Wahlkreiskonferenz in NRW: Die Verkehrswende geht nur mit einer starken Schiene

Unter dem Motto: „Wir sind stark im Wandel oder die Verkehrswende geht nur mit einer starken Schiene“ hat am vergangenen Freitag die gemeinsame Wahlkreiskonferenz (WKK) der fünf Wahlkreise in NRW stattgefunden. Und diese Themen nahmen auf der Konferenz auch breiten Raum ein.

© Katja Tomek

Rund 180 Eisenbahner*innen, ob als Delegierte, Gäste oder interessierte Zuhörer, nahmen im Haus der Technik in Essen an der diesjährigen Wahlkreiskonferenz teil. Alle Teilnehmer*innen freuten sich, sich endlich einmal wieder live zu begegnen.

In seiner Eröffnungsrede ging Juppi Müller als Vorsitzender des Landesverbandes NRW auf die zurzeit brennenden Themen unserer Zeit ein. Die Auswirkungen der Pandemie; die unerträgliche Rhetorik in der Auseinandersetzung mit einer anderen „Gewerkschaft“, welche nachhaltig den Betriebsfrieden bedroht sowie die Schieflage im SPNV in Bezug auf die schwierige wirtschaftliche Situation bei Abellio und Keolis. 

Juppi Müller dankte allen für die Vorbereitung der Wahlkreiskonferenz und begrüßte insbesondere Anja Weber als DGB Vorsitzende NRW, den stellvertretenden Vorsitzenden der EVG, Martin Burkert, die EVG-Vorständin Cosima Ingenschay sowie unsere Sozialpartner GUV/FAKULTA, den Fonds soziale Sicherung, die DEVK, die Stiftungsfamilie BSW&EWH und die BAHN-BKK.

Für die Moderation der Veranstaltung konnten wir Andrea Arcais gewinnen, gelernter Journalist, der nun als Abteilungsleiter Energie- und Klimapolitik beim DGB NRW arbeitet und souverän durch die Tagung führte. 

Er übergab nach einer seiner kurzen Vorstellung Anja Weber das Wort. Anja sprach über den Strukturwandel in NRW, hier vor allem im Zusammenhang mit der Klimadebatte. Ausdrücklich betonte sie die Solidarität der DGB-Familie mit der EVG und grenzte sich, wie Rainer Hoffmann, von den Versuchen der GDL ab, mit unsolidarischen Mitteln, die Belegschaft bei der DB AG zu spalten. Sie lobte ausdrücklich die Tarifpolitik der EVG und bezeichnete Errungenschaften, wie das EVG-Wahlmodell und die Einbeziehung der Mitglieder bei der Forderungsfindung. 

Die Verkehrswende gelingt aus ihrer Ansicht nur, wenn es eine starke Bahn gibt und warnte vor einer Aufspaltung. Sie mahnte die Politik und Arbeitgeber, gerade aufgrund der anhaltenden Krise durch die Pandemie, nicht auf Investitionen zu verzichten. Es braucht einen breiten Konsens in der Gesellschaft, um Armut zu verhindern. Es braucht mehr Geld für ökologischen Wohnungsbau, mehr für umweltfreundlichen Verkehr, mehr Förderung von grüner Energie. 

Die Mitbestimmung bezeichnete sie als den Motor in den Unternehmen. Mit einem Blick auf die besorgniserregende Situation in Afghanistan stellte sie fest, dass man nun endlich verstehen müsse, dass Krieg nie ein Instrument für die Lösung politischer Probleme sein kann. Mit Blick auf die kommenden Bundestagswahlen rief sie zu Abstand zur AFD auf.

Nach Anja ergriff Martin Burkert das Wort und betonte, wie wichtig es sei, dass man wieder in Präsenz zusammenkommen kann, um über die wichtigen Belange der Menschen bei den Bahnen zu sprechen. Er betonte, dass die Verkehrswende nur mit der Schiene möglich ist. Dazu gehören begleitende Maßnahmen wie der Deutschlandtakt und eine Debatte über den Ausschreibungswettbewerb. Die Personalübernahme beim Betreiberwechsel müsse sichergestellt werden und natürlich auch im Busverkehr gelten. Die EVG hat alle Wahlprogramme der Parteien geprüft und viele Gespräche mit den Bundespolitikern aller demokratischen Parteien geführt, um auch die Position der EVG zum Erhalt des integrierten Konzerns zu erläutern.

Martin forderte, dass sich die pro Kopf Ausgaben für die Schiene verdoppeln müssen, der angestrebte Elektrifizierungsgrad auf 75% endlich umgesetzt werden muss, das Programm zur automatischen Kupplung bei den Güterwagen schnellstmöglich Realität werden muss sowie die konsequente Verlagerung des Güterverkehrs auf die Schiene. Ein Güterzug ersetzt 52 LKW! Zu den Bundestagswahlen gibt es eine klare Haltung der EVG: Die AFD hat im Bundestag und in der EVG nichts zu suchen. Martin ging ebenfalls auf den Konflikt zum Tarifeinheitsgesetz bei der Bahn AG ein und verurteilte die Kriegsrhetorik der GDL im andauernden Tarifkonflikt mit der DB AG. 

Nach Martin Burkert hatte Cosima Ingenschay das Wort. Sie sprach über 125 Jahre Eisenbahnergewerkschaft, über die Partner, die Wegbereiter und die Menschen, die in diesen 125 Jahren aktiv die Geschichte mitgestaltet haben. Bei diesen Feierlichkeiten ist unser Anspruch, alle Mitglieder mitzunehmen. Dazu wird die gesamte Aktion u. a. mit einer Postkartenaktion beworben. Zudem wird es eine Mail-Aktion geben, um auf das Foto Tool der EVG Homepage hinzuweisen. Die gesamte Kampagne läuft bis zu Bundeskonferenz 2021.

Im Anschluss an die Eröffnungsreden leitet Andrea zur Podiumsdiskussion mit den Verkehrsexperten der im Landtag vertretenen demokratischen Parteien ein. Für die SPD war Carsten Löcker, für die CDU Matthias Goeken, für die FDP Ulrich Reuter und für Bündnis 90/Grünen Arndt Klocke anwesend. Martin erläuterte auf Nachfrage erneut die Position der EVG zur verbindlichen Personalübernahme im SPNV und ÖPNV. 

Matthias Goeken von der CDU vertrat die Auffassung, dass der Wettbewerb auch mehr Verkehr auf die Schien gebracht hat und die Qualität sich dadurch verbessert habe. Als Vorsitzender der Verbandsversammlung des NWL und Mitglied des Landtags von NRW, wisse er wovon er spreche. Er räumte jedoch auch die Probleme im Wettbewerb ein und sagte, dass er persönlich für eine verpflichtende Personalübernahme bei Ausschreibungen sei, weil eine solche das System stabiler mache. Zudem teilte er die Auffassung von Martin Burkert, der einen neuen Branchentarifvertrag für die Nahverkehrsbranche gefordert hatte. Man sei sich über Parteigrenzen hinweg einig, dass es gut sei, dass man 2016 endlich die Regionalisierungsmittel zugunsten von NRW angepasst hat.

Carsten Löcker von der SPD gibt sich ebenfalls als Kenner des Nahverkehrs zu erkennen. Carsten hat im Nahverkehr beruflich gearbeitet und war lange Zeit Betriebsrat bei der Vestischen. Er bezeichnet es als Irrglauben, dass der Wettbewerb alles regele oder das dadurch alles besser wird. Um Lohn und Sozialdumping zu verhindern, muss man bei Ausschreibungen zwingend eine Personalüberleitung vorschreiben. Gute Beschäftigungsbedingungen in der Branche kommen nicht nur dem Personal zugute, sondern auch den Kunden!

Ulrich Reuter von der FDP verweist auf die Probleme mit der Qualität, die vor allem mit der mangelhaften Infrastruktur zu tun habe. Neben klaren Bekenntnissen zum Individualverkehr wolle die FDP in NRW den Umstieg auf Schiene und Binnenschiff für den Güterverkehr fördern. Darum ist für sie auch die Förderung der Schieneninfrastrukturen u.a. der Häfen wichtig. Sie erfüllen eine wichtige Funktion, damit mehr Güterverkehr umweltfreundlich abgewickelt werden kann. Dabei soll die Förderung sogenannten nichtbundeseigenen Eisenbahnen (NE-Bahnen) nicht fehlen. Reuter kritisiert, dass durch den Wechsel der politisch Verantwortlichen die Branche sehr oft mit neuen Ideen und Rahmenbedingungen zu kämpfen habe. 

Arndt Klocke von den Grünen sieht die Bahn als unverzichtbar bei der Klimakrise. Eine Wende könne nur mit der Schiene gelingen. Die Bundesregierung muss endlich die Rahmenbedingungen dafür herstellen. Die Inkompetenz der CSU-Verkehrsminister, zuletzt Scheuer, haben der Bahn nur geschadet. Die Bahn kann Jobmotor sein, wenn man den politischen Willen dazu habe, sie zu fördern. Auch Klocke fordert den verbindlichen Personalübergang. 

In der begleitenden Diskussion gingen die Kolleginnen und Kollegen aus dem Plenum auf die verfehlte Bahnpolitik des Eigentümers ein, die Rahmenbedingungen im Markt, die dringend nötigen Investitionen im Bestandsnetz sowie den Ausbau der Infrastruktur ein. Die alte Technik muss erneuert werden. Dazu muss die Politik endlich liefern.

Alle Politiker machen das Angebot, mit der EVG in NRW im Gespräch zu bleiben.

Juppi Müller und Martin Burkert bedankten sich bei den politisch verantwortlichen für die Bereitschaft auf der Podiumsdiskussion Rede und Antwort zu stehen.