Damit hatte Kathrin Eder nicht gerechnet. Bei einem Gespräch mit dem EVG-Vorsitzenden Martin Burkert hatte die grüne Ministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie und Mobilität erfahren, dass es auch in Rheinland-Pfalz noch mechanische Stellwerke gibt.
Eines steht in Mendig. Und in das hatte sie der EVG-Landesverbandsvorsitzende Marcel Labonte eingeladen. Mit dabei Sonja Spurzem, Betriebsratsvorsitzende der InfraGo Netz Koblenz und Mitglied im Landesverband sowie Lars Kreer, Leiter der Mainzer Geschäftsstelle. „Wir wollen die Gelegenheit nutzen und die Ministerin direkt auf die Finanzierung der Mobilität auf der Schiene ansprechen“, so Lars Kreer. Rheinland-Pfalz habe einen Doppelhaushalt für ÖPNV und SPNV von jährlich 190 Millionen Euro. Der reiche aber, ebenso wie die Regionalisierungsmittel, für den tatsächlichen Bedarf nicht mehr aus.
Sie wolle mit einem Gesamtkonzept, das Bus und Bahn miteinander vernetzte, gegensteuern, sagte die Ministerin vor Ort. Angereist war sie nicht mit der Bahn, sondern mit einem elektrisch angetriebenen Dienstwagen. Das Erste, was ihr im Stellwerk ins Auge fiel, war das alte Wählscheiben-Telefon - und die robuste Technik.
Seit dem 1. April 1878 fährt in Mendig die Eisenbahn. Da wurde das erste Teilstück der sogenannten Eifelquerbahn zwischen Andernach und dem heutigen Mendig von der Rheinischen Eisenbahn-Gesellschaft (RhE) in Betrieb genommen. In zwei weiteren Bauabschnitten wurde die Strecke schließlich bis Gerolstein verlängert. Im Januar 1991 dann der Einschnitt. Rückgängige Fahrgastzahlen und baufällige Viadukte führten dazu, dass auf der Schiene heute nur noch von Kaisersesch bis Andernach gefahren wird. Mehrere Versuche, den stillgelegten Streckenabschnitt zu reaktivieren, scheiterten bisher am Geld. Kein Wunder, dass bislang auch keine moderne Stellwerkstechnik verbaut wurde. Schließlich funktioniert die alte, mechanische immer noch tadellos.
Seit 4:45 Uhr ist Laura Krämer im Dienst. Da beginnt die Frühschicht, die werktags bis 13:30 Uhr dauert. Die Spätschicht schließt sich bis 23:10 Uhr an. Spät in der Nacht ruht der Zugbetrieb. Ein Blick aus dem Fenster. Dann klingelt das alte Telefon, klingt laut und vernehmlich. Vom benachbarten Stellwerk in Mayen wird der nächste Zug abgemeldet. Nur ein paar Schritte, dann steht die 34-jährige, die Mitglied der EVG ist und auch aktiv im Landesverband mitarbeitet, an der mächtigen Blockeinrichtung und dreht flink an einer Kurbel. Damit signalisiert sie den Kolleginnen und Kollegen in Mayen, dass diese den Zug losschicken dürfen.
Die Strecke ist eingleisig, da dürfen keine Fehler passieren.
Laura Krämer, Fahrdienstleiterin
Ein Relais klackert und eine rote Scheibe schiebt sich vor eines der drei Bullaugen an der Blockeinrichtung. Für die Fahrdienstleiterin ein optisches Signal, dass die Freigabe erteilt ist. Wenn der Zug aus Mayen losgeschickt ist, wird dort an der Blockeinrichtung gekurbelt, wieder klackert ein Relais und in Mendig verfärbt sich als optischer Hinweis ein zweites Bullauge rot. Anachronistisch - aber bewährte Technik in einem mechanischen Stellwerk.
Dann wird die Weiche umgestellt und der Fahrweg anhand metallener Hebel geprüft und gesichert. Routiniert bedient Laura Krämer ihr Stellwerk. Vor sechs Jahren ist sie als Quereinsteigerin gekommen. „In Trier habe ich 2012 den Beruf der Kauffrau für Verkehrsservice gelernt“, sagt sie. Dann habe sie eine Zeit lang bei Station&Service in Frankfurt gearbeitet, bevor es zurück nach Trier gegangen sei. Doch persönliche Umstände und die Fahrzeit von täglich drei Stunden habe sie bewogen, sich innerhalb der DB AG beruflich neu zu orientieren.
Sechs Monate habe die Ausbildung zur Fahrdienstleiterin gedauert. „Das war damals ein echter Crash-Kurs, in dem ich mir in kurzer Zeit viel Wissen aneignen musste“, erklärt sie. Ihrer hohen Verantwortung ist sie sich jeden Tag bewusst. „Die Strecke ist eingleisig, da dürfen keine Fehler passieren“, betont sie, während sie hoch konzentriert die Weiche und Signale stellt.
Das bedeutet Kraftarbeit. Denn die Signale werden über Seilzüge gestellt. Dafür gibt es eine große, rote Kurbel. „Je weiter das Signal weg ist, umso länger ist der Weg und umso mehr Kraft muss aufgewendet werden. Denn auch die Gegengewichte am Signal müssen mitbewegt werden“, erklärt Laura Krämer. Anschließend wird mit einem großen roten Hebel das Signal zur Ausfahrt gestellt.
Die hohe Arbeitsbelastung macht die Kolleginnen und Kollegen krank.
Sonja Spurzem, Betriebsratsvorsitzende der InfraGo Netz Koblenz
Vier Züge halten pro Stunde am Bahnhof Mendig. Viermal muss per Hand das Einfahrsignal und viermal das Ausfahrsignal gestellt werden, zudem noch zweimal die Weiche. Bei einer 9 Stunden dauernden Schicht werden die Hebel und Kurbeln gut 90 mal bewegt. „Ein Fitnessstudio brauche ich nicht mehr“, sagt Laura Krämer lächelnd, während das Telefon schon wieder klingelt.
Die grüne Ministerin zeigt sich von der alten und soliden Technik schwer beeindruckt, sagt aber, dass die Eisenbahn insgesamt zuverlässiger werden müsse. „Viele Ausfälle sind hausgemacht“, stellt die Betriebsratsvorsitzende der InfraGo Netz Koblenz, Sonja Spurzem, fest. Sie ist zugleich Mitglied im EVG-Landesverband. Die Personaldecke sei dünn, immer wieder müssten zusätzliche Schichten übernommen werden. „Die hohe Arbeitsbelastung macht die Kolleginnen und Kollegen krank, was das Personalproblem weiter verschärft.“ Dass Stellwerke nicht mehr regelmäßig besetzt werden können, sei mittlerweile nicht mehr die Ausnahme. Der Arbeitgeber versuche zwar zunehmend gegenzusteuern, aber Fachkräftemangel herrsche nicht nur bei der Eisenbahn.
Auf ein ganz anderes Problem geht Marcel Labonte, Vorsitzender des EVG-Landesverbands Rheinland-Pfalz, ein: „Der große Erfolg des Deutschland-Tickets gefährde zahlreiche Arbeitsplätze.“ Dadurch, dass ein Ticket ausreiche, um durch ganz Deutschland zu reisen, breche in den Reisezentren und Verkaufsstellen der Umsatz durch den Fahrkartenverkauf weg. Zugleich sei aber der Beratungsbedarf durch das Deutschlandticket immens angestiegen. Der dafür nötige Personalaufwand könne jedoch durch fehlende Erlöse nicht mehr erwirtschaftet werden. „Das ist ein riesengroßes Problem“, so Marcel Labonte.
Die Ministerin ist erstaunt und verspricht: „Das werden wir auf fachlicher Ebene mal beraten.“ Insgesamt zeigt sich Kathrin Eder bei ihrem Besuch auf dem Stellwerk in Mendig sehr aufgeschlossen. Bleibt die Frage, was sie sich von der neuen Regierungskoalition zum Thema Mobilität denn wünschen würde? „Möglichst viel Investitionsmittel für die Bahn. Denn die Bahn ist die beste Lösung, um unsere Klimaziele zu erreichen“, sagt Kathrin Eder. Ein ministeriales Statement, das nicht nur in Mendig auf Zustimmung stößt.