Digitaler Erinnerungsort eröffnet: „Diese Menschen verdienen nicht nur unser Gedenken, sie verdienen unseren Respekt.“
Die EVG hat in ihrer Berliner Zentrale einen digitalen Erinnerungsort eröffnet. Er ist den Eisenbahnerinnen und Eisenbahnern gewidmet, die während der NS-Diktatur entrechtet, verfolgt und ermordet wurden. Damit ergänzt die EVG ihren bereits 2019 eröffneten physischen Gedenkort und macht die Biografien und Schicksale der Opfer nun auch ortsunabhängig zugänglich.
„Wenn wir heute die Namen, die Biografien und die Geschichten unserer verfolgten und ermordeten Kolleginnen und Kollegen sichtbar machen, geben wir ihnen ein Stück ihrer Würde zurück“, betonte der EVG-Vorsitzende Martin Burkert bei der Eröffnung. „Wir holen sie aus der Anonymität der Geschichte - und wir sagen als Gewerkschaft laut und deutlich: Diese Menschen gehören zu uns.“
Der digitale Erinnerungsort sei nicht nur ein Projekt der Geschichtsbewahrung, sondern auch ein Beitrag für die Gegenwart, so Burkert: „Erinnerung ist niemals nur Rückblick. Sie ist Verpflichtung, Mahnung und eine Brücke in die Zukunft.“
Viele Eisenbahn-Gewerkschafterinnen und -Gewerkschafter hatten sich nach der Zerschlagung der Gewerkschaften 1933 dem Widerstand angeschlossen und diesen Mut mit ihrem Leben bezahlt. „Diese Menschen verdienen nicht nur unser Gedenken, sie verdienen unseren Respekt. Und sie verdienen es, dass wir ihre Geschichten weitertragen - über die Mauern unserer Zentrale hinaus“, erklärte Burkert.
Gerade heute sei das Engagement gegen das Vergessen wichtiger denn je. „Wir leben in einer Zeit, in der die Demokratie erneut unter Druck steht. Rechtsextreme Kräfte greifen unsere Werte an – und auch wir Gewerkschaften geraten wieder ins Visier. Dagegen zeigen wir klare Kante: Wir sagen Nein zu Hass und Hetze, zu Antisemitismus, Rassismus und Ausgrenzung. Und wir sagen Ja zu einer Gesellschaft, in der alle in Würde leben und arbeiten können“, so Burkert.
Mit dem neuen digitalen Erinnerungsort will die EVG einen Beitrag zu einer lebendigen demokratischen Erinnerungskultur leisten und zugleich die historische Verantwortung der Gewerkschaften unterstreichen.
Burkert dankte den Organisator:innen des digitalen Gedenkorts, allen voran Erika Albers, Sprecherin des Arbeitskreises EVG Geschichte. Sie hatte die Veranstaltung eröffnet und die Ehrengäste begrüßt, die vor Ort und zum Teil digital zugeschaltet waren.
Unter ihnen war Stephanie Stiefler, Enkelin von Josef Ludwig. Sie schilderte eindrucksvoll und in bewegenden Worten die Biografie ihres Großvaters - von seiner Tätigkeit als Eisenbahner, Betriebsrat und SPD-Funktionär bis hin zu seiner Verfolgung und Ermordung durch die Nationalsozialisten. Auch die Enkelin von Franz Stenzer, Tatjana Trögel, stellte die Geschichte ihres Großvaters vor, die sie in einer Ausstellung aufbereitet hat. Als weiterer Gast berichtete Ekkehart Schaefer, Vorsitzender des Heimat- und Geschichtsvereins Weilbach, von seinen Recherchen zum Leben des in Weilbach geborenen Widerstandskämpfers und Vorstandsmitglied des Deutschen Eisenbahnerverbandes Lorenz Breunig.
Eberhard Podzuweit vom Arbeitskreis Geschichte erinnerte in seiner Gedenkrede an die Verfolgung zahlreicher Eisenbahner:innen während der NS-Zeit. Als größter Arbeitgeber des Deutschen Reiches spiegelte die Reichsbahn die gesellschaftlichen Entwicklungen wider: Politisch aktive Gewerkschafter:innen, Sozialdemokrat:innen und Kommunist:innen, ebenso wie Jüd:innen, Zeug:innen Jehovas sowie Eisenbahner:innen aus besetzten Ländern, wurden entrechtet, verfolgt, inhaftiert und vielfach ermordet. Mit der Digitalisierung des Gedenkortes sollen die Schicksale von bislang 173 dokumentierten Opfern bewahrt werden. Das Gedenken mahne, dass Rassismus, Antisemitismus, Ausgrenzung und Machtstreben stets in Gewalt und Krieg münden.
EVG-Vorstand Frank Hauenstein verwies auf der Veranstaltung auf die Initiative „Bahn-Azubis gegen Hass und Gewalt“. Sie feierte in diesem Jahr ihr 25-jähriges Jubiläum und richtet sich an Nachwuchskräfte der Bahn, die in zahlreichen Projekten kreative und mutige Zeichen für Vielfalt und gegen Ausgrenzung setzen. Mit Blick auf die aktuelle internationale Politik sagte er: „In den USA wird gerade versucht, die eigene Geschichte auszulöschen – wir aber wollen diese lebendig halten.“
Der digitale Gedenkort kann unter folgendem Link besucht werden: www.evg-geschichte.de