Jubilar-Ehrung des Ortsverbandes Südpfalz: „Neue Bundesregierung muss der Schiene eine Schlüsselrolle geben“

Die Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft hofft auf eine schnelle Regierungsbildung in Deutschland - und fordert von der künftigen Regierung klare verkehrspolitische Weichenstellungen.

„Die neue Regierung, wie immer sie farblich aussehen mag, muss endlich die ökologische Verkehrswende anpacken“, sagte der Leiter der EVG-Geschäftsstelle Karlsruhe, Walter Greiner.

„Bisher hat die Schiene die schönen Worte bekommen und die Straße das Geld. So kann es nicht weitergehen. In der Verkehrspolitik der Zukunft muss die Schiene als der ökologisch sinnvollste Verkehrsträger eine Schlüsselrolle spielen“, so Greiner auf der Jubilarehrung seiner Gewerkschaft in Lustadt.

Verkehrspolitische Themen hätten im zurückliegenden Bundestagswahlkampf immerhin eine Rolle gespielt, bilanzierte der Gewerkschafter. „Es kann aber nicht nur um Fahrverbote gehen. Politik muss auch positiv gestalten.“ So sei es jetzt unter anderem erforderlich, überzeugende, umweltfreundliche Alternativen zum motorisierten Individualverkehr zu entwickeln. „Erst wenn der öffentliche Nahverkehr so attraktiv ausgestaltet ist, dass Pendeln keine Last ist, werden mehr Menschen als heute vom Auto in den öffentlichen Personennahverkehr umsteigen.“ Das entlaste die Städte und sorge so für mehr Lebensqualität.

Aber auch im Güterverkehr habe die Schiene noch große Potenziale. „Deutschland ist ein Transitland, die Güterverkehrsströme nehmen zu.  Wenn die Bundesrepublik ihre Klimaschutzziele erreichen will, muss sie insbesondere Güterverkehrsleitungen auf die Schiene lenken.“ Es sei erfreulich, dass die Große Koalition in ihrem letzten Jahr noch einen Masterplan Schienen-Güterverkehr vorgelegt hat. „Der darf jetzt aber nicht in der Schublade verschwinden, sondern muss nun umgesetzt werden.“ Der Masterplan sieht unter anderem vor, dass die Trassenpreise für Güterzüge halbiert werden. „Mit der Halbierung der Trassenpreise werden die Wettbewerbsbedingungen der Schiene deutlich verbessert und das sichert auch die Arbeitsplätze im Schienen-Güterverkehr.“ Die Einnahmeausfälle bei den Betreibern der Infrastruktur müsse der Bund übernehmen. „Dies muss im Bundeshaushalt 2018 stehen. Die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer verlassen sich darauf.“

Die Entlastung bei den Infrastrukturkosten müsse aber auch für den Personenverkehr kommen, so Walter Greiner weiter. „Denn auch hier wird ausgerechnet die Schiene mit Kosten belastet, die andere Verkehrsträger nicht haben. Diese Ungleichbehandlung muss beendet werden.“

Ein  weiteres Problem, das die neue Bundesregierung dringend anpacken müsse, sei die Sicherung der Altersversorgung, so der EVG-Geschäftsstellenleiter. „Wenn jetzt nicht ein Kurswechsel eingeleitet wird, droht auf breiter Front Altersarmut.“ Rente müsse aber auch in Zukunft zum Leben reichen – „und zwar für ein gutes Leben. Da darf für Rentnerinnen und Rentner nicht nur Balkonien möglich sein, es muss auch mal eine Woche Mallorca drin sein.“ Greiner kritisierte, dass die Politik weiter mit einem Sinken des Rentenniveaus kalkuliere. „Dieser Sinkflug muss gestoppt werden.“ Die Gewerkschaften fordern eine mittelfristige Anhebung des Rentenniveaus auf 50 Prozent. Dafür gebe es ein solide durchgerechnetes Konzept des DGB.

Walter Greiner sparte im Rahmen seiner Festrede auch ein Thema nicht aus, das seine Gewerkschaft seit langem umtreibt: die Sicherheit in Zügen, Bussen und Bahnhöfen. „Was uns betroffen macht, ist, dass die Zahl der Übergriffe auf Beschäftigte und Kunden hoch ist und bleibt und sogar noch weiter ansteigt.“ Allein die gemeldeten Übergriffe bei der Deutschen Bahn hätten sich im Laufe der letzten vier Jahre verdoppelt. „Im Schnitt siebenmal am Tag wird irgendwo in Deutschland eine Kollegin oder ein Kollege angegriffen. Und das sind nur die gemeldeten Übergriffe – wir gehen von einer hohen Dunkelziffer aus. Viele Beschäftigte melden solche Übergriffe gar nicht mehr, weil sie das Vertrauen darin verloren haben, dass man ihnen hilft oder dass sich generell an der Situation etwas verbessert.“ Die EVG wolle das aber nicht einfach hinnehmen. „Wir fordern die Deutsche Bahn auf, die Investitionen in die Sicherheit massiv zu erhöhen und das heißt vor allem: mehr Personal.“ Überwachungskameras seien ein Mittel, um gewalttätige Vorfälle aufzuklären. „Aber im Endeffekt sorgen nur Menschen für mehr Sicherheit.“

Darüber hinaus hat die Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft selbst ein Hilfs- und Unterstützungsangebot entwickelt: das Helfertelefon „Ruf Robin“. „Wer tätlich angegriffen worden ist, kann sich hier melden – rund um die Uhr, an 365 Tagen im Jahr“, erläuterte Greiner. „Sie oder er bekommt dann eine juristische Erstberatung und weitere Informationen über die Unterstützungs-leistungen, die wir selbst oder unsere Partner anbieten können.“ Das reiche von Rechtsschutz bis hin zur Vermittlung von psychosozialer Betreuung. „Dieses Angebot macht so nur die EVG. Wir können das bieten, weil nur wir über ein so breitgefächertes Netzwerk an Sozialpartnern verfügen.“

Natürlich fehlte auch der Blick auf aktuelle Entwicklungen bei der Deutschen Bahn nicht. „Die Sperrung der Rheintalstrecke war eine große Herausforderung. Sie ist nur bewältigt worden, weil Eisenbahnerinnen und Eisenbahner außerordentliches geleistet haben. Gleiches gelte für die Auswirkungen des Sturmtiefs Xavier. Auch hier hätten die Kolleginnen und Kollegen aller Eisenbahnverkehrsunternehmen mit hohem persönlichem Engagement dazu beigetragen, die Reisenden nicht ihrem Schicksal zu überlassen. „Dazu sagen wir ein ganz dickes Danke“, so Greiner.

Der EVG-Gewerkschafter erinnerte aber auch an die Erfolge der EVG. So habe die Eisenbahn- und vor bald einem Jahr mit der DB AG einen innovativen und vielbeachteten Tarifabschluss erzielt: erstmals haben Beschäftigte die Wahl, ob sie einen Teil der Tariferhöhung im Januar 2018 in Form von Geld oder in Form von mehr Freizeit haben wollen – als zusätzlicher Urlaub oder als Arbeitszeitverkürzung.“ Jetzt geht es an die Umsetzung dieses EVG-Wahlmodells. „Dass sich mehr als die Hälfte der Beschäftigten für die sechs zusätzlichen Urlaubstage entschieden hat, spricht Bände. Das zeigt, wie hoch die Belastungen der Beschäftigten sind.“ Wer sich für mehr Urlaub entschieden habe, müsse diesen aber auch nehmen können – „und das geht nur mit mehr Personal. Und das wissen die Arbeitgeber auch.“ Konzernweit müssten mindestens 3.000 zusätzliche Beschäftigte eingestellt werden. „Wir werden gemeinsam mit unseren Betriebsräten sehr genau darauf achten, dass ausreichend Personal nachgesteuert wird. Dass die Beschäftigten ihren tarifvertraglich garantierten Urlaub durch zusätzliche Belastungen an anderer Stelle selbst bezahlen, werden wir nicht zulassen.“

Gleichzeitig setze die EVG ihr Wahlmodell derzeit in der gesamten Branche um. In den Verhandlungen zu einem wegweisenden Branchentarifvertrag SPNV+ würden derzeit Verhandlungen mit den Eisenbahnverkehrsunternehmen im Schienenpersonennahverkehr geführt, um das EVG-Wahlmodell auch hier in den Tarifverträgen zu verankern.

Im Rahmen der Feierstunde ehrten Walter Greiner und der Vorsitzende des Ortsverbandes, Rolf Hellmann 63 langjährige Mitglieder des Ortsverbandes. Darunter 5 Jubilare für 70 Jahre Gewerkschaftszugehörigkeit, 22 Mitglieder, die schon 60 Jahre der Gewerkschaft angehören, weitere 6, die 50 Jahre dabei sind, außerdem 14, die 40 Jahre das Mitgliedsbuch tragen und 16, die 25 Jahre gewerkschaftlich organisiert sind. Das sind exakt 2.930  Jahre gelebte Solidarität.