„Man fühlt sich besonders“

Sie dauert nur gut eine Stunde, die Fahrt von Schorndorf nach Welzheim, und hält doch einiges an Attraktionen bereit. „Man fühlt sich besonders“, meint jedenfalls Dominic Koppenhagen, der diese Strecke fast täglich fährt. Er ist Triebfahrzeug-führer in Ausbildung bei der Württembergischen Eisenbahngesellschaft (WEG), die die Wieslauftalbahn betreibt.

„Ich fahre dort, wo andere Menschen extra hinreisen“, sagt er und schwärmt von der Strecke durch die schöne Landschaft, durch Wald und Wiesen, vorbei an der Stadt Rudersberg, vorbei an den Strümpfelbacher Wasserfällen. Und nicht zuletzt überquert die Wieslauftalbahn, die im Volksmund „Wiesel“ genannt wird, drei Viadukte von bis zu 170 Metern Länge. 

So kurz sie ist, auch die Wieslauftalbahn hat eine bewegte Geschichte. Ab 1890 gab es Überlegungen, den damals relativ dünn besiedelten Welzheimer Wald verkehrlich zu erschließen. 1908 bis 1911 wurde die Strecke abschnittweise eröffnet, der erhoffte wirtschaftliche Effekt blieb aber aus. Auch in der Ära der Bundesbahn kam kein rechter Schwung in die Verbindung, immer mehr Züge wurden durch Bahnbusse ersetzt, schließlich blieb ein einziger Zug pro Tag übrig, der sich heute wie ein ziemliches Kuriosum ausnimmt: an einen Güterzug wurden einige Personenwagen angehängt. Das war für die Fahrgäste so unattraktiv, dass in den 1980er Jahren der Zugverkehr ganz eingestellt wurde – ohne formale Stilllegung allerdings. Daher konnte mit der Regionalisierung ein Umschwung eingeleitet werden. Mitte der 1990er Jahre übernahm die WEG die Strecke, fand sie durchaus wirtschaftlich und nahm sie Stück für Stück wieder in Betrieb. Heute frequentieren rund 5.000 Fahrgäste pro Tag die „Wiesel“ auf der Teilstrecke Schorndorf-Rudersberg. In den Sommermonaten fährt ein Eisenbahnverein, bei dem sich auch Dominic engagiert, mit einem Museumszug an Sonn- und Feiertagen in den Welzheimer Wald.

Die Fahrt wird von Pendler*innen, von naherholungsbedürftigen Stuttgarter*innen und von Urlauber*innen frequentiert. Viele Reisende nutzen auch gerne die Museumsbahn und fahren die lauschige Strecke mit dem Fahrrad zurück.

Im Vergleich zu anderen SPNV-Strecken, die er ebenfalls fährt, empfindet Dominic, der auch Vorsitzender der EVG-Betriebsgruppe ist, die Fahrt mit der Wieslaufbahn als angenehmer. „Im Triebwagen hast Du mehr Kontakt zu den Reisenden“, sagt er. „Manchmal kommen Fragen zur Museumsstrecke und wir bekommen durchweg gutes Feedback von den Reisenden.“ Bei Eltern mit Kinderwagen oder älteren bzw. gehbehinderten Reisenden wird der Tf auch schon mal zur echten Servicekraft und hilft beim Aus- oder Einsteigen. „Da gibt es hin und wieder auch mal kleine Aufmerksamkeiten von den Reisenden, z.B. ein Täfelchen Schokolade.“

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