Sicherheit: „So habe ich mir meinen Traumjob nicht vorgestellt“

Während viele Beschäftigte in unserem Land „den Laden am Laufen halten“, werden sie angefeindet oder gar angegriffen. Gerade auf sie können wir uns verlassen, wenn es darauf ankommt. Doch im Gegenzug bekommen sie nicht immer den Respekt, der ihnen zusteht. Das erfährt auch Mustafa-Can von DB Station&Service Saarbrücken.

Er ist 21 Jahre jung und arbeitet bei DB Station&Service in Saarbrücken. 2018 bei der DB AG angefangen, hat er vor einem Jahr seine Ausbildung im Bahnhofsmanagement abgeschlossen. Jeden Tag wird er während seiner Dienste angefeindet. „Dieses Thema dürfen wir nicht totschweigen“, sagt er. Erst zwei Jahre ein eingeschränktes Leben durch Corona und dann ein fast nahtloser Übergang zu überfüllten Zügen wegen des 9-Euro-Tickets. „Aggressive Reaktionen ziehen sich durch alle sozialen Schichten“, weiß Mustafa zu erzählen. Deswegen spricht ihm die Kampagne des DGB absolut aus dem Herzen. „Vergiss nicht, hier arbeitet ein Mensch“ - unter diesem Motto kämpfen der DGB und seine Mitgliedsgewerkschaft gegen die zunehmenden (verbale und körperliche) Aggression gegen Beschäftigte im Öffentlichen Dienst. Auch seine Kolleg:innen sind dankbar und hoffen sehr, dass der Einsatz der EVG und ihrer Schwestergewerkschaften dadurch präsenter wird. Die zweite Hoffnung, die sie daran knüpfen, ist die, dass vielleicht mancher Fahrgast in sich geht, bevor er Bahnmitarbeiter:innen aggressiv angeht. „Jeder kann sich mal ärgern. Zugausfälle haben aber nichts mit mir als Person zu tun“, so Mustafa. 

Viele Fahrgäste haben eine kurze Zündschnur
Der 21jährige versteht aber auch die Kunden, die sauer sind und zu ihm an die DB Info kommen oder ihn am Bahnsteig ansprechen. Zug verspätet oder überfüllt, keine Fahrradmitnahme möglich, Zugausfall, Anschlüsse verpasst. Er und seine Kolleg:innen im Team geben täglich mindestens 100 Prozent, manchmal gehen ihre Hilfen „über den Tellerrand hinaus“, wie er sagt. Und dennoch ticken die Leute aus. Selbst als er eine Reisende aufforderte, sich einen anderen Sitzplatz als die Bahnsteigkante zu suchen, wurde er angeschrien und wüst beschimpft. „Ende vom Lied: Ich habe die Bundespolizei gerufen. Die regeln das dann“. Direkt im Bahnhof befinden sich die Diensträume von BuPol und DB Sicherheit, die in Situationen wie diesen sofort zur Stelle sind. 

Wir brauchen mehr Sicherheitspersonal 
„Das sollte für alle Tätigkeiten mit Kundenkontakt; in Bahnhöfen oder in Zügen, Standard werden.“ Allein die Präsenz von Bundespolizei und DB Sicherheit minimiere nach Mustafas Ansicht Risikopotenziale für Mitarbeitende und Reisende. Er bedauert sehr, dass er und seine Kolleg: innen nicht ausreichend auf solche Situationen vorbereitet wurden. „Zu allen möglichen Themen gibt es Workshops. Nur nicht, wie wir mit Aggressionen und in eskalierenden Momenten umgehen sollten“. Zwar wurden im Bahnhofsmanagement intern ab und zu solche Kurse besprochen, doch im Arbeitsalltag ging das Thema unter. Mustafa sieht hier ganz klar den DB-Konzern in der Pflicht, regelmäßig für solche Angebote zu sorgen. Reagiere der Konzern nicht, werde der Job „Servicepersonal“ unattraktiv.  Mustafa-Can hält viel auf seinen Arbeitgeber. Seine Führungskräfte hätten immer ein offenes Ohr und seien ihnen eine große Unterstützung ist. Hier fühlt er sein engagiertes Auftreten wertgeschätzt, lösungsorientierte Ideen werden gemeinsam entwickelt und umgesetzt. 

Vergiss nie, hier arbeitet ein Mensch
Die DGB-Initiative soll sensibilisieren. Ob bei den Rettungskräften, auf Ämtern oder im Nah- und Fernverkehr: Die Beschäftigten, die jeden Tag für unsere Gesellschaft im Einsatz sind, werden immer häufiger zum Opfer von Beleidigungen, Bedrohungen und tätlichen Angriffen. Deswegen stellt sich der DGB mit seinen Mitgliedsgewerkschaften hinter die Menschen im öffentlichen und privatisierten Sektor und fordern: Schluss mit der Gewalt! Es ist kein neues Thema. Beleidigungen, Drohungen und tätliche Angriffe: Gewalt gegen Beschäftigte im Dienst der Gesellschaft – egal ob bei der Polizei, auf Ämtern, in Krankenhäusern oder den Verkehrsbetrieben – ist inzwischen zum Massenphänomen geworden. Deswegen war es Anfang 2020 für den DGB und seine Mitgliedsgewerkschaften Grund genug, „laut“ zu werden. Mit einer bundesweiten Plakat-Kampagne mit provokanten Sprüchen soll daran erinnert werden, was bei gestressten oder frustrierten Menschen in unserem Land viel zu oft verloren geht: Vergiss nie, hier arbeitet ein Mensch. Das Ziel Ende Juni ist die „zweite Welle“ der Kampagne gestartet. Die Initiative soll einen Bewusstseinswandel anstoßen. Jede/r von uns kann im Ernstfall darunter leiden, wenn wir es in unserer Gesellschaft nicht schaffen, greifbare Verbesserungen - vor allem für die Menschen, die täglich für uns im Einsatz sind – zu erreichen.

Dazu gehört an erster Stelle Respekt. „Wir - und vor allem Frauen – sind dieser Prügel in Form von verbalen oder körperlichen Aggressionen auf Dauer nicht gewachsen“, sagt Mustafa-Can. In seiner Freizeit hat der eloquente Kollege für sich selbst eine Lösung gefunden, seinen während der Schichten angestauten Frust durch Anfeindungen abzubauen. Mustafa-Can geht in ein Fitnessstudio. Hier kann er es mal richtig „krachen lassen“. Für ihn als EVG-Mitglied übernimmt sogar der Fonds soziale Sicherung einen Teil der Beiträge. Damit ist er auf jeden Fall „Sicher unterwegs."