Auf den Spuren des Holocausts

Anlässlich des 75. Jubiläums der Befreiung vom nationalsozialistischen Regime machten sich 18 Teilnehmer*innen und zwei Referenten auf den Weg, die Spuren des Holocausts zu verfolgen. Die Reise ging vom 11.09.-18.09.2020 von Berlin über Lodz nach Oswiecim.

11.09.2020 Ankunft
Unsere Reise begann im Bildungs- und Begegnungszentrum „Clara Sahlberg“ in Berlin-Wannsee mit einem Einstieg. Natürlich wollten wir erst wissen, mit wem wir die kommende Woche verbringen. Es stellte sich heraus, dass wir eine buntgemischte Gruppe zwischen 26 und 67 Jahren aus unterschiedlichen Geschäftsbereichen und verschiedenen Teilen des Landes sind.

12.09.2020 Berlin-Wannsee
Um direkt in die Vergangenheit einzutauchen, starteten wir mit dem Thema, wie es zur Machtübernahme der Nationalsozialisten gekommen ist und wie es ihnen anschließend gelingen konnte, ihre Vision der Vernichtung aller „Juden in Europa“ umzusetzen. Wir lernten auch, dass es schon lange vorher (zu Martin Luthers Zeiten im Jahr 1543) Antisemitismus gegeben hat. Danach machten wir eine Exkursion zum „Haus der Wannseekonferenz“, wo die „Endlösung der Judenfrage“ beschlossen wurde. Den Tag schlossen wir mit dem Film „Akte D – Das Kriegserbe der Bahn“ ab.

13.09.2020 Berlin – Lodz
Am folgenden Tag sind wir zum Mahnmal „Gleis 17“ am Bahnhof Berlin-Grunewald aufgebrochen. Hier fuhr am 18.10.1941 der erste Deportationszug der Deutschen Reichsbahn Richtung Osten ab. Die Deutsche Bahn AG errichtete am 27.01.1998 das Mahnmal. Deutlich konnten wir die Vegetation zwischen den Gleisen sehen, sie ist ein Symbol dafür, dass hier nie wieder ein Zug rollen wird. Der Ort ist zur Erinnerung, der Mahnung und des Gedenkens da und für jeden öffentlich zugänglich.

Anschließend haben wir uns mit der Bahn auf den Weg nach Lodz gemacht, um weiter auf der Spur zu bleiben. Spätabends kamen wir an und übernachteten in einem jüdischen Gasthaus, in der Nähe der Piotrkowska – eine der längsten Einkaufsstraßen Europas – und der Manufaktura.

14.09.2020 – Lodz
Unsere Reiseführerin holte uns direkt an unserem Gasthaus ab und wir stiegen in den Bus, damit wir alle wichtigen Punkte in Lodz besichtigen konnten. Also fuhren wir durch das ehemalige „Ghetto Litzmannstadt“. Das war von 1939-1944 ein Sammellager. Es diente vor allem als Zwischenstation vor der Deportation in die deutschen Vernichtungslager, nicht zuletzt Kulmhof (Chelmno) und Auschwitz II.

Unser erster Stopp war der „Neue jüdische Friedhof“, ein Teil des Ghettos. Er ist der zweitgrößte jüdische Friedhof in Europa. Hier sind etwa 43.000 Opfer des Ghettos beerdigt. Unter anderem steht hier auch das Mausoleum des Fabrikanten Izrael Poznanski.

Der nächste Halt war das „Denkmal an das Martyrium der Kinder“- auch genannt „Denkmal des Gebrochenen Herzens“. Es zeigt einen Block, der aussieht wie ein gebrochenes Herz mit einem abgemagerten Kind. In der Mitte befindet sich ein leerer Raum, der einen kleinen menschlichen Körper darstellen soll. In der Nähe ist außerdem eine Gedenktafel mit der polnischen Inschrift „Dein Leben wurde weggenommen, heute geben wir Dir nur die Erinnerung.“ in den Boden eingelassen. Im Ghetto Litzmannstadt befand sich das Jugendverwahrlager, wo Kinder von 2-16 Jahren inhaftiert worden sind und Zwangsarbeit verrichten mussten.

Danach sind wir zum „Marek Edelman Dialogue Center“ gefahren. Das ist eine moderne Institution, die sich mit der Erinnerung, der Geschichte und der Identität der Stadt Lodz befasst. Hier konnten wir die „kompakte Geschichte“ der Stadt noch einmal nachlesen und uns Dokumente dazu ansehen. Im oberen Teil des Zentrums ist eine Ausstellung zu Marek Edelman, einem Kommandeur des Warschauer Ghettoaufstands.

Um unsere Informationen über die Stadt zu vervollständigen, haben wir uns noch die „Manufaktura“ angesehen, im 19. Jahrhundert eine der größten Textilfabriken weltweit. Zu dem Areal gehörte eine Weberei, Spinnerei, Bleicherei, uvm. Die Fabrik war viele Jahre im Besitz der Familie Poznanski. Heute ist es das größte Einkaufszentrum Polens, die Fassaden sind noch so erhalten wie damals. Auf dem Gelände haben wir unsere Tour beendet.

15.09.2020 – Lodz – Chelmno – Oswiecim
Es heißt immer „Neuer Tag, neues Glück.“ Für uns begann der Tag leider nicht mit so viel Glück, unser Bus, mit dem wir weiterfahren wollten, ist leider nicht aufgetaucht. Wir mussten kurzer Hand umdisponieren, während unsere Referenten und Josef (ein Teilnehmer, der der polnischen Sprache mächtig ist – was hätten wir nur ohne ihn gemacht?), versucht haben einen Bus zu organisieren, sind wir mit den öffentlichen Verkehrsmitteln zum Bahnhof Radegast gefahren.

Zuerst wurde der Bahnhof zur Versorgung des Ghettos und zum Abtransport von Gütern, die im Ghetto hergestellt worden sind, genutzt. Ab 1941 wurden er auch zur Beförderung von Menschen zweckentfremdet.

Heute ist der ehemalige Bahnhof eine Holocaust-Gedenkstätte. Hier ist ein Denkmal in Form eines Krematoriums zu sehen mit der Inschrift „Du sollst nicht töten“. Zum Bahnhofsgelände führt ein 140 Meter langer „Tunnel der Deportierten“, wo an den Wänden die Transportlisten, der Menschen, die von hier aus deportiert worden sind, hängen. Im Bahnhof steht ein originaler Zug der Deutschen Reichsbahn mit drei Waggons, wovon einer zugänglich ist. Ganz am Ende des Geländes erinnern sechs große Grabsteine mit den Namen der Vernichtungslager an die Opfer des Holocausts.

Nachdem wir wieder zu unserem Gasthaus zurückgekehrt waren und wir kurzfristig noch einen Bus bekommen haben, fuhren wir weiter Richtung Chelmno nad Nerem (dt. Vernichtungslager Kulmhof an der Ner). Die Geschichte dieses Lagers ist besonders tragisch. Es war die erste Mordfabrik der Nazis. Hier probierten sie aus, wie sie die Menschen „am besten“ umbringen können. Sie starteten vor Ort mit dem Prototyp der Gaskammer, in Form von LKWs, deren Abgase sie ins Innere leiteten. Die Zahl der geschätzten Opfer, die hier ums Leben gekommen sind, beträgt ca. 200.000, darunter auch die Kinder- und Jugendlichen aus dem Ghetto Litzmannstadt. Nur drei der Leidtragenden konnten diesen schrecklichen Ort und den Zweiten Weltkrieg überleben. Da das Lager größtenteils zerstört wurde, konnte der Tathergang mithilfe ihrer Berichte rekonstruiert werden.

Die Leichen wurden ein paar Kilometer weiter in das „Waldlager“ gebracht, wo sich die Massengräber befinden, welche wir ebenfalls besichtigt haben. Heute erinnern auch hier vor Ort Gedenksteine, Monumente und Erinnerungstafeln an die Opfer des Holocausts.

Anschließend sind wir weiter mit dem Bus nach Oswiecim gereist.

16.09.2020 – Oswiecim
Am letzten Ort während unserer Reise in die Vergangenheit, widmeten wir uns zuerst dem Thema Euthanasieprogramm der Nazis. Wir analysierten Texte zu Aktion T4, um zu verstehen, dass in der NS Zeit zuerst mehr als 70.000 Menschen aus ihrem eigenen Volk mit geistigen, körperlichen und seelischen Behinderungen systematisch ermordet worden sind.

Anschließend machten wir uns auf den Weg zum Konzentrationslager Auschwitz, was das Bekannteste ist und als Symbol für den Holocaust steht. Hier hatten wir eine Touristenführerin, die uns durch das Stammlager Auschwitz I führte und uns detailreich erklärte, wie das Vorgehen und der Umgang mit den dort „Lebenden“ damals war. Deutlich war die gedrückte Stimmung innerhalb der Gruppe zu spüren. Es ist ein anderes Gefühl vor Ort zu sein, als Berichte und Bilder zu sehen oder Texte zu lesen.

 

17.09.2020 – Oswiecim
Im Aufbau auf den vorherigen Tag sind wir in das Konzentrationslager Auschwitz-Birkenau auch Auschwitz II genannt, gegangen. Das Wetter passte zu unserer Stimmung, der Himmel war grau und es nieselte. Hier nahm die Unmenschlichkeit der Nazis neue Gestalt an. Das Lager war 36-Mal größer als das Stammlager. An den Ruinen der Gaskammer wurde ein Denkmal mit Erinnerungstafeln in verschiedenen Sprachen errichtet. Unsere Reiseführerin verabschiedet uns mit den Worten, dass wir niemals gleichgültig werden sollen, damit so etwas nicht wieder passiert.

Anschließend sind wir noch zur „Alten Judenrampe“ spaziert und haben dort unsere Reise, mit einer Schweigeminute für alle Opfer des Holocausts, mental beendet – hier endet die Spur vieler Menschen.

Wir haben den Tag noch genutzt, um zu reflektieren, was das überhaupt mit uns heute zu tun hat und welche Beispiele es zu Rassismus in der heutigen Zeit gibt.

18.09.2020 – Abreise
Am letzten Tag haben wir die Woche zusammengefasst und darüber gesprochen, was wir mitnehmen für unsere Zukunft. Wir alle sind zu dem Schluss gekommen, nachdem wir uns so intensiv mit dieser Unmenschlichkeit befasst haben, dass es wichtig ist, sich mit der Geschichte auseinander zu setzen, sich daran zu erinnern und andere darauf aufmerksam zu machen, damit es nie wieder passiert. „Wer die Vergangenheit nicht kennt, ist dazu verurteilt, sie zu wiederholen.“ – George Santayana (1863 – 1953, Philosoph)