OV Berlin - Interviews mit neuem OV-Vorsitzenden und Stellvertreter*innen

Zahlreiche Herausforderungen warten in den kommenden Jahren auf die EVG. Da sind nicht nur die Betriebsratswahlen und der Gewerkschaftstag im kommenden Jahr, da sind vor allem auch viele politische Themen. Ende August hat sich der Ortsverband (OV) Berlin unserer Gewerkschaft neu aufgestellt.

Die Delegierten einer Konferenz wählten Michael Bartl zum Vorsitzenden des OV und Susanne Kielkowski und Robert Seifert zu seinen Stellvertretern. Sie eint, die Modernisierung der EVG voranzutreiben, mit neuen Ideen und neuen Themen neue Wege zu beschreiten. Wir haben mit ihnen gesprochen:

Michael Bartl - du bist erneut zum Vorsitzenden des OV gewählt worden. Welche drei Kernziele gibst Du Dir für die kommenden Jahre?

Ich freue mich auf die Arbeit in den nächsten Jahren zusammen mit meinen Stellvertretern Susanne und Robert. Ich bin sicher, dass wir mit der neuen Zusammensetzung des Ortsverbandsvorstandes ein gutes Team zusammen haben. Nun zur Frage:  ich möchte gerne neue Formen der Beteiligung unserer Mitglieder etablieren. Dazu gehören z.B. virtuelle Veranstaltungen und mehr Mitmachveranstaltungen. Weiter werde ich dafür arbeiten, dass unsere Gremien „vielfältiger“ aufstellt werden, in dem wir z.B. mehr jüngere Kolleginnen und Kollegen in die Arbeit einbeziehen und auch Verantwortung übertragen. Dies haben wir jetzt bei der Zusammensetzung des Vorstandes schon angefangen. Und -auch das zählt zu den Kernthemen- ich hoffe, dass dieser Ausschreibungswahnsinn für den ÖPNV endlich aufhört. Auch dafür werde ich kämpfen.

Das Abgeordnetenhaus wird/ist gewählt. Welche Schwerpunkte muss ein neuer Senat setzen?

Das Thema Verkehr muss auch mit Blick auf soziale „Verträglichkeit“ betrachtet werden. Und eine lebenswerte Stadt wie Berlin braucht neben einem solchen sozialen ÖPNV auch bezahlbaren Wohnraum.

Was muss ein moderner Ortsverband für seine Mitglieder leisten?

Die Umstände des Lebens und der Arbeit unserer EVG Mitglieder in Berlin sind sehr vielfältig. Es gibt Mitglieder in den Werkstatt- und Servicebereichen genauso wie in der Verwaltung mit den damit verbundenen unterschiedlichen Rahmenbedingungen für die Arbeit. Und wir haben eine große Gruppe von Seniorinnen und Senioren. Für all diese Gruppen, die die Mitgliedschaft in unserer EVG eint, mit ihren unterschiedlichen Fragen und Erwartungen, müssen wir Angebote und Antworten haben.

Im kommenden Jahr ist Gewerkschaftstag der EVG. Wie muss sich die EVG vor allem auch strukturell für die Zukunft aufstellen?

Nach meiner Wahrnehmung muss die Keimzelle der gewerkschaftlichen Arbeit noch stärker die jeweilige Dienststellen- und Betriebsgruppe sein. Dafür müssen wir Strukturen schaffen, dürfen dabei aber die Besonderheiten der Personengruppen nicht aus dem Auge verlieren. Ich glaube auch, dass unsere Gremienlandschaft gestrafft werden muss. Dann hätten die vielen Ehrenamtlichen mehr Zeit für gewerkschaftspolitische Arbeit mit den Kolleginnen und Kollegen. Brauchen wir z.B. in Berlin tatsächlich einen Ort- und einen Landesverband?

Robert Seifert, die Ausschreibung bei der Berliner S-Bahn läuft. Welche Gestaltungsmöglichkeiten siehst Du für die EVG noch?

In den vergangenen Wochen ist es bei diesem Thema medial recht ruhig geworden, von Klagen eines Mitbewerbers mal abgesehen. Das liegt daran, dass nun die Angebots- und dann die Verhandlungsphasen unter Ausschluss der Öffentlichkeit und auch des Parlaments stattfinden. Das Ergebnis des Verfahrens muss dann jedoch im Abgeordnetenhaus beschlossen werden. Wenn also das Parlament wieder zu seinem Mitspracherecht kommt, werden wir im besten Sinne als Lobbyisten für die Beschäftigten wieder auf der Matte stehen. Vergessen sollte man jedoch nicht, was wir bisher schon erreicht haben und wieviel Druck wir gemeinsam mit unseren Kolleginnen und Kollegen machen konnten. Auch wenn es aktuell nicht ganz so im Fokus steht, steht als nächstes die Ausschreibung unseres Vertriebs an, wo wir ebenso für Sozialstandards und Beschäftigungsbedingungen kämpfen werden, wie bei der Ausschreibung der Verkehrs- & Instandhaltungsleistung der S-Bahn Berlin. In den zurückliegenden Jahren konnte ich durch meine politische Arbeit viele Kontakte knüpfen, diese möchte ich zukünftig in die gesamte Arbeit der EVG einbringen und nutzen.

Was muss ein neuer/eine neue Verkehrssentor(in) insgesamt leisten?

Etwas mehr Sachverstand und Interesse beim Thema Mobilität wäre aus meiner Sicht schon einmal ein Fortschritt. In einer Metropole wie Berlin kann Verkehr nicht nur für ein Verkehrsmittel gedacht und gemacht werden, weder nur für den Radverkehr, noch nur für den Autoverkehr. Beides kommt an seine Grenzen und daher muss neben einem gesunden Mix aller Verkehrsmöglichkeiten insbesondere des ÖPNV massiv ausgebaut und gestärkt werden, um die ökologische Verkehrswende zu ermöglichen. Ein völlig unterbelichtetes Thema ist der Güterverkehr, welcher beinahe ausschließlich über die Straße rollt. Da gibt es bei unseren europäischen Nachbarn andere und bessere Konzepte, welche Berlin sich mal anschauen sollte.

Du bist Betriebsrat bei der S-Bahn Berlin. Welche Akzente muss die EVG aus deiner Sicht in den Betrieben künftig setzen?

Im Unterschied zu Susanne und Michael komme ich eher aus dem Bereich des Betriebs, im Gegensatz zur Infrastruktur und der Zentrale wie die beiden. Ich glaube, dass mit diesem Hintergrund der Blick auf Themen ein etwas anderer ist, was jedoch die Vielfalt der EVG Berlin erhöht und auch ausmacht. Ansonsten haben wir gute und aktive Betriebsgruppen, die näher an den betrieblichen Themen sind, welche wir gerne koordinieren und unterstützen. Was ich an der EVG so schätze ist die Freiheit in den Betrieben, genau das umsetzen zu können, was vor Ort passt, ohne dass es Vorschriften, starre Tarifvorgaben oder Anweisungen „von oben“ gibt. Abstimmungen und Erfahrungsaustausch zu Themen, die in vielen Betrieben eine Rolle spielen sind natürlich sinnvoll und werden weiterhin durch uns gefördert.

Susanne Kielkowski, welche Akzente willst Du als stellvertretende Vorsitzende des OV Berlin künftig setzen?

Ich möchte alle Themen, welche uns aktuell und in Zukunft erreichen, anhand der Erfahrungen und Erwartungen unserer Mitglieder mitgestalten. Zeitgemäße Gewerkschaftsarbeit vorantreiben und unsere Kolleginnen und Kollegen einbeziehen, denn sie wissen am besten, was unsere Organisation bewegt, welche Instrumente wir benötigen und wie ihre Bedürfnisse zufriedenstellend angepackt werden müssen.

Du bist Betriebsrätin bei DB Station & Service. Im kommenden Jahr stehen wieder BR-Wahlen an. Welche Herausforderungen siehst Du, worauf wird man bei dieser DB-Tochter achten müssen?

Ich sehe es so, dass es bei den BR-Wahlen nicht um die DB-Töchter an sich geht. Als EVG und im Ortsverbandsvorstand Berlin vertreten wir nicht nur die Infrastruktur, wozu die DB Station&Service AG gehört, sondern alle Beschäftigten. Wir differenzieren nicht nach Gesellschaften und vertreten nicht nur den Servicebereich oder Overhead, sondern alle Berufsgruppen. Darauf konzentrieren wir uns. Mit Michael und Robert an meiner Seite werden wir vor und nach der BR-Wahl kontinuierlich das Große und Ganze betrachten.

Es wird viel geredet über die Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Was muss ein Arbeitgeber, vielleicht speziell die DB, hier noch leisten?

Zuerst möchte ich hervorheben, dass die EVG, gerade in der Pandemie, hervorragend bewiesen hat, dass wir als Gewerkschaft schnell und lösungsorientiert in herausfordernden Situationen agieren, um unsere Mitglieder bestmöglich im Arbeitsalltag zu unterstützen. Mit dem Blick nach vorn müssen wir den Spagat zwischen Familie und Beruf mit Fokus auf neue Arbeitsformen und „gute Arbeit“ stets betriebsübergreifend betrachten und mitgestalten.