Betriebliche Arbeitszeitprojekte

Betriebliche Arbeitszeitprojekte sind bei der DB AG ein mittlerweile bewährtes Format, um Dienstpläne und andere Arbeitsbedingungen zu verbessern. Die EVG unterstützt die Projekte. 

Als André Vialon von seinem Heimatwahlbetrieb in Cottbus in die Betriebszentrale der Netz AG in Berlin-Pankow wechselte, da musste er sich an die dort üblichen Dienstpläne erst mal gewöhnen. „Es gab unterschiedliche Schichtlängen und unterschiedliche Ablösezeiten“, sagt er. „Die Spätschicht fing mal 13 Uhr an, mal 14, mal 15 Uhr. Entsprechend die Nachtschicht mal um 20, mal 21, mal 22 Uhr. Da konnte man wirklich durcheinander kommen.“

Erst recht, wenn man auf verschiedenen Dienstposten tätig ist, bestätigt sein Fahrdienstleiterkollege Frank Fröhlich. „99 Prozent der Leute hatten einen dicken Hals wegen der Dienstpläne“, sagt er. “Vor allem die Sache mit der Samstagsschicht musste unbedingt gelöst werden.“

Die „Sache mit der Samstagsschicht“ war so. Von 8 bis 18 Uhr dauerte die Tagschicht am Samstag. Das klingt ausreichend. Dafür aber musste die Nachtschicht bis 8 Uhr verlängert werden. „Aber ab 6 Uhr sagt die innere Uhr: so, jetzt ist Schluss“, so André Vialon. Die meisten Kollegen „haben gesagt, wenn ich schon am Samstag arbeiten muss, ist mir egal, ob 10 oder 12 Stunden.“ Mit den 12-Stunden-Schichten aber seien mehr Freiräume zu schaffen, um im Gegenzug z.B. freie Wochenenden zu bekommen. „Von der Belastung her ist es auszuhalten und die freien Wochenenden waren für uns wichtiger als kürzere Schichten.“ 

Viele Beschäftigte in den Betriebszentralen reisen von auswärts an. Der Regelungsbereich der BZ Berlin beispielsweise reicht von der Ostsee bis zur Lausitz. Viele Beschäftigte kommen ursprünglich von kleinen Stellwerken aus der Fläche, wie auch Zugkoordinator Martin Zinter, der aus Schwerin kommt.  „Da reisen Leute aus 200, 250 Kilometern Entfernung an. Sie bleiben ein paar Tage hier und versuchen natürlich auch möglichst viel geballt frei zu haben, um entsprechend mehr Zeit auch für die Familie zu haben.“

Klaus Just

Es musste also eine Lösung her. Als der Betriebsratsvorsitzende Klaus Just in der imtakt  die Berichte über die betrieblichen Arbeitszeitprojekte bei der DB AG las, griff er zum Telefon und leitete ein solches Projekt auch für seinen Wahlbetrieb ein.

Betriebliche Arbeitszeitprojekte sind ein fest installiertes Instrument im DB-Konzern. Mit ihnen können die konkreten Bedingungen vor Ort analysiert und Lösungen entwickelt werden, die den Wünschen der Beschäftigten z.B. nach besserer Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben  entgegen kommen. Abgesichert sind die Projekte u.a. durch den Demografie-Tarifvertrag von EVG und DB AG. Das Konzept: Probleme und Wünsche der Beschäftigten werden in Workshops abgefragt, örtlicher Arbeitgeber und örtlicher Betriebsrat bilden ein Projektteam gemeinsam mit einem neutralen Moderator aus dem DB-Konzern. „Dass jemand von einer anderen Warte auf unsere Themen guckt, ist ein guter Ansatz“, sagt der BR-Vorsitzende Klaus Just. „Es hätte nichts gebracht, wenn ich oder wenn der Standortleiter die Veranstaltungen moderiert hätte. Da wären Welten aufeinander gestoßen und wir hätten uns nur verzettelt.“

ZÜ: "Führt den Vierbrigadeplan wieder ein!"

Als „recht gut“ bewertet Im Nachhinein auch Bernd Fuchs den Prozess, Arbeitsgebietsleiter Fahrdienst in der BZ Granitzstraße. „Die Diskussionen waren rege und ergebnisorientiert. Und dadurch, dass auch die Interessenvertreter einbezogen waren, ist niemand benachteiligt worden.“

Die Mitarbeiter-Workshops in der Betriebszentrale wurden Anfang 2014 getrennt für Zugkoordinatoren und Fahrdienstleiter durchgeführt. Ein Thema „zog sich wie ein roter Faden durch alle Workshops“, sagt Betriebsrat Klaus Just. „Es gab die klare Aussage der Beschäftigten: Führt den Vier-Brigade-Plan wieder ein.“ Ein einfaches, transparentes Dienstplanmodell, das es bei der Deutschen Reichsbahn gegeben hatte. Daraufhin wurden in beiden Projekten alternative  Dienstplanmodelle je Arbeitsplatz entwickelt und im Sommer  2014 zur Wahl gestellt. Herausgekommen sind  am Ende  Dienstpläne mit vereinheitlichten Ablösezeiten, rechtssicher ausgestalteten 12-Stunden-Schichten am Samstag und am Sonntag, garantierten 48-Stunden-Ruhen und einer besseren Planbarkeit. Sogar die Urlaubsplanung kann jetzt besser integriert werden, so dass im Effekt 5 Prozent mehr Urlaub abgewickelt werden kann. Die Beschäftigten konnten sich entscheiden, die Mehrheit zählte. Zwölf Monate lang wurde das gewählte Modell erprobt und seit Anfang 2016 in den Regelbetrieb übernommen.

„Das ist nicht in Stein gemeißelt“, betont Klaus Just. „Wenn jemand einen anderen besseren Vorschlag bringt, dann diskutieren wir das.“ Zwar konnten nicht alle Probleme gelöst werden. Zugkoordinator Martin Zinter z.B. bemängelt die nach wie vor fehlende Planbarkeit für die Springer. „Definitiv sind nicht alle zufrieden, das ist der bittere Beigeschmack“, sagt der Arbeitsgebietsleiter Fahrdienst, Bernd Fuchs. „Aber die Gesamtzufriedenheit ist deutlich gestiegen. Viele Mitarbeiter sind entspannt und sind richtig begeistert von den neuen Dienstplänen – weil sie mehr Ruhen und damit auch mehr Freizeit haben.“ Insgesamt sieht er „einen enormen Fortschritt durch das Arbeitszeitprojekt. Man kann viele Dinge anpacken, weil alle am Tisch sitzen: der Arbeitgeber, der Betriebsrat, und auch die Beschäftigten selbst.“

Das Konzept des ergebnisoffenen Betrieblichen Arbeitszeitprojekte und Workshops führte auch dazu, „dass alles auf den Tisch kam, was den Leuten so auf den Nägeln gebrannt hat“, sagt Fahrdienstleiter Frank Förster. „Die Gelegenheit haben wir ergriffen, denn sonst fehlt ja oftmals der richtige Ansprechpartner.“ Bei Großraumbüros mit bis zu 60 Arbeitsplätzen müssen auch die Rahmenbedingungen stimmen: Klima, Licht, Sauberkeit. Auch für diese so genannten infrastrukturellen Themen wurden Projektsteckbriefe entwickelt. So werden z.B. nach und nach höhenverstellbare Tische eingebaut.

Aus Sicht des neutralen Moderators Kai-Uwe Schulz-Bödeker aus der Abteilung HBP des Konzerns  zeigen die beiden Projekte, „wie wichtig es, ist in der ersten Projektphase gemeinsam die Mitarbeiterwünsche repräsentativ und belastbar zu erheben, sie zu verstehen und gleichzeitig die betrieblichen und wirtschaftlichen Zusammenhänge zu berücksichtigen. Auf diese Weise entwickelt sich bei allen Beteiligten ein gemeinsames Verständnis und eine Absprungbasis, um gemeinsam Lösungen zu entwickeln,  zu bewerten und umzusetzen.“

Für den Betriebsratsvorsitzenden Klaus Just ist daher das Thema Nachhaltigkeit ganz wichtig. „Ich wünsche mir, dass man das nicht nach dem Motto sieht: Projekt durchgeführt, Ergebnis erzielt, Haken dran. Sondern dass man in einer solchen oder ähnlichen Runde einmal im Jahr zusammenkommt und die aufgelaufenen Probleme diskutiert.“