„Uns geht es in erster Linie um den Personalübergang bei Ausschreibungen.“
Auf den Sattel und in die Pedale. Auch in diesem Jahr geht der EVG-Vorsitzende Martin Burkert auf Sommertour. Nach dem Motto „Kolleg:innen besuchen Kolleg:innen“. Auf dem Plan stehen diesmal 12 Betriebe in drei Tagen - die Wege zwischen ihnen legen wir wieder mit dem Fahrrad und dem Zug zurück.
Und wo ginge das Radfahren zwischen den Betrieben besser als in Freiburg. Dort starten wir am Mittwochmorgen am Hauptbahnhof und steuern als erste Station die Werkstatt von DB Regio Südbaden an. Rund 50 Beschäftigte arbeiten hier in der betriebsnahen Instandhaltung für Züge, die im Großraum Karlsruhe-Bodensee-Schwarzwald unterwegs sind. Eine der Hauptaufgaben ist der Austausch von Bremszangen. Im Schnitt stehen die Züge zwei Tage dafür in der Werkstatt.
So könnte es weitergehen – doch Unsicherheit wird in den Betrieb vor allem durch die Ausschreibungspolitik des Landes getragen. Der Trend in Baden-Württemberg geht dazu, Betrieb und Instandhaltung getrennt auszuschreiben. DB Regio würde somit langfristig zu einem Dienstleister der Zughersteller, sofern diese Teilleistungen wiederum weitervergeben.
Ein Thema, das die EVG bereits auch im Gespräch mit dem baden-württembergischen Verkehrsminister Winfried Hermann besprochen hat. „Uns geht es natürlich in erster Linie um den Personalübergang bei Ausschreibungen“, sagt Martin Burkert. „Wir konnten da auch einiges erreichen.“
Dauerärgernis: Wo werden im DB Konzern welche Entscheidungen getroffen? „Die Führungsspanne im Konzern hat sich verzehnfacht“, sagt Martin Burkert. „Es müssen wieder mehr Entscheidungen vor Ort getroffen werden. Ihr kennt Land und Leute am besten. Ihr vor Ort verdient das Geld, dann müsst ihr auch mehr Entscheidungen treffen können.“
Der Betriebsrats-Vorsitzende Bernd Gugel zeigt sich nach dem Besuch hochzufrieden. „Es ist wichtig, dass die EVG vor Ort Gesicht zeigt und das Martin Burkert sich die Zeit nimmt, um vor Ort mit den Leuten zu sprechen.“
Betriebszentrale mit Aussicht: Freiburg-Wiehre heißt unsere nächste Station. Am Rand von Freiburg, schon halb im Grünen, steuern vier Fahrdienstleiter den Verkehr im ehemaligen Regionalnetz Südbaden. Die Arbeitszeiten liegen zwischen 4 und 1 Uhr morgens. „Wir lassen morgens den ersten Zug auf die Strecke und abends den letzten“, sagt ein Kollege. Das kleine feine Gebäude, das mit gemalten Landschafts- und Stadtansichten verziert ist, liegt unmittelbar an der Bahnstrecke und anders als in andere BZen sehen die Kolleg:innen die Züge, die sie steuern.
Man könnte also gut arbeiten hier - wenn nicht PRISMA wäre. So heißt das neue Zugdispositionssystem, das vor kurzem eingeführt wurde. Offenbar kämpfen die Fahrdienstleiter:innen seitdem mit zahlreichen Kinderkrankheiten des Systems - und das, nachdem die Einführung jahrelang mehrfach verschoben wurde. Ein Thema, das die EVG in anderen Runden ansprechen wird.
Szenenwechsel: Auf dem Werkstattgelände der Südbadenbus GmbH (SBG) stehen die roten Busse aufgereiht nebeneinander. Was für den Besucher wie ein normales Bild aussieht, werten die Kollegen hier eher als Alarmsignal. Denn tatsächlich sind all diese Busse ausgemustert. In der Werkstatt werden kleinere Schäden, wie z.B. an der Karosserie, an Bremsen und Reifen ausgebessert. Und die häufen sich, denn viele der Busse haben mittlerweile 1 Million Kilometer und mehr auf dem Tacho. Eine weitere Herausforderung neben dem Alter der Fahrzeuge ist die enorme Typenvielfalt, wie wir im Gespräch mit dem Betriebsrat erfahren. Tatsächlich identifizieren wir Busse sieben verschiedener Hersteller. Und nicht für alle sind noch die notwendigen Ersatzteile zu bekommen.
Es ist die Kehrseite einer eigentlich positiven Tendenz: SBG beteiligt sich nicht am Ausschreibungswettbewerb, sondern erstellt - nach Vorgaben der Landkreise und auf Basis des Nahverkehrsplans des Bundeslandes - seine Fahrpläne eigenständig und arbeitet somit eigenwirtschaftlich. „Wir sind damit akzeptabel in der Gewinnzone unterwegs“, sagt Werkstattleiterin Celina Licht. „Das bedeutet auch, dass wir mit unseren Dienstplänen relativ sozialverträglich sind.“ Heißt konkret: keine geteilten Dienste, keine Nachtschichten für Fahrer:innen über 60.
Die letzte Station des Tages führt uns an den Anfang zurück. Neben dem Freiburger Hauptbahnhof ist die DB InfraGO Fahrweg untergebracht. Hier treffen wir auf eine Kollegin, die Martin sofort auf die Ergebnisse der Tarifrunde 2023 anspricht, insbesondere auf die Strukturanpassungen in den Funktionsgruppen. „Ich wollte austreten deswegen, bin aber in der EVG geblieben, weil ich lieber den Mund aufmache als zu schmollen.“ Sie finde es, sagt sie an Martin gerichtet, „besonders gut, dass du herkommst und dich diesen Diskussionen stellst.“
Im Bereich des Wahlbetriebes arbeiten rund 360 Kolleg:innen, verteilt über fast ganz Baden-Württemberg. Top-Thema hier immer noch: die Neuaufstellung als DB InfraGO. „Das ist nicht einfach eine Namensänderung, sondern bringt viele strukturelle Anpassungen mit sich“, sagt der BR- und BG-Vorsitzende Daniel Bruskowski. „Unser Anspruch als Betriebsrat ist es, diese Veränderungen eng zu begleiten und mitzugestalten, damit die Interessen der Kolleginnen und Kollegen nicht unter die Räder kommen.“ Dem Betriebsrat „war wichtig, die Kolleginnen und Kollegen immer direkt einzubinden und zu informieren. In einem Flächenbetrieb wie unserem keine leichte Aufgabe, denn man kann nicht überall gleichzeitig sein. Bei Fahrzeiten von über 3 Stunden in die äußersten Ausdehnungen des Netzes Freiburg in eine Richtung mussten wir uns was einfallen lassen.“ Die Lösung: 16 Teilbetriebsversammlungen und eine große Betriebsversammlung, „bei denen wir transparent über Entwicklungen gesprochen und Feedback aufgenommen haben.“
Ein weiteres schwieriges Thema seien geplante Stellenstreichungen oder Einsparziele. „Hier müssen wir klar Position beziehen“, sagt Daniel Bruskowski. „Wir wissen, dass der Kostendruck groß ist, aber Einsparungen dürfen nicht auf dem Rücken der Beschäftigten ausgetragen werden. Infrastruktur braucht Menschen, die sie betreiben und instandhalten - das darf nicht kaputtgespart werden.“
Der Tag geht mit einem zünftigen Flammkuchenessen zu Ende, zu dem sich auch Senior:innen aus der Region eingefunden haben. Fazit: viele interessante Begegnungen und Vorfreude auf den nächsten Tag. In Karlsruhe geht es weiter.