Interview zum Internationalen Tag zur Beseitigung von Gewalt gegen Frauen

Seit über 40 Jahren wird jährlich am 25. November der Internationale Tag zur Beseitigung von Gewalt gegen Frauen abgehalten. Dieser Aktionstag soll dazu dienen, Diskriminierung und Gewalt gegen Frauen und Mädchen in jeglicher Form zu bekämpfen.

Die DGB Frauen planen in diesem Jahr Aktionswochen zum Thema. In der Zeit vom 14.11. - 25.11.2022 sollen die Forderungen sichtbar gemacht werden. Jede:r kann sich dieser Mitmachaktion anschließen. Teilt Bilder in den sozialen Medien und fordert eure Wahlkreisabgeordnete:n zur Ratifizierung der ILO Konvention 190 auf!

Wir haben anlässlich des 25.11. mit Britta Schlichting von der Zentralen Informationsstelle Autonomer Frauenhäuser (ZIF) gesprochen:

Frau Schlichting, mittlerweile ist ein Jahr vergangen, seit sie bei der EVG zum Thema Gewalt gegen Frauen und spezifisch von der Arbeit der Frauenhäuser sowie  der Zentralen Informationsstelle Autonomer Frauenhäuser (ZIF) berichtet haben. 

Wurden seitdem echte Verbesserungen in Deutschland auf den Weg gebracht, beispielsweise zur Finanzierung der Frauenhäuser?

Britta Schlichting: Im letzten Jahr ist bezüglich der Umsetzung der Istanbul Konvention in Deutschland von Seiten der Ministerien nicht viel passiert. So gibt es nach wie vor keine Koordinierungsstelle nach Artikel 10 der Istanbul-Konvention. Diese Stelle sollte z.B. Aktionsplänen unter Einbezug aller politischen Ebenen des föderalen Systems entwickeln, sodass für alle betroffenen Ministerien überprüfbare Ziele, konkrete Zeitpläne und eine Verbindlichkeit zur Einhaltung der politischen Maßnahmen zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen vorliegen.

Bezüglich der Finanzierung der Frauenhäuser ist im November dieses Jahres ein weiterer Runder Tisch aus Bund, Ländern und Kommunen geplant. Wir beobachten gespannt, ob der politische Wille, die Finanzierung der Frauenhäuser bundesweit endlich auf eine andere Grundlage zu stellen, groß genug sein wird. Der Deutsche Verein hat eine „Empfehlung zur Absicherung des Hilfesystems für von geschlechtsspezifischer Gewalt betroffene Mädchen, Frauen und ihre Kinder“ herausgegeben, an der wir mitgearbeitet haben. Wir hoffen, dass die Erkenntnisse darin Einzug in die Beratungen des Runden Tisches finden. 

Eine weitere Baustelle ist u.a. die Regelungen des Sorge- und Umgangsrechts in Fällen Häuslicher Gewalt. Wir rechnen im nächsten Jahr mit einem Referent:innenentwurf zur Reform des Familienrechts und hoffen, dass die Vorgaben der Istanbul-Konvention darin Berücksichtigung finden. Auch hier hat der Deutsche Verein in Zusammenarbeit mit vielen Fachorganisationen in diesem Jahr eine sehr gute Empfehlung erarbeitet.

„Wir wissen, dass (sexualisierte) Gewalt gegen Frauen immer auch eine Kriegswaffe ist, die vom Gegner eingesetzt wird.“

Britta Schlichting, Zentrale Informationsstelle Autonomer Frauenhäuser (ZIF)

Was hat sich denn, auch durch den Krieg in der Ukraine, beim Thema Gewalt gegen Frauen verändert? Welche negativen Entwicklungen gibt es?

Britta Schlichting: Der Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine hat erneut zweierlei deutlich gemacht: Flucht aus einem Kriegsgebiet bedeutet für Frauen und ihre Kinder immer eine Gefahr, da sie in diesem Moment besonders vulnerabel sind und in besonders hohem Maße Gewalt ausgesetzt sind. Bereits Ende März 2022 haben wir zusammen mit anderen Frauenrechtsorganisationen in Deutschland dazu Infomaterial in ukrainischer und russischer Sprache für gewaltbetroffene Frauen veröffentlicht. 

Daneben wissen wir, dass (sexualisierte) Gewalt gegen Frauen immer auch eine Kriegswaffe ist, die vom Gegner eingesetzt wird. Daneben nimmt auch die Häusliche Gewalt in der eigenen Bevölkerung zu. Über das europaweite Bündnis WAVE (Women against Violence Europe – dt. Frauen gegen Gewalt Europa) sind wir mit unseren Kolleginnen aus der Ukraine und ihre Arbeit unter schwierigsten Bedingungen im Austausch.  

Was wünschen sie sich zum Int. Tag zur Beseitigung von Gewalt gegen Frauen von der Politik? Was muss aus Sicht der ZIF zeitnah passieren?

Britta Schlichting: Am 25.11., dem internationalen Tag gegen Gewalt an Frauen, wird das Thema wieder prominent die Zeitungen und Kommentarspalten füllen und Politiker:innen werden die Wichtigkeit des Themas hervorheben. Wir wünschen uns von der Politik jedoch, dass die Vorgaben der Istanbul- Konvention endlich umgesetzt werden und nachhaltige Lösungen entwickelt werden. Der GREVIO Bericht vom Oktober 2022 zum Umsetzungsstand der Istanbul- Konvention in Deutschland gibt genau vor, was jetzt dringend zu tun ist. 

Mehr Infos zur ZIF:  https://autonome-frauenhaeuser-zif.de/

Spenden an die ZIF:

  • Förderverein Frauen helfen Frauen e.V. Heidelberg (Kontoinhaberin)
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  • Verwendungszweck: ZIF Autonome Frauenhäuser