Werk Dessau: „Es wäre kurzsichtig, Entscheidungen nur anhand der augenblicklichen Lage zu treffen“

„So ernst wie jetzt war die Lage noch nie. Uns geht so langsam die Arbeit aus“, sagt Frank Strowicki, Betriebsrat im Werk Dessau und Vorsitzender der örtlichen EVG-Betriebsgruppe. Elektrolokomotiven und deren Komponenten werden in Dessau-Roßlau instandgesetzt; vornehmlich für DB Cargo. Doch die Güterverkehrssparte der DB AG ist in eine schwere Krise geraten, die Auswirkungen sind auch hier vor Ort deutlich zu spüren.

Die Tradition reicht weit zurück. Als Anfang des 20. Jahrhunderts die Dampflok so langsam von der elektrischen Traktion abgelöst werden sollte, nutzte der preußische Staat die Strecke von Dessau nach Bitterfeld zur Erprobung der neuen Technologie. Für die Instandhaltung der elektrischen Fahrzeuge wurden Erhaltungskapazitäten benötigt. Und weil die vorhandenen Kapazitäten im Ausbesserungswerk Halle (Saale) nicht ausreichten, wurde in Dessau-Roßlau neu gebaut. Am 2. Dezember 1929 wurde das Werk in Betrieb genommen. 180 Beschäftigte zählte man seinerzeit. Seitdem hat man hier viele Höhen und Tiefen erlebt.

Frank Strowicki

2003 war so ein Krisenjahr, erinnert sich Frank Strowicki. Damals mussten rund 150 Stellen abgebaut werden. Und heute? Da nutzt man den „internen Personalausgleich“ und „verleiht“ den einen Kollegen oder die andere Kollegin an andere Meistereien, in denen es Vakanzen und entsprechend Arbeit gibt. Zudem wurde die Arbeitszeit abgesenkt, nicht kollektiv, sondern je nach Bedarf - zum Teil auf 35 Stunden in der Woche.

„Vor zwei Jahren haben wir fast doppelt so viele Loks instandgesetzt wie derzeit, das hat natürlich Folgen“, erklärt der Betriebsrat. Dank des Demografietarifvertrags der EVG ließen sich die finanziellen Einbußen aber abmildern. Die Hälfte der geminderten Zeit wird ausgeglichen. Wer statt 39 nur 37 Stunden arbeitet, bekommt 38 Stunden bezahlt. „Wir sind sehr froh, dass der DemoTV in den jüngsten Tarifverhandlungen verlängert werden konnte. Das war sehr weitsichtig und hilft uns heute“, macht Frank Strowicki deutlich.

„So ernst wie jetzt war die Lage noch nie. Uns geht so langsam die Arbeit aus.“

Frank Strowicki, Betriebsrat im Werk Dessau und Vorsitzender der örtlichen EVG-Betriebsgruppe
Sabrina Repp und Frank Strowicki

Als Betriebsrat und als Vorsitzender der örtlichen EVG-Betriebsgruppe versucht er bei jeder sich bietenden Gelegenheit um Unterstützer für das Instandhaltungswerk in Dessau zu werben. „Jüngst hatte die EVG-Geschäftsstelle Halle zu einem Besuch des Europaparlaments in Straßburg eingeladen. Eine gute Gelegenheit, um die Abgeordnete Sabrina Repp, die für die SPD Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen-Anhalt vertritt, auf die derzeit schwierige Situation in Dessau-Roßlau hinzuweisen.

„Das Werk muss sich mehr für Drittkunden öffnen“, betont der Betriebsratsvorsitzende Matthias Schwenzfeier. Die DB AG wäre unumstritten auch weiterhin Premiumkunde, um aber für mehr Auslastung zu sorgen, müssten mehr Loks nach Dessau, die nicht rot lackiert sind. Siemens habe mit dem Vectron eine neue Lokomotivenplattform für den europaweiten grenzüberschreitenden Verkehr geschaffen, die sich gut am Markt etabliere. „Diese Loks müssen irgendwann auch instandgehalten werden. Wir in Dessau können das“, stellt er stolz fest.

„Das Werk muss sich mehr für Drittkunden öffnen.“

Matthias Schwenzfeier, Betriebsratsvorsitzender
Matthias Schwenzfeier

Vier neue Stände habe man in den vergangenen Jahren gebaut, um Platz für das Drittkunden-Geschäft zu haben. Jetzt müsse intensiv am Markt akquiriert werden. „Viele Betreiber privater Eisenbahnverkehrsunternehmen wissen gar nicht, dass es uns gibt und wie umfangreich unser Leistungsspektrum ist“, erklärt Matthias Schwenzfeier. Das zu ändern, darin sehe man in Dessau eine Chance.

Kritisch betrachten die Kolleginnen und Kollegen die augenblickliche Lage. Die unvermutete Ankündigung, dass im benachbarten Delitzsch zum Jahresende Schluss sein soll, hat viele schockiert. „Wir stehen zusammen und sind solidarisch“, sagt Betriebsrat Frank Strowicki. Jüngst erst hätten die Auszubildenden mit einer Lärmaktion ihrem Unmut Luft gemacht. Und auch viele Beschäftigten hätten mit Bannern und Plakaten deutlich gemacht, dass man den Kampf ausnehmen werde.

Wichtig sei ein Gesamtkonzept, dass auf die Stärken der jeweiligen Standorte setze und Potential für die Zukunft biete. „Es wäre kurzsichtig, Entscheidungen nur anhand der augenblicklichen Lage zu treffen“, betonten die Betriebsräte Matthias Schwenzfeier und Frank Strowicki. Der Markt biete erhebliche Potentiale, zumal in der Zukunft mit Zuwächsen auf der Schiene zu rechnen sei. „Auch dafür brauchen wir dann Kapazitäten, jetzt darf nicht alles wegrationalisiert werden, was augenblicklich entbehrlich zu seien scheint“, stellen beide fest. Ob das die verantwortlichen Entscheidungsträger bei der DB AG auch so sehen?