S-Bahn Berlin: EVG befürchtet Nachteile für Beschäftigte und Reisende

Die EVG übt scharfe Kritik am Vorgehen der Berliner Verkehrssenatorin Regine Günther im Hinblick auf die Ausschreibung der S-Bahn Berlin. „Wir können die prognostizierten Einsparungen im dreistelligen Millionenbereich in keiner Weise nachvollziehen und halten die Darstellung für unseriös“, machte Robert Seifert, Vorsitzender der EVG-Betriebsgruppe der S-Bahn deutlich.

„Durch die Aufteilung auf vier verschiedene Lose und damit auf bis zu vier neue Betreiber, befürchtet die EVG vielmehr „deutliche Verschlechterungen für die Fahrgäste bis hin zu völligem Chaos“. Wie eine sichere und stabile Betriebsorganisation aufgrund der zusätzlichen Schnittstellen gewährleistet werden könne, „sei weiterhin unklar, ein entsprechendes Konzept nicht in Sicht“.

Vor allem befürchtet die EVG erhebliche Nachteile für die Beschäftigten. „Die Senatorin will mögliche neue Betreiber nur unzureichend zur Übernahme von Personal verpflichten und äußert sich auch zur Frage der Bedingungen lediglich vage“, kritisierte Robert Seifert. Damit werde bei der S-Bahn Berlin eine Zwei-Klassen-Gesellschaft geschaffen. „Wir sind nicht bereit zu akzeptieren, dass nur einem Teil der Beschäftigten ein neuer Arbeitsplatz angeboten werden soll, wobei dann noch nicht einmal der aktuell für die S-Bahn gültige Tarifvertrag Maßstab sein soll. So kann man mit Menschen, die sich oft jahrelang für die S-Bahn Berlin eingesetzt haben nicht umgehen“, stellte Robert Seifert fest.

In diesem Zusammenhang empört die EVG, dass die Berliner Verkehrssenatorin Regine Günther mit dem nächsten Dienstag zu fassenden Senatsbeschluss zur Ausschreibung offensichtlich ganz bewusst Lohn- und Sozialdumping Vorschub leiste. „Für uns ist nicht die Frage, ob man die Weiterbeschäftigung der Betroffenen rechtlich einrichten könne, wir fragen uns, ob die Senatorin sie überhaupt einrichten will“, so Robert Seifert. Das Vergaberecht lasse die verpflichtende Weiterbeschäftigung schon heute für alle Bereiche zu. „Wenn die Berliner Verkehrssenatorin diese Möglichkeit nicht nutzt und die neuen Betreiber so Personalkosten reduzieren können, liegt die Vermutung nahe, dass ein Teil der prognostizierten Einsparungen auf dem Rücken der Beschäftigten erwirtschaftet werden sollen. Das wäre schäbig und nicht hinnehmbar. Insbesondere wenn dafür auch noch eine Auffanggesellschaft gegründet würden, um mit Steuergeldern die schlechtere Bezahlung der Beschäftigten zu subventionieren“, so der Vorsitzende der EVG-Betriebsgruppe der S-Bahn.

Hier müsse die Senatorin die rechtlichen Möglichkeiten deutlich mehr im Sinne der derzeit bei der S-Bahn Beschäftigten ausschöpfen. „Die jetzige Absichtserklärung reicht bei weitem nicht aus“, stellte Robert Seifert fest. „Wir fordern, alle Beschäftigten durch verpflichtenden Personalübergang für den Fall des Betreiberwechsels abzusichern, so dass bestehenden Arbeits- und Sozialbedingungen weitergelten. Nur so kann gewährleistet werden, dass der Wettbewerb nicht auf Kosten unserer Kolleginnen und Kollegen stattfindet“, machte Robert Seifert deutlich. Eine solche Vorgehensweise würde dem Personalmangel entgegenwirken und das Funktionieren des Systems ein Stück weit sichern.

Aus Sicht der EVG gebe es zudem zahlreiche weitere offene Punkte. So seien beispielsweise auch Finanzierungsfragen, wie die der geplanten neuen Werkstätten, noch gar nicht geklärt. „Da sitzt auch das Land Brandenburg mit im Boot, über dessen Köpfe Berlin doch nicht einfach hinweg entscheiden kann“, stellte der Vorsitzende der EVG-Betriebsgruppe der S-Bahn fest. Auch was mit Bereichen, wie beispielsweise dem Kundendialog, der Fahrgastinformation oder der Leitstelle, geschieht, die nicht dem Betrieb oder der Instandhaltung zuzuordnen wären, sei weiterhin vollkommen offen.

Die EVG fordert den Berliner Senat deshalb auf, keine Entscheidungen gegen die Beschäftigten zu treffen und die Ausschreibungsdetails mit der neuen Brandenburger Landesregierung abzustimmen. Nach dem neuen Brandenburger Koalitionsvertrag sei bei Vergaben von Verkehrsdienstleitungen für den Fall eines Betreiberwechsels verpflichtend eine Personalübernahme zu prüfen. „Das ist der erste Anwendungsfall, der durch eine offensichtlich unabgestimmte Vorgehensweise gleich torpediert wird“, kritisierte Robert Seifert.

„Dass, was jetzt entschieden wird, hat bis zu 30 Jahre Gültigkeit. Uns als EVG ist wichtig, dass die Voraussetzungen geschaffen werden, in dieser Zeit einen reibungslosen S-Bahn-Betrieb in Berlin und Brandenburg zu gewährleisten. Vor allem aber wollen wir die Arbeitsplätze aller Beschäftigten abgesichert wissen. Bei beiden Punkten sehen wir noch große Fragezeichen“, so der Vorsitzende der EVG-Betriebsgruppe der S-Bahn.