Seminar in Èze und Jubiläumsveranstaltung „70 Jahre EUROP CAMP“

Das 70-jährige Jubiläum der EVG-Jugendbildungsstätte „EUROP CAMP“ in Èze sur Mer wurde ihm Rahmen eines ersten „Geschichtsseminars mit Zeitzeugen“ gefeiert. Daran nahmen alle Alters- und Berufsgruppen teil. Ein weiteres, inhaltsgleiches Geschichtsseminar wird Ende dieses Jahres stattfinden.

Der Veranstaltungsort hat für das Thema seinen ganz besonderen Reiz, denn nur wenige Regionen in Europa bieten anschaulicher den Widerspruch zwischen Kapital und Arbeit. Zum Seminarbeginn schilderte Anton Hofmann als ehemaliger Geschäftsführer der Vermögensverwaltungsgesellschaft in einer Präsentation den Erwerb der „Liegenschaft an der Côte d'Azur“ und der Anlage als Zeltlager, dem Bau von Wirtschafts-, Dusch- und Toilettenräumen sowie Übernachtungszimmern. An der Grundstruktur hat sich in den 70 Jahren nichts geändert, aber es wurden zahlreiche bauliche Modernisierungs- und Erneuerungsmaßnahmen durchgeführt, um das EUROP CAMP zu einer modernen Bildungsstätte positiv entwickeln zu können.

Gern waren zwei Nachbarn, die im Alter von 8 Jahren den Aufbau und die Weiterentwicklung der Jugendbildungsstätte und natürlich auch der Freizeitanlage für Urlaubsaufenthalte am Strand zwischen Monaco und Nizza in den Sommermonaten mit großem Interesse verfolgt haben. Robert Bruset und Armond Tomatis hielten von Anfang an mit allen Camp-Leitern einen sehr guten Kontakt und freuten sich über die zahlreichen jugendlichen Gäste. 

Sie nahmen oft die Gelegenheit wahr, sich mit den Nachwuchskräften bei der Deutschen Bundesbahn über die beruflichen Veränderungen zu informieren. An den fröhlichen Feiern mit musikalischen und gesanglichen Darbietungen hatten sie - trotz anfänglichen Ruhestörungen an den langen Abenden - viel Freude und die ist bis heute geblieben. Eine sehr enge Verbindung bestand mit Kurt und Inge Bruns sowie aktuell mit Ronny und Patricia Fischer als Camp-Leitungen.

Anhand einer „Zeitschiene von 1848 bis 2025“ informierten die Referenten Erhard Mattes und Hans-Georg Butz über die wesentlichsten historischen Ereignisse der deutschen und europäischen Arbeitnehmerbewegung. Es war gleichzeitig einer der Aufgaben der Seminarteilnehmer:innen das Jahr und das Ereignis richtig zuzuordnen.

Ausgehend von der Französischen Revolution und in der deutschen Kaiserzeit schilderten sie die Auswirkungen vom Sozialistengesetz und die ersten Sozialgesetzgebungen (Renten- und Unfallversicherung), den Grund und die Folgen des 1. Weltkrieges, dem Soldatenaufstand, der Räte - und der Weimarer Republik. Spannend waren die Zeit und die Entwicklungen bis zur Machtergreifung der NSDAP. 

Der 2. Mai 1933 war einer - wenn nicht der - einschneidendste Tag der deutschen Gewerkschaften. Stürmung und Schließung der Gewerkschaftshäuser, Beschlagnahme des gesamten Vermögens und Inhaftierung führender Gewerkschafter in Gefängnisse und später in Konzentrationslager. Dazu wurden zwei sehr beeindruckende Dokumentationsfilme über die konspirative Gewerkschaftsarbeit und aus Konzentrationslagern während der NS-Zeit gezeigt. 

Am 1. September 1939 begann der 2. Weltkrieg und dauerte bis zum Tag der Kapitulation am 8. Mai 1945. Es begann der Wiederaufbau und die Gründung des DGB (Deutscher Gewerkschaftsbund) im Jahr 1949 und die Bildung der Einzelgewerkschaften wie der GdED (Gewerkschaft der Eisenbahner Deutschlands) als Einheitsgewerkschaft für Arbeiter, Angestellte und Beamte. Daneben bildete sich der Deutsche Beamtenbund (DBB), die Deutsche Angestelltengewerkschaft (DAG) und der Christliche Gewerkschaftsbund (CGB) für die verschiedenen Berufsgruppen.

Für die Interessenvertretung der Beschäftigten in den Betrieben und Verwaltungen wurde das Kontrollratsgesetz Nr. 22 beschlossen und Betriebs- bzw. Personalräte installiert. Es folgten 1952 das Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) und 1955 das Personalvertretungsgesetz (PersVG) sowie das Montanmitbestimmungsgesetz. Die erste sozial-liberale Bundesregierung novellierte 1972 das BetrVG und 1974 das BPersVG.

Im Grundgesetz der BRD wurde im Artikel 9 Abs. 3 das Recht Vereinigungen zu bilden geregelt. Es diente der Wahrung und Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbeziehungen für jedermann und alle Berufe. Dazu kam das Tarifvertragsgesetz (TVG), das die Befugnisse der Tarifparteien, durch Tarifverträge Einfluss auf das Arbeitsleben zu nehmen. Es konkretisierte damit die grundrechtliche geschützte Koalitionsfreiheit: Tarifverhandlungen inklusiv dem Streikrecht.

In der Zeitschiene wurde über die Gründung vom „VED“ (Verband der Eisenbahner Deutschlands) am 8. Dezember 1886 in Hamburg, der GdED 1949 in Frankfurt/Bergen-Enkheim, der Vereinigung mit der GdE (DDR) in Kassel 1990, die Namensänderung 2000 in TRANSNET in Magdeburg und 2010 die Fusion mit der GDBA (Gewerkschaft Deutscher Bundesbahnbeamten, Arbeiter und Angestellten sowie Anwärter im DBB) zur EVG ausführlich diskutiert.

Zusammenfassend waren die Seminarteilnehmer:innen überzeugt, dass sich das jahrzehntelange Engagement der Gewerkschaften und der innerbetrieblichen Interessenvertreter (Betriebs-/Personalräte, Jugend- und Auszubildendenvertreter, Schwerbehindertenvertreter und Aufsichtsratsmitglieder) mehr als gelohnt hat. Stetige Lohn-/Gehaltserhöhungen, Kürzung der wöchentlichen Arbeitszeiten, Erhöhung der Urlaubstage und Absicherung bei Krankheit, Verbesserungen vom Arbeitsschutz, soziale Absicherungen, die Vertretung gegenüber dem Staat und den Bahnverwaltungen sowie vieles andere mehr waren die Ergebnisse der gewerkschaftlichen Interessenvertretung.

Die wichtigsten Erfolge in der Vergangenheit waren die Sicherung der Arbeitsplätze und die Verhinderung von Entlassungen bei den umfangreichen Rationalisierungsmaßnahmen bei der Deutschen Bundesbahn (DB), der Deutschen Reichsbahn (DR) und der Deutschen Bahn (DB AG). „Diese Daueraufgabe kann nur durch eine große Solidargemeinschaft aller Beschäftigten im Organisationsgebiet der EVG und mit einem hohen Organisationsgrad gelöst werden. Mit dieser Überzeugung können in Zukunft noch mehr Mitglieder zum Eintritt in die EVG gewonnen werden.“ waren sich die Seminarteilnehmer:innen einig.