Nürnberger Volksfest, das heißt auch: EVG-Eisenbahnertag. Seit nunmehr 15 Jahren lädt die EVG alljährlich zu einer besonderen Veranstaltung. Dann geht es im Festzeit nicht nur um Bier, Bratwurst und Backhendl, sondern um die Bahn.
Zeit für klare Worte. So wie die des EVG-Vorsitzenden Martin Burkert in diesem Jahr: "Wir brauchen eine echte Bahnreform, die den Kunden wieder in den Mittelpunkt stellt. Und die erkennt: Wer die Kunden ernst nimmt, der darf sie nicht allein lassen."
"Wir arbeiten nicht nur, wir sind auch stolz auf unsere Arbeit", eröffnete der Nürnberger Geschäftsstellenleiter Matthias Birkmann die Veranstaltung. Mit seinem Team der Geschäftsstelle hat er den Eisenbahnertag seit Monaten vorbereitet. In diesem Jahr sind knapp 400 Eisenbahnerinnen und Eisenbahner der Einladung gefolgt. Matthias übergab sodann an den EVG-Vorsitzenden Martin Burkert, der in seiner Rede sofort in die Vollen ging.
Wir arbeiten nicht nur, wir sind auch stolz auf unsere Arbeit!
Matthias Birkmann, EVG-Geschäftsstellenleiter Nürnberg
"Was gerade bei unserer Bahn passiert, das habe ich noch nicht erlebt. Da gibt es einen neuen Verkehrsminister, einen neuen Eigentümer, und der will jetzt alles in Frage stellen. Das ist sein gutes Recht. Veränderung tut bitter Not! Aber es ist schon bizarr, dass niemand bisher sagen kann, was eigentlich verändert werden soll." Immer wenn die Politik in der Vergangenheit über Reformen bei der Bahn gesprochen hat, habe dies vor allem mehr Druck auf die Beschäftigten bedeutet. "Ich sage es deswegen klipp und klar: Unsere Kolleginnen und Kollegen haben die Schnauze voll. Niemand hat Lust weiter den Kopf hinzuhalten für das Versagen anderer." Insbesondere in dieser Situation komme es auf die Gemeinschaft an. "Wir sind eine Eisenbahnfamilie. Wer den Zug reinigt, ist nicht weniger wichtig für das Funktionieren der Bahn, als der Kollege, der vorne im Triebwagen sitzt oder im Stellwerk das Chaos auf unseren Gleisen steuert."
Auch die EVG sehe großen Veränderungsbedarf beim Verkehrsträger Schiene insgesamt und auch im DB-Konzern. Reform dürfe aber nicht Kahlschlag bedeuten, sondern müsse die Qualität des Bahnverkehrs und den Service rundherum verbessern - also nicht nur Pünktlichkeit und zuverlässige Verbindungen, sondern auch Ansprechbarkeit, Aufenthaltsqualität in Bahnhöfen, Sicherheit für Kunden und Beschäftigte. "Das geht nur mit unseren Kolleginnen und Kollegen. Die wollen doch diesen Job gut machen. Die wollen wieder stolz sein auf ihre Bahn. Und dafür brauchen sie Rückendeckung!"
Was gerade bei unserer Bahn passiert, das habe ich noch nicht erlebt.
Martin Burkert, EVG-Vorsitzender
Steigende Fahrpreise allerdings sind kontraproduktiv für die Bahnreform. Deshalb untermauerte Martin Burkert die scharfe Kritik der EVG an der nicht ausreichenden Trassenpreisförderung im Bundeshaushalt. Sie führt dazu, dass die Trassenpreise, die die DB InfraGO erheben muss, bei den Verkehrsunternehmen massive Kostensteigerungen auslösen, die diese wiederum an die Kunden weitergeben müssen. Es gehe um "lächerliche 170 Millionen Euro", die in der sog. Bereiingungssitzung im Verkehrsausschuss wieder gestrichen wurden. Deswegen "werden jetzt die Fahrgäste vor Wut kochen, wenn sie die saftige Ticketpreiserhöhung sehen. Deswegen belasten wir die deutsche Industrie massiv und gefährden allein im Fernverkehr 4.000 Arbeitsplätze."
Fester Bestandteil des EVG-Eisenbahnertages sind auch hochkarätige Gäste aus Bahn-Unternehmen und Politik. So diesmal u.a. der Vorstandsvorsitzende der DB InfraGO, Berthold Huber. "Ich fahre in der Woche bestimmt 2.000 Kilometer Eisenbahn. Ich erlebe und erleide selbst, was unsere Fahrgäste und die Kolleginnen und Kollegen in den Zügen erleben und erleiden."
Ein Grund für die derzeitige Misere: die Infrastruktur sei mit dem Verkehr nicht mitgewachsen. "Mir wird häufig gesagt: Macht's doch so wie in der Schweiz. Dort wird für die Schiene pro Kopf viermal so viel ausgegeben, wie in Deutschland - und das seit 30 Jahren." Ein Umstand, auf den die EVG und die Allianz pro Schiene seit Jahren hinweisen. Mit dem neuen Konzept der Korridor- bzw. Generalsanierungen versucht die DB jetzt, den Sanierungsstau gezielt und koordiniert abzubauen. Ein Konzept, das die EVG begrüßt. "Ich weiß, dass das eine Zumutung für die Kunden ist", so Bertold Huber. "Ich weiß aber auch, dass die Zumutung noch größer wird, wenn wir das nicht machen. Es geht nicht mehr anders."