanne Mathurin arbeitet. Allerdings hofft sie, dass dieser Zustand bald ein Ende hat. „Irgendwann wird so eine kritische Größe erreicht, dass alle mit dem Finger auf den Bereich zeigen und sagen: die gesamte Zentrale ist dabei, warum ihr eigentlich nicht?“

„Wir sind unter dem Motto herangegangen: Diese Entwicklungen kommen sowieso“, sagt Rainer Perschewski. „Und wir haben jetzt entweder die Möglichkeit, sie für uns zu gestalten oder sie uns überstülpen zu lassen.“ Eine Herangehensweise, die sich auch aus einer konkrete Erfahrung speist: Beim Umzug der Zentrale von DB Station  & Service vor wenigen Jahren in die Bügelbauten über dem Berliner Hauptbahnhof wurde den Beschäftigten ein fertiges Großraum-Büro-Konzept vorgelegt. „Damals wurde uns etwas übergestülpt. Wir sind sozusagen gebrannte Kinder. Und deswegen sind wir jetzt vorgeprescht.“

Das Beispiel zeigt: Engagierte Betriebsräte können auch scheinbare Megatrends wie die Digitalisierung gestalten.  „Man sieht“, sagt Susanne Mathurin, „dass die Kolleginnen und Kollegen bereit sind, Verantwortung zu übernehmen. Man muss aber einen vernünftigen Rahmen schaffen.“