Mehr Mitbestimmung ist gut für Frauen, mehr Frauen sind gut für die Mitbestimmung! Zum zweiten Mal (nach 2023) richteten die EVG und die EVA eine Konferenz speziell für Interessenvertreterinnen aus. Drei Tag lang diskutierten rund 80 engagierte EVG-Kolleginnen, wie Frauen in ihrer Rolle als Interessenvertreterinnen bestärkt werden können und wie sie Mittel an die Hand bekommen, ihre Aufgaben entschlossen anzugehen.
Eine Übung, zu der die Moderatorin Manuela Rukavina gleich zu Anfang einlädt, offenbart gleich die ganze Crux. Alle Frauen sollen aufstehen, die Betriebsrätin sind. Da stehen viele auf. Dann sollen nur die stehen bleiben, die BR-Vorsitzende sind. Stehen bleibt - genau eine Kollegin. Schlussfolgerung für Manuela: „Wenn ich das nächste Mal eine Veranstaltung bei euch moderiere, möchte ich da aber ein anderes Bild sehen.“
Daran arbeiten wir. „Betriebsratsgremien sind immer noch männlich geprägt“, so hat die EVA-Geschäftsführerin Johanna Uekermann die Konferenz eingeleitet. „Es ist besser geworden, aber es geht noch was.“ Wie aber kann die Präsenz von Frauen in Mitbestimmungsgremien und ihre Einflussnahme erhöht werden? Dazu nahmen die Teilnehmerinnen nach den drei Leipziger Tagen, nach einem lebhaften Formate-Mix aus Workshops, Vorträgen und Podiumsdiskussionen fünf Fakten und Praxistipps mit nach Hause.
Erstens: Die Quote wirkt. Das arbeitete Johanna Wenckebach, Chefjustiziarin der IG Metall, heraus. Alle Zahlen zeigen: Quotenregelungen und klare Zielvorgaben haben die Repräsentanz von Frauen in Geschäftsführungen und Kontrollgremien erhöht. Aber: „Frauen sind immer noch unterrepräsentiert.“ Ein Grund dafür ist beispielsweise die immer noch ungleiche Verteilung von Teilzeitarbeit. „Wenn ein Kriterium bei der Verteilung von Mandaten die Arbeit in Vollzeit ist, sind die Hälfte der Frauen schon mal raus“, so Wenckebach. Denn der Anteil der Teilzeitbeschäftigten liegt bei 50 % - gegenüber 13 % bei Männern. In der Diskussion wies eine Teilnehmerin dann auch darauf hin, dass auch Führung aus Teilzeit mehr gefördert werden müsse.
Frauen sind immer noch unterrepräsentiert.
Johanna Wenckebach, Chefjustiziarin der IG Metall
Zweitens: Fortschritte sind kein Selbstläufer, sondern müssen verteidigt werden. Maxi Leuchters von der Hans-Böckler-Stiftung zeigte auf, dass deutsche Mitbestimmungsregelungen auch umgangen werden können, z.B. durch die Rechtsform der „Europäischen Aktiengesellschaft“ - und damit genauso das Führungspositionengesetz (FüPoG). Hinzu kommt: Derzeit erstarken wieder politische Parteien, die Frauen am Herd sehen möchten und nicht in Aufsichtsräten. „Wir müssen uns gegenseitig unterhaken, unsere Rechte verteidigen, laut werden.“
Wenn wir für Frauen etwas erreichen wollen, müssen wir vorangehen. Traut euch!
Sandra Borchert, Vorsitzende des Gesamtbetriebsrates der DB Fahrzeuginstandhaltung
Drittens: Dafür muss die Sichtbarkeit gesteigert werden. Die Vorständin Personal von DB Regio, Ulrike Haber-Schilling, berichtete aus ihrer Zeit als „junge Führungskraft, dass sie sich anfangs immer eher an den Rand gesetzt habe. Aber warum nicht mal gegen den Reflex handeln und sich in die Mitte des Raumes setzen, so wie Männer es selbstverständlich tun?“ Frauen dürften „keine Angst vor Konflikten haben“, ergänzte die stellvertretende EVG-Vorsitzende Cosima Ingenschay. „Auch wenn es unangenehm ist, kann man sich manchmal nur so Respekt verschaffen.“ Sandra Borchert, seit kurzem Vorsitzende des Gesamtbetriebsrates der DB Fahrzeuginstandhaltung, untermauerte das aus ihrer Erfahrung. „Natürlich war ich aufgeregt, als ich das erste Mal vor 400 Leuten auf einer Betriebsversammlung gesprochen habe. Aber wenn wir für Frauen etwas erreichen wollen, müssen wir vorangehen. Traut euch! Keine Angst vor der großen Bühne!“
Noch ein gutes halbes Jahr bis zu den nächsten Betriebsratswahlen. Wir sehen, dass Frauen, die kandidieren, gewählt werden. Und dann werden die Interessen aller zusammen vorangebracht.
Cosima Ingenschay, Stellvertretende EVG-Vorsitzende
Viertens: Generell brauchen wir mehr Frauen in den Unternehmen. Die Vorsitzende der EVG-Bundesfrauenleitung, Nadja Houy, wies auf ein grundsätzliches Problem hin: „Wir haben in unserer Branche nur 24 % Frauenanteil. Das heißt, wir müssen als Branche auch attraktiver werden.“ Z.B. durch attraktive Arbeitszeitmodelle und durch familienfreundliche Schichtsysteme. Und indem wir konsequent für mehr Sicherheit am Arbeitsplatz eintreten. Der Arbeitgeber, so Cosima, „hat dafür zu sorgen, dass die Beschäftigten in Sicherheit arbeiten können und auch der Weg zur Arbeit sicher ist.“
Wir haben in unserer Branche nur 24 % Frauenanteil. Das heißt, wir müssen als Branche auch attraktiver werden.
Nadja Houy, Vorsitzende der EVG-Bundesfrauenleitung
Fünftens, aber eigentlich fast das Wichtigste: Bildet Banden! „Strukturelle Probleme lösen wir nicht als Einzelkämpferinnen,“ betonte Johanna Wenckebach. „Wenn ich etwas durchsetzen will, muss ich meine Netzwerke aktivieren“, unterstrich Nadja Houy. „Und es hilft, wenn Männer als Fürsprecher auftreten. Klar muss sein: Von besserer Vereinbarkeit profitieren auch Männer.“ Netzwerke zu bilden wirkt in beide Richtungen. Frauen in Führungspositionen können andere Frauen fördern, umgekehrt aber auch als Vorbild wirken. „Wenn Frauen sehen, dass sie Karriere machen und auch Führungsposition einnehmen können, dann spornt das auch an und erleichtert manches.“ Frauen sollten aktiv angesprochen und für eine Mitarbeit in Gremien animiert werden. „Wir dürfen nicht nein sagen, wenn wir gefragt werden, ob wir ein Mandat übernehmen wollen“, so Nadjas klarer Appell. „Wir müssen uns dann einfach trauen. Wenn wir einmal Nein sagen, werden wir wahrscheinlich nie wieder gefragt.“