„Wir haben’s mit Humor gut überlebt“

In den Jahren nach dem zweiten Weltkrieg sind zahlreiche Eisenbahnerinnen und Eisenbahner in die Gewerkschaft eingetreten. Sie blicken jetzt auf sieben Jahrzehnte Mitgliedschaft zurück. Einer von ihnen ist Karl-Wilhelm Klahn.

Der „Bahnhof“ von Burg auf Fehmarn ist heute eine etwas groß geratene Bushaltestelle. Kaum zu glauben, dass hier einstmals Schleswig-Holsteins schönster Bahnhof stand; das historische Backsteingebäude wurde 2017 abgerissen. So ist auch nur noch schwer vorstellbar, wie Karl-Wilhelm Klahn, 14-jährig, am 1. April 1944 hier das „Großbüro des Fahrdienstleiters“ betrat, um seine Ausbildung bei der Deutschen Reichsbahn zu beginnen. „Der Vorsteher begrüßte uns beiden neuen Lehrlinge recht freundlich und Herr Heydemann als Fahrdienstleiter nahm uns gleich mit auf den Bahnsteig“, erinnert sich der heute 88-jährige. Herr Heydemann schloss die Schranken und zog per Drahtzug das Einfahrtsignal für einen Personenzug. „Dieses „Zeremoniell“ sollte ich in fast 20 Dienstjahren auf Bahnhof Burg wohl so annähernd 20.000mal durchexerziert haben.“ 

Im Fahrdienstleiter-Büro fand der neue Lehrling nicht nur große Schreibtische und Apparaturen vor; in einer Ecke saßen auch „zwei schweigsame Männer und arbeiteten ohne Aufzugucken. „Dörrfs nicht mit schnacken“, sagte Eduard Heydemann, „sünd Ukrainer!““

Nicht nur durch die ukrainischen Zwangsarbeiter kam die Ostsee-Insel mit dem Krieg in Berührung. Aus dem Osten kamen Züge mit  Schwerverwundeten und Flüchtenden; es kamen Schiffe mit den Überlebenden der Kurland-Armee. „Die Fährschiffe fuhren Tag und Nacht… dann war die Steinkohle am Ende, - Eichen-schwellen wurden zersägt und verfeuert!“ 

Nach dem Krieg herrschte auf Fehmarn nur kurz Ruhe, dann wieder: Aufbruch. Mit der „Vogelfuglinie“, der Schienen- und Straßenverbindung via Ostsee zwischen Kopenhagen und Hamburg, rückten Deutschland und die skandinavischen Länder näher aneinander heran. Erster Schritt: die 69 Kilometer lange Fährverbindung zwischen Großenbrode und Gedser war, ab 1950/51. Das Angebot fand seine Nachfrage und bald waren die Kapazitäten erschöpft. „Wegen der Visa-Freigabe der Skandinavier und des geradezu explodierenden internationalen Reise- und Güterzugverkehrs erhöhte sich der Rückstau in Großenbroder Kai wie Gedser immer mehr.“ Es wurde Zeit für den zweiten Schritt: eine Brücke vom Festland auf die Insel Fehmarn und eine Fährverbindung von Fehmarn ins dänische Rödby. 

„Waren wir auf unseren Inselbahnhöfen auch mit der aufsteigenden Konjunktur reichlich beschäftigt, so kam doch mit Brücke, Straßen- und Gleisbau quer über die Insel mit 26 Überbrückungen und dem neuen Fährbahnhof Puttgarden mit 18 km Rangiergleise und 146 Weichen geradezu unheimliche Aufgaben für die Bahnbediensteten hinzu“, so Karl-Wilhelm Klahn, inzwischen Fahrdienstleiter in Burg. „Wir waren für den gesamten Eisenbahnverkehr der Insel zuständig. Die ersten Bauzüge, Material- und Schienenzüge trafen ein und wurden gleich auf die neu gebauten Gleise geleitet.  Die Ladestraßen der Insel-Bahnhöfe waren überfüllt. Wir haben`s mit Humor gut überlebt.“ 

Vor 55 Jahren, am 30.April 1963 wurde die Fehmarnsundbrücke eingeweiht. „Ich hatte an dem betreffendem Tag planmäßig Fdl.-Dienst auf dem Bahnhof Burg und um 10.23 Uhr traf der letzte mit der Fähre übergesetzte Triebwagen auf dem randvoll mit Fahrgästen bestandenen Bahnhof ein, welche die „Jungfernfahrt“, die erste Zugfahrt über die Hochbrücke miterleben wollten: planmäßige Abfahrt 10.40 Uhr,- ohne Schrankenbedienung..!“ Wenige Wochen später weihten der dänische König  Frederik IX. und Bundespräsident  Heinrich Lübke die Fährlinie Puttgarden-Rödby mit großen Feierlichkeiten ein. „Die Bediensteten von Burg gehörten jetzt zum Bahnhof Puttgarden und wurden hier bald auf dem modernen Siemens-Drucktasten-Stellwerk in Puttgarden als Fahrdienstleiter eingesetzt.“ 

Bereits Juli 1947 hatte Karl-Wilhelm Klahn eine entscheidende Begegnung gehabt: mit Fritz Schäfer, dem, wie er sagt, „ungekrönten König“ der Eisenbahner-Gewerkschaft auf der Insel. Schäfer „kam zu mir ins Bahnhofsbüro und sagte zu mir so ganz nebenbei: „ Du, Korl-Willem, dat ward jetzt aver bald Tied, dat du in uns Gewerkschaft kümmst! – twee Utflüge häst du schon mitmock…!“ – „Aver Herr Schäfer, ik bünn doch noch Lehrling…?!“ – „Na ja, föffti Pennig in Monat warst du je wohl noch över häm!!!“ – Der energische Kollege Fritz legte mir einen Zettel hin: „So, - hier ünnerschrifts du!“ So wurde ich 1947 Gewerkschaftsmitglied und hab es nie bereut! Viele GDED-Veranstaltungen, Fortbildungs-Lehrgänge besucht, und ab 1955 mit dem neuen GDED-Ortsvorsitzenden Fritz Schwarz als Jugendbegleiter Eisenbahn-Lehrlinge auf Studien-Reisen geführt.“