Zukunftswerkstatt „Schichtarbeit“: Betriebsräte brauchen ein gutes Fingerspitzengefühl

Immer mehr Menschen leisten Schichtarbeit. Das trifft auch auf viele Betriebe in unserem Organisationsgebiet zu. Dabei rückt die Einhaltung festgelegter Arbeitszeitrahmen weiter in den Fokus der Betriebsräte. Die EVG bereitet sie intensiv auf ihre Handlungsoptionen vor. Aktuell für zwei Tage in Kassel zum Thema Schichtarbeit.

„Ein guter Arbeitszeitplan ist nur dann ein guter, wenn er den Interessen der Beschäftigten entspricht“, stellte Ingo Naumburger aus dem Vorstandsbereich Mitbestimmung der EVG klar. In seiner Auftaktrede bezog er sich auf die Kölner Ziele, die auf der Mitbestimmungskonferenz 2018 durch unsere Betriebsrät*innen formuliert wurden: „Arbeitszeitsouveränität, Planungssicherheit und Belastungsreduzierung“. Sie müssten im Sinne der Beschäftigten zukunftsgerecht gestaltet und mit Leben erfüllt werden. Schichtpläne der Fahrpersonale, der Kollegen*innen des Bereichs Infrastruktur und in den Werkstätten laufen am häufigsten gefahr, verwässert zu werden. Das dürften wir nicht zulassen, so Naumburger.

Eine zukunftsgerechte Gestaltung der Arbeitszeit wird unweigerlich eines der großen Themen in den kommenden Jahren sein, so Florian Wrobel in seinem Eingangsstatement zur Veranstaltung im Namen des Ausrichters, der EVA Akademie. Die wachsenden Bedürfnisse der Beschäftigten machen es den Interessenvertretern zunehmend schwerer, alle Belange in der Dienstplangestaltung zu berücksichtigen. Hier sei neben dem notwendigen Wissen viel Fingerspitzengefühl nötig.

„Als Betriebsrat bestimmen Sie die Verteilung der Arbeitszeit mit“, stärkte Hiltraud Grzech-Sukalo in ihrem Fachvortrag den rund 50 teilnehmenden Betriebsräte der EVG den Rücken. Sie ist anerkannte Expertin für Betriebsvereinbarungen zu unterschiedlichen Schichtsystemen. Die Mitbestimmungsrechte bei der Schicht- und Nachtarbeit stellen einen Balanceakt mit den Erfordernissen des Arbeitgebers dar. „Schließlich geht es um die Gesundheit der Betroffenen“.

Eine Ist-Analyse der sozialen Mitbestimmung nahm Barbara Senser-Joester für die Teilnehmenden vor. Anhand verschiedener Beispiele machte die Juristin für kollektives Arbeitsrecht klar, wieweit das Mitbestimmungsrecht hinsichtlich der Lage der Arbeitszeit im Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) geregelt ist. „Mitbestimmung heißt: Mitentscheiden“, mahnte sie. Dazu gehöre es, dass Betriebsräte auch darüber wachen, dass beispielsweise parallel laufende Tarifverträge eingehalten werden. Hierbei dürfe sich der Arbeitgeber keinen „schlanken Fuss“ machen und Dienstpläne nach dem für ihn günstigeren Tarifvertrag gestalten. Sollten TVe unterschiedlicher Organisationen gleichzeitig gelten, seien Dienstplanmodelle das „Mittel der Wahl“. Die Beschäftigten hätten dann die freie Wahl, sich für eines verbindlich zu entscheiden.

In drei lebhaften Workshops wurden Ideen ausgetauscht, Visionen entwickelt, Gestaltungspotentiale entdeckt und darüber diskutiert, welche Rahmenbedingungen dafür nötig sind. Mit einer Bestandsaufnahme der aktuellen betrieblichen Situation mit den unterschiedlichen Facetten der Schichtarbeit wurde der erste Tag der Zukunftswerkstatt beendet.

Fazit: Es gibt nicht „das perfekte Schichtsystem“, sondern etliche Erfordernisse an die Arbeitszeitgestaltung und Lösungen dafür. Es ist an den Betriebsräten, gemeinsam mit den Beschäftigten in ihrem Sinne das Thema Arbeitszeit aktiv zu gestalten und Handlungsoptionen aufzuzeigen. 

Am Mittwoch wird die Zukunftswerkstatt „Schichtarbeit“ fortgesetzt. Erwartet wird dazu der stellvertretende Vorsitzende der EVG, Klaus Dieter Hommel.