TV Arbeit 4.0 - Wir gestalten die Zukunft

In der Tarifrunde 2016 bei der DB AG haben wir nicht nur Einkommenserhöhungen und das völlig neuartige Wahlmodell vereinbart. Sondern auch - als erste Gewerkschaft überhaupt - einen Tarifvertrag, mit dem wir Spielregeln für den Umgang mit der Digitalisierung vereinbart haben: den Tarifvertrag „Arbeit 4.0 EVG 2016“

Arbeit 4.0 - was ist das eigentlich?

Digitalisierung ist an sich nichts ganz Neues. Aber: digitale elektronische Geräte sind heute so leistungsfähig geworden, ihre Weiterentwicklung verläuft so schnell, dass viele bereits von der „vierten industrielle Revolution“ sprechen (deswegen 4.0). Die Digitalisierung verändert die Arbeitswelt einschneidend. Darauf reagieren wir mit unserem völlig neuartigen Tarifvertrag. Indem wir die Digitalisierung gestalten.

Der Tarifvertrag „Arbeit 4.0 EVG 2016“

Er enthält materielle und qualitative Regelungen. Das bedeutet: Wir wollen Arbeitsbedingungen gut gestalten. So wird die Bezahlung der Rufbereitschaft erstmals konzernweit einheitlich geregelt. Genauso wichtig sind aber die qualitativen Regelungen. Im Tarifvertrag sind Verfahrensregeln vereinbart worden, wie die Betriebsparteien - also örtlicher Arbeitgeber und örtlicher Betriebsrat - vorgehen sollen, wenn sich Arbeitsprozesse, Arbeitsplätze oder Berufsbilder durch die Digitalisierung verändern.

Handlungsmöglichkeiten für Betriebsräte

Wenn in einem Betrieb digitale Innovationen anstehen, sollen Arbeitgeber und Betriebsrat nach einem bestimmten Muster vorgehen:

  • Der Arbeitgeber informiert frühzeitig und zeigt auf, welche möglichen Auswirkungen eine geplante Innovation hat.
  • Arbeitgeber und Betriebsrat legen gemeinsame Kriterien fest, nach denen sie die Auswirkungen bewerten (personell, wirtschaftlich, strukturell, arbeitsschutztechnisch).
  • Sie vereinbaren eine gemeinsame Prozessgestaltung.
  • Bei Pilotprojekten findet eine Evaluierung statt.
  • Auf dieser Basis wird entschieden, ob Regeln zum Umgang mit den Folgen der digitalen Innovation vereinbart werden - und ggf. welche.

Betriebsräte haben aber noch mehr Möglichkeiten. Denn durch die Digitalisierung verändern sich auch Berufsbilder. Einzelne Tätigkeitsmerkmale fallen weg (weil sie digital „automatisch“ erledigt werden), dafür kommen neue Aufgaben hinzu - und der Umgang mit neuen Techniken erfordert ggf. auch neue Qualifikationen. Auf Basis unseres Tarifvertrages können die Betriebsräte dann mit den Arbeitgebern aushandeln, inwiefern das zu neuen (höheren) Eingruppierungen führen muss. Besteht darüber Einvernehmen, wenden sie sich an die Tarifvertragsparteien, die das dann in den folgenden Tarifverhandlungen aufgreifen.

Eine dritte Möglichkeit zum Eingreifen haben die Betriebsräte mit Blick auf die Beschäftigungsfähigkeit der Kolleginnen und Kollegen.

Mobile Arbeit

Ein Top-Thema im Tarifvertrag Arbeit 4.0. Viele Kolleginnen und Kollegen haben schon heute die technische Möglichkeit, ihre Arbeit von zu Hause zu erledigen – oder an anderen Plätzen. Für viele ist das auch eine Chance, Familie und Beruf besser miteinander zu vereinbaren. Zum Teil wird der Trend zur mobilen Arbeit aber auch von den Arbeitgebern vorangetrieben. Z.B. werden Tätigkeiten arbeitgeberseitig gar nicht mehr an einem konkreten räumlichen Arbeitsplatz gebunden (Beispiel mobile Instandhaltung).

Es gibt also drei Formen mobiler Arbeit:

  • Alternierende Telearbeit: Die Arbeit wird freiwillig teilweise im häuslichen Bereich erbracht.
  • Mobile Telearbeit: Die Arbeitsleistung wird freiwillig an wechselnden Örtlichkeiten erbracht, wobei die betriebliche Arbeitsstätte den Schwerpunkt bildet
  • betriebsdisponierte mobile Tätigkeiten: die Arbeitsleistung wird ganz oder teilweise an wechselnden Örtlichkeiten erbracht, die durch den Betrieb vorgegeben sind.

Die EVG hat mit ihrem Tarifvertrag dafür nun einen einheitlichen Rahmen geschaffen. So gelten für die ersten beiden Formen folgende Grundsätze:

  • Alle Beschäftigten, die wollen, haben das Recht auf mobile bzw. alternierende Telearbeit Einschränkungen des Rechts gibt es nur in speziellen Fällen
  • Die Teilnahme ist freiwillig, dem Arbeitnehmer dürfen keine beruflichen Nachteile entstehen.
  • Mobile Endgeräte stellt der Arbeitgeber zur Verfügung.
  • Die Beschäftigten müssen dafür sorgen, dass ihre selbstgewählte Arbeitsstätte (zu Hause) geeignet ist, um dort die Arbeitsleistung zu erbringen. Der Arbeitgeber kann bei alternierender Telearbeit dies in einer Begehung prüfen; in diesem Fall kann der Arbeitnehmer auf einer Teilnahme des Betriebsrats bestehen. Datenschutz und Vertraulichkeit müssen garantiert sein.

Rufbereitschaft

Immer öfter können Einsätze innerhalb der Rufbereitschaft vom heimischen PC bzw. Notebook aus erledigt werden. Deswegen passt das Thema sehr gut in den Tarifvertrag Arbeit 4.0. Es gibt damit jetzt erstmals eine konzernweit einheitliche Regelung der Leistungsentgelte zum Rufbereitschaftseinsatz (LRE). Wo es Rufbereitschaft gibt, wird die Berechnung seit dem 1. April 2017 einheitlich geregelt, wo sie eingeführt wird, gelten diese Grundsätze ebenfalls.

Es gibt demnach künftig drei Leistungsentgelte:

LRE 1: 4-FACHER STUNDENSATZ:

  • Erster Einsatz innerhalb eines Rufbereitschaftszeitraums
  • Der Einsatz steht nicht im unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang mit einer vorausgehend geleisteten Schicht

LRE 2: 2,5-FACHER STUNDENSATZ:

  • Jede weitere Inanspruchnahme innerhalb desselben Rufbereitschaftszeitraums
  • erneute Anfahrt vom Wohn- oder Aufenthaltsort zu einem auswärtigen Einsatzort erforderlich

LRE 3: 1,5-FACHER STUNDENSATZ:

  • der Einsatz während der Rufbereitschaft (Fernbereitschaft/Second Level Bereitschaft) besteht ausschließlich darin, dass der Arbeitnehmer Arbeitsaufträge oder Nachfragen am selbst gewählten Aufenthaltsort erledigt

Beschäftigungsfähigkeit

Das Thema hat mehrere Aspekte. Beschäftigte müssen gesundheitlich in der Lage sein, veränderte Arbeitsbedingungen oder den Wechsel des Arbeitsplatzes zu verkraften - körperlich und psychisch. Und sie müssen sich ggf. neue Qualifikationen aneignen.

Im Tarifvertrag Arbeit 4.0 ist ausdrücklich vereinbart, dass vor allem psychische Belastungen durch digitale Veränderungen vermieden werden sollen. Das Instrument der psychischen Gefährdungsbeurteilung, das bisher noch zu wenig Beachtung findet, wird dadurch gestärkt.

Und: Die Betriebsräte können mit dem Arbeitgeber zusätzliche Budgets vereinbaren. Denn digitale Veränderungen führen auch zu Produktivitätsgewinnen - zu denen natürlich die Beschäftigten beitragen. Dann müssen sie aus Sicht der EVG davon auch profitieren. Betriebsrat und Arbeitgeber können daher Budgets vereinbaren, aus denen Gesundheits- bzw. Bildungsmaßnahmen finanziert werden, um die Beschäftigten für die Veränderungen „fit“ zu halten. Sie legen die Höhe fest und die Maßnahmen, die damit finanziert werden.

Fazit
Der Tarifvertrag „Arbeit 4.0 EVG 2016“ ist eine runde Sache. Als erste Gewerkschaft in Deutschland gestalten wir damit Spielregeln für die Arbeitswelt der Zukunft. Der Fortschritt ist nicht aufzuhalten. Aber er kann gestaltet werden. Und das tun wir.