Bodycam gegen Aggressionen: Zugbegleiter zwischen Service und Selbstschutz

Der ICE nach Nürnberg blockiert noch immer Gleis 7. Der RE 54 nach Schweinfurt, planmäßig um 11:30 Uhr ab Frankfurt, kann nicht einfahren. Zugbegleiter André Riesner wartet am Bahnsteig, beantwortet Fragen von Reisenden, die in alle Richtungen wollen - nur nicht nach Schweinfurt. Eigentlich nicht seine Aufgabe, doch Informationen fehlen.

Mit deutlicher Verspätung rollt der Regionalexpress schließlich ein - auf einem anderen Gleis als angekündigt. „Diese Unzulänglichkeiten machen Fahrgäste wütend. Und wir bekommen den Ärger ab“, sagt Riesner. Seit einigen Wochen trägt er deshalb eine Bodycam - bisher ohne sie einschalten zu müssen.

„Zweimal war sie hilfreich“, erzählt der 45-Jährige. Etwa, als ein Schwarzfahrer sich auf der Zugtoilette einschloss und aggressiv wurde. Der Hinweis, die Kamera einzuschalten, genügte zur Deeskalation. Studien in Nordrhein-Westfalen hatten bereits gezeigt, dass die bloße Präsenz der Geräte Konflikte entschärfen kann.

Die Kamera läuft im Stand-by-Modus: Droht Gefahr, wird sie aktiviert, filmt automatisch auch die vorangegangenen 90 Sekunden und dokumentiert so den gesamten Vorfall. Fahrgäste müssen vor einer Aufnahme informiert werden, anschließend erhalten sie Hinweise auf ihre Rechte.

Nicht alle Kolleginnen und Kollegen sind überzeugt. „Viele wollen nicht noch mehr mit sich herumschleppen“, sagt Riesner, der neben Ticketdrucker und Tasche nun auch die Kamera trägt. Außerdem nimmt sie keinen Ton auf – Beleidigungen bleiben damit undokumentiert. Dennoch bestätigt er: „Der Ton ist rauer geworden. Aggressives Verhalten tritt häufiger auf, selbst bei Fahrgästen, bei denen man es nicht erwarten würde.“

Die Aufnahmen werden 72 Stunden gespeichert und automatisch an die Bundespolizei übertragen, wenn die Kamera in der Dienststelle eingesteckt wird. Nur wenn in dieser Zeit Anzeige erstattet wird, greift die Polizei ein, andernfalls werden die Daten gelöscht.

Auch sein Kollege Daniel Frohna testet die Technik. Er gehört zu 70 Zugbegleitern im Raum Nürnberg, die an einem Pilotprojekt teilnehmen. Auch im Fernverkehr sollen die kleinen Videokameras künftig zum Einsatz kommen, wenn die Erprobungsphase positiv verläuft. Besonders bei Fußballspielen oder Volksfesten hofft er auf deeskalierende Wirkung. „Die Teilnahme ist freiwillig. Jeder darf, keiner muss“, betont er.

Im Fernverkehr soll die Bodycam vor allem nachts eingesetzt werden – dort, wo es immer wieder „kritische Züge“ gibt. Vorab absolvieren die Mitarbeitenden eine Schulung zu Technik und Rechtslage.

„Wichtig war uns als Betriebsrat, dass der Arbeitgeber die Realität anerkennt und mit technischen Hilfsmitteln versucht, der zunehmenden Aggressivität zu begegnen“, sagt Frohna.

Die ausführliche Reportage könnt ihr in der kommenden Ausgabe der imtakt lesen.