„Zeit ist das neue Geld“

Arbeitszeitpolitisch tut sich was in Deutschland – und die Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft ist Motor und Treiber dieser Entwicklungen. Am zweiten und abschließenden Tag des Schöneberger Forums des DGB stellte der EVG-Vorsitzende Torsten Westphal das EVG-Wahlmodell vor - sowie den Weg dorthin und Schlussfolgerungen daraus.

Da ging ein Raunen durch den Saal, als der mitgebrachte Einspielfilm die beiden EVG-Wahlmodelle erläuterte – inklusive der Möglichkeit für Beschäftigte, ab 2021 bis zu zwölf zusätzliche Urlaubstage zu nehmen. „Wir haben das erreicht, weil wir die gesamte Mannschaft hinter unsere Forderungen in der Tarifrunde gebracht haben“, so Torsten. „Alle haben mitgemacht.“ Er wies auch darauf hin, dass die EVG das Wahlmodell I mit sechs zusätzlichen Urlaubstagen bereits in 89 Unternehmen tarifiert hat. „Das funktioniert also nicht nur in einem großen Konzern, sondern auch in kleineren Unternehmen. Die Lebenswirklichkeit der Beschäftigten verändert sich und mit dem Wahlmodell können wir darauf reagieren.“

Zeit ist das neue Geld – nicht nur in der Bahn-Branche. Vertreter unserer Schwestergewerkschaften IG Metall und ver.di berichteten in der abschließenden Podiumsrunde der zweitägigen Fachtagung über sehr ähnliche Situationen in ihren jeweiligen Branchen:

  • In einer Beschäftigtenbefragung in der Metall- und Elektroindustrie zeigte sich, dass viele Beschäftigte zahlreiche Überstunden und eine Entgrenzung der Arbeitszeit erleben – sie trotzdem aber zu 80 % mit ihren Arbeitszeitregelungen zufrieden sind. „Darin spiegelt sich, dass wir uns seit Jahrzehnten schleichend an flexible Arbeitszeiten gewöhnt haben – weil der Markt den Takt angegeben hat“, so Uwe Meinhardt von der IG Metall. „Jetzt wollen die Menschen die Flexibilität, die ihnen abverlangt wird, endlich auch für ihre eigenen Bedürfnisse nutzen.“ Die IG Metall reagierte mit einem Tarifabschluss, der mehr Geld mit mehr Selbstbestimmung bei der Arbeitszeit kombiniert.
  • Oliver Bandosz von ver.di berichtete von einer aktuellen Befragung unter Beschäftigten des Öffentlichen Dienstes, nach der 92 % der Beschäftigten ein Wahlmodell zwischen mehr Geld und mehr Zeit für „wichtig“ oder „sehr wichtig“ halten würden. Gäbe es ein solches, würden sich 57 % für „mehr Zeit“ entscheiden.

„Wir müssen uns weiter mit diesem Thema befassen – das ist alternativlos“, so die Schlussfolgerung von Torsten Westphal. Der Ruf nach individueller Arbeitszeitgestaltung nimmt zu. Darauf müssen auch die Arbeitgeber reagieren. „Der Kampf um die besten Köpfe hat bereits begonnen.“ Ein Wahlmodell steigert die Attraktivität der Arbeitsplätze „und daran müssen auch die Arbeitgeber ein Interesse haben."