DGB-Konferenz: „Wir müssen Stopp sagen!“

Die Zahlen sind erschreckend: 42 Prozent der Bevölkerung haben bereits körperliche oder verbale Gewalt gegen Beschäftigte miterlebt, die Dienst für die Gesellschaft leisten. Im öffentlichen Dienst berichten gar 64 Prozent der befragten Beschäftigten - von Beleidigungen, Bedrohungen bis hin zu körperlichen Angriffen.

Das hat eine repräsentative Umfrage im Auftrag des DGB ergeben. Seit drei Jahren kämpft der DGB gegen diese Tendenz an, mit seiner Kampagne „Vergiss nicht, hier arbeitet ein Mensch“. Auf einer Konferenz in Berlin wurde nun Zwischenbilanz gezogen.

Bisweilen entdecken auch die Medien das Thema. Am Morgen veröffentlichen Zeitungen bundesweit einen ausführlichen Artikel zum Thema, in dem auch unsere EVG-Kollegin Sandra Klingbeil zu Wort kommt, Kundenbetreuerin bei DB Regio. „Die Zündschnur der Fahrgäste ist kürzer geworden“, wird Sandra zitiert, und: „Ich fühle mich wie der Fußabtreter für die Probleme der Leute.“ Erfahrungen, die leider auch Beschäftigte von Ordnungsämtern, Job-Centern und Krankenhäuser machen; Feuerwehrleute und Sanitäter:innen. Am Nachmittag sitzt Sandra auf dem Podium des DGB und antwortet auf die Frage der Moderatorin, was es jetzt brauche, um für mehr Sicherheit für Beschäftigte im Dienst der Gesellschaft zu sorgen. Sie antwortet sehr klar und selbstbewusst: „Wir brauchen uns selbst, wir müssen unsere Komfortzone selbst definieren. Wir müssen Grenzen ziehen, Stopp sagen.“ Sandra unterstützt klar die Aufforderung der EVG, jeden Vorfall, jeden Übergriff zu melden, auch jede Beleidigung. „Nur so bekommt die Gewalt ein Gesicht."

„Die Zündschnur der Fahrgäste ist kürzer geworden.“

Sandra Klingbeil, Kundenbetreuerin bei DB Regio

Zuvor hatte Fachsekretärin Mira Christiansen die Positionen und Forderungen der EVG dargelegt. So sollten Schwerpunkt-Staatsanwaltschaften gebildet werden, damit Übergriffe auf Beschäftigte schneller geahndet werden können. „So sehen die Beschäftigten, dass tatsächlich etwas passiert.“ Wichtig ist auch eine gute Datenerfassung und schnelle, unkomplizierte Meldewegen wie etwa die bei DB Regio erprobte RIS-App. „Wir müssen davon wegkommen, dass die Kolleg:innen glauben, das, was ihnen passiert, sind nur Einzelfälle.“ In den Fachgruppen der EVG ist die Forderung nach einer Smartwatch mit Notfallknopf entwickelt worden. Die Forderung ist bei den EVU platziert, wir wollen dazu schnell in den Dialog mit den Arbeitgebern kommen.

„Die Fahrgäste haben auch nichts davon, wenn sich die Zugbegleiterin auf der Toilette einschließt.“

Mira Christiansen, EVG-Fachsekretärin

Die DGB-Kampagne wertet die EVG positiv. Nicht zuletzt durch die bundesweite Plakatierung an vielen Bahnhöfen hat sie schnell einen hohen Bekanntheitsgrad in der Bevölkerung erreicht. Mira Christiansen berichtet, dass auch viele SPNV-Unternehmen auf die EVG zugekommen sind und die Motive der Kampagne in ihren Zügen zu verbreiten. „Wir schaffen es nur gemeinsam, für mehr Sicherheit zu sorgen. Die Fahrgäste haben auch nichts davon, wenn sich die Zugbegleiterin auf der Toilette einschließt."

„Gewalt gegen Beschäftigte darf nicht das neue Normal werden“, so hatte auch DGB-Vize Elke Hannack zu Beginn der Konferenz die Devise ausgegeben. Als konkreter nächster Schritt wurde eine Kooperation mit dem Weißen Ring besiegelt, der sich seit Jahrzehnten bereits für die Opfer krimineller Handlungen einsetzt. „Mit 400 Beratungsstellen und 2.700 haupt- und ehrenamtlichen Helfer:innen ist der Weiße Ring der zentrale Experte in Deutschland, wenn es um Prävention und Opferhilfe geht“, so Elke. „Es ist Zeit, unsere Kräfte zu bündeln, damit unsere Gesellschaft an dem zentralen Ort Arbeitsplatz sicherer und fairer wird“, bekräftigte der Vorsitzende des Weißen Rings, Patrick Liesching.

„Gewalt gegen Beschäftigte darf nicht das neue Normal werden.“

Elke Hannack, DGB-Vize

Um den Bogen zum Thema des gesellschaftlichen Zusammenhalts insgesamt zu schlagen, hatte sich der DGB einen besonderen Gast eingeladen: Bundespräsident a.D. Joachim Gauck. „Wo Respekt und Vertrauen in öffentliche Institutionen schwinden, kann es nicht gut bestellt sein um den gesellschaftlichen Zusammenhalt.“ Der tiefgreifende gesellschaftliche Wandel und eine ungewöhnliche Abfolge von Krisen und Herausforderungen in den vergangenen Jahren überforderten viele Menschen, so Gaucks Diagnose. Er sei aber „zuständig für Zuversicht“ und möge mutige Menschen – und sehe sich damit an der Seite des DGB. „Wir lassen uns nicht vorführen von denen, die mit Hass und Destruktion den gesellschaftlichen Zusammenhalt aushöhlen. Wir können es, wir sind nicht zum Zuschauen verurteilt, und wer wüsste das besser als die Gewerkschaften?!“