Zahlen bitte? 53! Dritter Tag der Sommertour von Martin Burkert
Mannheim heute mal am Schluss, aber natürlich keineswegs hinten! In der Kurpfalz-Metropole beendet der EVG-Vorsitzende Martin Burkert die erste Woche seiner diesjährigen Sommertour. Am Morgen aber besuchen wir noch einen Betrieb in Karlsruhe, die Betriebszentrale.
Aus dem hellen Licht des Sommermorgens tauchen wir ins gepflegte Halbdunkel ein. Der BZ-Leiter Karsten Hirsch und Betriebsrat Igor Ullmann nehmen uns in Empfang und führen uns durch die Räumlichkeiten. Die Fahrdienstleiter:innen sitzen hier vor jeweils acht Monitoren, auf denen grüne und rote Linien verlaufen. Sie steuern hier den Zugverkehr in ganz Baden-Württemberg, im Saarland und in Teilen von Rheinland-Pfalz, inklusive auch internationale Zugverbindungen in die Schweiz, nach Italien und Frankreich. Wir sind in der „Herzkammer der Infrastruktur“, wie Martin Burkert formuliert.
300 Menschen arbeiten hier, die Arbeitsplätze sind rund um die Uhr besetzt, eine Schicht besteht aus 60 Kolleg:innen. „Wir haben eine schwierige Gemengelage, das merkt man auch an der Laune der Leute“, sagt Karsten Hirsch. „Es ist jeden Tag was anderes.“ Ein Grund für die Schwierigkeiten ist eine Zahl: Die Pünktlichkeit im Fernverkehr lag am Vortag bei 53 Prozent. Bei einem solchen Anteil unpünktlicher Züge und einer solchen Anhäufung von Verzögerungen sind die Fahrdienstleiter:innen in der BZ permanent gefordert. Um etwas Abhilfe zu schaffen, sind Plankorridore gebildet worden, die gesondert disponiert werden. „Die Pünktlichkeit in diesen Korridoren hat Auswirkungen auf das gesamte Netz, im Negativen, aber auch im Positiven.“
Wenn Karsten und Igor externe Besuchergruppen durch die Räume führen - am letzten „Tag der Schiene“ an die 250 Leute - dann sind sie auch Öffentlichkeitsarbeiter für die Bahn. „Das Beste war, dass jemand gesagt hat: Jetzt verstehe ich, was ihr alles dafür tut, um die Pünktlichkeit noch halbwegs aufrechtzuerhalten.“
Der ICE bringt uns anschließend von Karlsruhe nach Mannheim. Wir führen spontane Gespräche unterwegs - mit einer örtlichen Aufsicht, mit einer Kollegin im Bordbistro. Und nehmen auch aus diesen Begegnungen wieder Streiflichter zur Stimmungslage der DB-Beschäftigten mit.
In Mannheim treffen wir einen guten Bekannten wieder: Betriebsrat Torsten Bachocz vom Fernverkehr. Er führt uns zunächst in die Verkehrsleitstelle. Auch hier: Zahlen über Zahlen, die sich die Kolleg:innen quer durch den Raum zurufen: Lokführer von 690 geht auf 2966. Zub von 517 steigt in Mannheim ab. Zwangsbremsung in 7077. Sie ergeben in Summe die Karlsruher 53. All diese Verzögerungen, Umleitungen, ungeplanten Zwischenstopps haben auch Auswirkungen auf die eingesetzten Personale. Sie müssen mittendrin Änderungen ihres Dienstplans in Kauf nehmen, überschreiten ungewollt ihre Höchstarbeitszeiten; viele müssen Pausen an Bahnhöfen machen, an denen es keine Pausenräume gibt. Um diese Fälle kümmern sich dann die Personaldisponent:innen. Die Betroffenen können „ihren“ Disponenten anrufen, ihren Ärger loswerden - und dann wird nach Lösungen gesucht. Für diese Arbeit mangele es seitens des Arbeitgebers an Wertschätzung, hören wir zum wiederholten Male. „Unsere Standortleitung“, sagt ein Kollege, „bemüht sich, das ist auch nett - aber eben nur nett.“
„Die Leute in der VL bekommen die volle Breitseite ab“, sagt Betriebsrat Torsten Bachocz. „Jeder Tag ist anders, aber jeder Tag ist auch ein Kampftag.“ Dennoch „gehen die Leute abends zufrieden nach Hause, denn sie wissen, sie haben wieder was bewegt und einer Kollegin, einem Kollegen geholfen.“
Erneuter Szenenwechsel. „Herzlich willkommen in der Einsatzstelle der Zukunft“, begrüßt uns Michael Albert beim nächsten Stopp. Das ist nun also die „neue Welt“, die uns am Vortag angekündigt wurde, und das war nicht zu viel versprochen. Hier ist Mannheim wieder vorne: Erstmals sind hier völlig neue moderne Räumlichkeiten geschaffen worden, Umkleiden, Ruheräume, ein großer Aufenthaltsraum inkl. Küche, in denen Lokführer:innen und Zugbegleiter:innen sich die UBK anlegen, pausieren, ausruhen können, „ein großer Fortschritt insbesondere für Leute mit langem Anfahrtsweg.“ Der Betriebsrat hat sogar für einen Kickertisch gesorgt. „Tolle Mitarbeiter haben tolle Räumlichkeiten verdient“, verabschiedet uns Leiter Michael Albert.
Das könnte nun ein gutes Schlusswort sein. Da wir aber noch Zeit haben, gehen wir noch einmal in den Hauptbahnhof. Die Kolleg:innen in der Lounge sind überrascht und erfreut über den Besuch. Hier werden, wenn auch nicht ganz einfach zu finden, Erste-Klasse-Kunden bewirtet. Es herrscht angenehmes Klima, nicht nur was die Raumtemperaturen, sondern auch was die Kollegialität betrifft. Probleme mit den Kunden? Der Kollege am Empfang, die Freundlichkeit in Person, winkt ab. „Ich war 34 Jahre im Zugbegleitdienst, ich kann mit solchen Situationen umgehen.“ Die aber ganz selten sind, die DB Sicherheit habe er noch nie rufen müssen. „Es ist mit den Kolleg:innen und auch mit den Gästen eigentlich wie eine große Familie.“ Auch ein gutes Schlusswort!
Fazit: 13 Betriebsstätten in drei Tagen. Zahllose gute, engagierte, emotionale, informative Gespräche. Sie geben einen Einblick in die Komplexität und Vielfalt des Systems Eisenbahn. Und sie zeigen rote Fäden: Es fehlt allüberall an Personal und an Wertschätzung. Wir haben tolle Menschen getroffen und nehmen auch zahlreiche spezielle Themen mit. Und wir freuen uns auf die nächste Runde im August in Hessen.
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Am Rande der Sommertour haben wir die Gelegenheit genutzt, mit Daniel Bruskowski zu sprechen. Er ist Betriebsrat und Vorsitzender der EVG-Betriebsgruppe bei der InfraGO in Freiburg. Hier geht es zum Interview.