Licht ins Dunkel bringen - Persönliche Überlegungen eines Mitglieds der Verhandlungskommission

Am vergangenen Donnerstag schauten viele Mitglieder der EVG gespannt nach Berlin. Auf die Verhandlungen zwischen der EVG und der DB AG. Auf das groß angekündigte „Entweder ... - oder…“. Wenn die Verhandlungen scheitern, ist ein Arbeitskampf unausweichlich”, das war der Tenor. Als dann am Freitagmorgen die Meldung kam, dass die Verhandlungen auf den nächsten Mittwoch vertagt werden, waren viele Mitglieder möglicherweise enttäuscht. "Verarsche”, “Wortbruch”, waren da nur einige der vielen Worte, die fielen.

 

Am vergangenen Donnerstag schauten viele Mitglieder der EVG gespannt nach Berlin. Auf die Verhandlungen zwischen der EVG und der DB AG. Auf das groß angekündigte „Entweder ... - oder…“. Wenn die Verhandlungen scheitern, ist ein Arbeitskampf unausweichlich”, das war der Tenor.

Als dann am Freitagmorgen die Meldung kam, dass die Verhandlungen auf den nächsten Mittwoch vertagt werden, waren viele Mitglieder möglicherweise enttäuscht. "Verarsche”, “Wortbruch”, waren da nur einige der vielen Worte, die fielen.

War es das? Hatte die EVG ihre Mitglieder verraten? Unser Kollege Ingmar, der als Mitglied der Tarifkommission an den Verhandlungen selbst teilgenommen hat, versuchte Licht ins Dunkel zu bringen. Er informierte seine Betriebsgruppe in einem persönlichen Schreiben.

Seine Überlegungen und Eindrücke, warum Tarif- und Verhandlungskommission letztlich einer Unterbrechung zugestimmt haben, wollen wir Euch nicht vorenthalten. Ingmar ist mit dem Abdruck einverstanden:

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

nachdem wir gestern bis in den späten Nachmittag hinein die noch offenen strukturellen Sachstände beidseitig klären konnten, ging es anschließend dann um das monetäre - um die Kernforderung.

Wie das so bei Verhandlungen üblich ist, muss man meist mehrere Runden drehen, um ans Ziel zu gelangen. Natürlich spielen da mehrere Faktoren, wie Geiz, Kalkül, Betroffenheit erzeugen, Durchsetzungsstärke und vielleicht sogar auch Show dort mit rein. So auch bei unseren Verhandlungen…

Jeder, der glaubt, man bekomme auf Anhieb seine Forderungen auf dem Tablett serviert, möge seine rosarote Brille absetzen und sich den Feenstaub aus den Augen reiben!

Das erste Angebot war…naja, lassen wird das lieber. Die DB AG musste halt etwas anbieten. Mehr kann man das nicht nennen. Genau DAS wurde dem Arbeitgeber nach Beratung und Beschluss mit der Tarifkommission auch so zurückgemeldet!

Im Übrigen war unsere gesamte Tarifkommission zu den Verhandlungen nach Berlin eingeladen. Damit wir jederzeit eine Abstimmung und Rückmeldung von ihnen einholen können. Denn das ist der Entscheiderkreis, der letzten Endes sagt: Zustimmung oder Ablehnung. Aber allein daran, dass die vielen Kolleginnen und Kollegen während der gesamten Verhandlungszeit 2 Etagen über uns saßen, zeigt, wie wichtig und ernsthaft der EVG ein möglicher Abschluss ist!

Aber zurück zu den Verhandlungen. Nach einer mehr als einstündigen Beratungspause durch den Arbeitgeber, wurde uns dann ein neues, verbessertes Angebot vorgelegt und siehe da, der Arbeitgeber hat verstanden, dass wir kein unterschiedliches Laufzeitende für alle Bereiche, sowie eine einheitliche prozentuale Erhöhung, sowie einen einheitlichen Mindestbetrag wollen.

Das war ein deutlicher Schritt in Richtung unserer Forderungen, denn endlich hatten wir etwas angeboten bekommen, was KEINE Spaltung der Kolleginnen und Kollegen enthalten würde. Allerdings war der monetäre und prozentuale Bereich noch deutlich dem unserer Forderungen.

Also, damit zur Tarifkommission, diskutieren, beraten, abstimmen und das Ergebnis der Gegenseite mitteilen.

Nun kam eine längere Pause. Man hatte den Eindruck: Da kommt Bewegung rein und somit war man verhalten optimistisch, als es nach 1 Uhr war. Was dann aber nach einer sehr langen Beratungspause uns von der Gegenseite abgeliefert wurde, war…marginal.

Nun standen wir an einer echt schweren Entscheidung. Und die war wirklich schwer, das könnt ihr mir glauben. Was tun?

Einerseits ging an die Mitglieder ein klares Signal, dass dies hier die finalen Verhandlungen sind und entweder gehen wir hier mit einem positiven Ergebnis raus oder “es kracht”. Der Erwartungsdruck und das Nervenkostüm aufgrund der letzten Tage und Wochen ist sehr angespannt bei vielen von Euch. Das habe ich auch intern angesprochen und zur Diskussion gestellt.

Was tun, wenn wir es krachen lassen? Die Pfingsten stehen vor der Tür, man braucht etwas an Vorbereitung zum Streik. Also wird das vor Anfang/Mitte nächster Woche nichts. Und: Wir laufen damit Gefahr, dass ALLE bisher positiv verhandelten Themen & Forderungen, sowie den monetären Sachstand auf NULL zurück gesetzt werden (können)!

Als wir mitten in den Diskussionen waren, bat die Gegenseite um ein kurzes Gespräch innerhalb der Vorsitzenden.

Es dauerte keine 5 Minuten als uns mitgeteilt wurde, dass die Bahn ihrerseits die Verhandlungen unterbricht und uns eingehend um eine Vertagung auf nächste Woche bittet!


Wir haben diese Situation dann auch in unserer Tarifkommission diskutiert und sind zu dem Ergebnis gekommen, dass wir dem Arbeitgeber diesen letzten Termin gewähren.

Jetzt höre ich viele lauthals schreien:

Verarsche, Wortbruch usw…
Ich möchte Euch folgenden Sachstand und auch die Gründe, warum wir uns dafür entschieden haben ihm die Frist zu gewähren, gern näher bringen:
1.) Ja, es wurde gesagt, es sind finale Verhandlungen. Aber wir sind an einem Punkt angelangt, wo die Gegenseite nicht mehr geben konnte - nicht wollte. Weber’s Verhandlungsmandat war ausgereizt! Er muss sich erst neues, grünes Licht für weitere Optionen einholen.

2.) Was erreichen wir mit einem Streik? Die Kunden und Pendler sind froh, dass langsam wieder die Normalität Einzug erhält. Züge beginnen wieder planmäßig zu rollen. Das bedeutet NICHT, das wir nicht auch streiken werden, aber die Frage muss man sich stellen: Alles auf Null setzen, obwohl es vielleicht nächste Woche zu einer Einigung kommen könnte? Denn Weber bittet nicht um einen weiteren Termin, wenn er keine Optionen nach oben sieht, die er uns dann präsentieren kann.

3.) Wir haben gesagt, dass wir zum 01.06. einen Abschluss haben wollen! Dazu stehe ich!!!

Leute, glaubt mir bitte, wenn ich euch sage, dass ich mit dieser Entscheidung Bauchschmerzen habe. Dennoch sind wir in einer Demokratie und deshalb trage ich die Entscheidung der Tarifkommission auch mit.

Wir haben nicht ohne Grund bis heute früh halb 5 zusammen gehockt und uns Gedanken dazu gemacht. Allerdings haben wir so viele Punkte unserer 16 Punkte bereits sicher! Das hätte ich nie gedacht. Aber da wir nicht meilenweit von unseren Forderungen mehr entfernt sind, denke ich, es ist es wert, wenn man eine letzte Chance gewährt.

Die Frage, ob es vor diesem Hintergrund falsch war, dem Arbeitgeber noch eine Chance zu geben, um auch die letzten Forderungen der EVG noch zu erfüllen, muss jeder für sich beantworten.

Ziel einer Tarifverhandlung ist es, am Ende einen Tarifvertrag zu haben. Ein Tarifvertrag, der die Mitglieder überzeugt. Die Uhr ist nur angehalten, der Countdown läuft am Mittwoch weiter. Wir wollen einen Tarifabschluss zum 1.6.2015 - und werden die noch verbleibende Zeit entsprechend nutzen.