Arbeitsgruppenkonferenz Arbeit 4.0 - Zwischenbilanz zur zunehmenden Digitalisierung der Arbeit

Die EVG ist Schrittmacher und treibt die Themen voran, die für unsere Mitglieder von Bedeutung sein werden. Mit dem Tarifvertrag „Arbeit 4.0“ konnten wir im Bereich der DB AG Regeln und Vereinbarungen festschreiben, die den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern Chancen und Weiterentwicklungsmöglichkeiten bieten, wenn der digitale Wandel auch ihren Arbeitsplatz erreicht. Derart weitreichende Vereinbarungen hat bisher noch keine Gewerkschaft getroffen.

Auf der „Arbeitsgruppenkonferenz Arbeit 4.0“ wurde jetzt Zwischenbilanz gezogen, wie unterschiedlich die zunehmende Digitalisierung die Arbeit zu verändern mag. Zugleich wurden Strategien entwickelt, wie den aktuellen Herausforderungen begegnet werden kann. Zur Vorbereitung hatten sich Vertreterinnen und Vertreter der Tarifkommissionen, Betriebsräte sowie Arbeitgebervertreter in Arbeitsgruppen zusammengefunden und in den vergangenen Monaten mehrfach „ihr“ Thema erörtert. Die Ergebnisse wurden nun in Frankfurt präsentiert.  

Einig waren sich alle, dass die Einführung digitaler Technik keine Angst machen darf. Einig waren sich alle aber auch, dass digitale Technik häufig zumindest Unbehagen auslöst - und das in ganz unterschiedlichen Arbeitsfeldern. So tragen Beschäftigte bei den Fahrwegdiensten oder Regio mittlerweile bis zu vier unterschiedliche mobile Endgeräte mit sich, um - je nach Arbeitsauftrag und Befähigung - unterschiedlichen Sicherheitsstandards gerecht werden zu können. Im Cargo-Bereich müssen die Kolleginnen und Kollegen bis zu 30 verschiedene Software-Tools beherrschen, mit 30 unterschiedlichen Passwörtern, die unterschiedlich lange gelten, wobei jede Software für sich immer wieder mal Probleme macht.

Es darf nicht sein, dass die immer komplexere Technik, die ja eigentlich Erleichterung schaffen soll, zu psychischen Problemen führt, weil so mancher, der morgens sein Tablet einschaltet, jeden Tag aufs neue Angst davor hat, dass ihn die aufgespielte Software erst einmal vor scheinbar unlösbare Probleme stellt. Diese Auffassung wurde auf der Arbeitsgruppenkonferenz Arbeit 4.0 immer wieder geäußert. Klar war aber auch, dass die Umsetzung nicht einfach ist.

Digitalisierung in allen Bereichen des Arbeitslebens!

Denn die Digitalisierung erfasst zwischenzeitlich so gut wie alle Bereiche. „Geputzt wird sicher noch lange Zeit von Hand, unser Aufträge aber bekommen wir mittlerweile immer öfter per App“, machte ein Kollege von DB Service deutlich. Bei 87 Nationen und 64 Sprachen sei eine bildhafte Darstellung statt einer in Deutsch gehaltenen Anweisung der richtige Weg, hieß es.  

Und genau das ist es, was auf der Konferenz deutlich wurde: Digitalisierung muss den Beschäftigten nützen. Etwa, wenn sich der Sitzplatz eines Triebfahrzeugführers die individuellen Einstellungen „merkt“, die per Chip abrufbar sind oder weil Fachwissen vermittelt wird. Kein großer Aufwand, eigentlich ...

„Wenn Technik bewegt wird, muss das Thema Organisation und Mensch mitbewegt werden.“

Regina Rusch-Ziemba, Stellvertretende EVG-Vorsitzende

Gesundheitsschutz und Erhalt der Beschäftigungsfähigkeit, Unfallvermeidung, und Datenschutz, vor allem aber die Förderung der digitalen Kompetenz waren Themen, die in Frankfurt immer wieder erörtert wurden. Dr. Susanne Umbach von der Universität Hamburg erläuterte in diesem Zusammenhang ein Modellprojekt zur „Kompetenzverschiebungen und Kompetenzentwicklung im Digitalisierungsprozess“. Mit Hilfe von Interviews mit Beschäftigten in unterschiedlichen Unternehmen war untersucht worden, wie sich Arbeit verändert und welche Folgen das für die Entwicklungsmöglichkeiten in der Arbeit hat.  

Kompetenzen entwickeln - Arbeitnehmer schützen

Am Ende stand die These, dass sich Kompetenzen im Prozess der Arbeit entwickeln und dass dieser Prozess unterstützt werden kann. Kompetenz ist nicht einfach da,  Lernprozesse und Gestaltungsmöglichkeiten bei der Arbeit sind  nötig, um sie zu Tage zu fördern. Dazu bedarf es einer umsichtigen Personalentwicklung, die auf die Beschäftigten zugeht und so herausfinden kann, was aus der Perspektive der Beschäftigten beispielsweise an Weiterbildung, aber auch in Bezug auf die Arbeitsplatzgestaltung nötig ist, um die vom Arbeitgeber übertragenen Aufgaben zu erfüllen. Das sei auch eine Form von Wertschätzung, die man als Mitarbeiterin und Mitarbeiter durchaus erwarten könne, stellte Susanne Umbach fest. Zumal diese Form der Anerkennung einen Beitrag dazu leisten könne, dass Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ihre Arbeit als sinnvoll erleben und Lern- und Veränderungsprozesse mittragen.  

Doch auch persönlich könne und sollte jeder Einzelne deutlich machen, was ihm an Kompetenzen wichtig ist und wo Förderung wünschenswert wäre. „Dazu müssen alle Beteiligten miteinander reden, das ist der erste wichtige Schritt“, stellte Dr. Susanne Umbach fest.   

Die EVG hat mit den Arbeitsgruppenkonferenzen, die auch im TV Arbeit 4.0 der EVG festgelegt worden sind, ein Forum geschaffen, um das Thema Digitalisierung weiter zu durchleuchten - mit dem Ziel, gute Arbeitsbedingungen für die Beschäftigten zu finden. Für die stellvertretende Vorsitzende der EVG, Regina Rusch-Ziemba, die dieses Thema treibt, ist denn auch klar: „Wenn Technik bewegt wird, muss das Thema Organisation und Mensch mitbewegt werden“. Das wurde von allen Anwesenden begrüßt.

Regionale Workshops: „Kolleginnen und Kollegen werden nicht genügend vorbereitet“

Bereits zuvor haben Kolleginnen und Kollegen der Betriebsgruppenvorstände auf insgesamt fünf regionalen Workshops die Tarifverträge Arbeit 4.0 und zur Demografie evaluiert. Deutlich wurde, dass der Stand der Digitalisierung in den einzelnen Betrieben noch recht unterschiedlich ausgeprägt ist. Es wurde aber auch klar, dass die EVG bei der Gestaltung digitaler Arbeitsbedingungen eine aktive Vorreiterrolle eingenommen hat.

In Berlin, Frankfurt, Düsseldorf, Hamburg und Nürnberg berichteten die für die Tarifpolitik zuständigen Kolleginnen und Kollegen vor allem über die konkreten Auswirkungen der Digitalisierung auf die Arbeitsbedingungen. Im Mittelpunkt standen die Fragen nach der Bedeutung der Digitalisierung für die jeweiligen Tätigkeitsbereiche, verbunden mit einem Ausblick, wie es voraussichtlich in 10 Jahren aussehen werde. Es wurde aber auch der Frage nachgegangen, was die Arbeitgeber unternehmen, um die Beschäftigten auf diese Zukunft vorzubereiten.

Bei der DB Kommunikationstechnik gebe es eine rasante technische Weiterentwicklung, stellte ein Teilnehmer fest – zum Beispiel bei der Messtechnik. Gleichzeitig  wurde aber bemängelt, dass die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nicht genügend darauf vorbereitet würden.

Der Vertreter vom Inselverkehr Sylt berichtete, dass beispielsweise die Arbeitsanweisungen über ein Tablet erteilt würden, was aber für die Mitarbeiter eher zu Stress-Situationen als zur Entlastung führe. Insgesamt würden auch hier die Mitarbeiter nicht genügend auf die digitale Zukunft vorbereitet.

Eine andere Wahrnehmung hatte der Kollege von DB Cargo Hamburg. Dort werde der Einsatz von Tablets als Entlastung empfunden, da alle Informationen immer zur Hand seien und dadurch jederzeit eine umfassende Information möglich wäre. Aber: „Papierloser Verkehr ist zurzeit noch kein Thema - Lokführer bekommen immer noch einen Stapel Papier in die Hand gedrückt“, betonte der Teilnehmer.

In dem Unternehmen gebe es durchaus Bestrebungen, Aufträge auf rein digitaler Basis abzubilden, dies würde von vielen Kunden aber nicht gewollt, ergänzte der Kollege. Einen Arbeitsplatzabbau durch Digitalisierung befürchte er allerdings nicht, da der demografische Wandel für ständigen Fachkräftebedarf sorge.

Bei der DB Sicherheit nimmt die Digitalisierung bereits jetzt eine sehr hohe Bedeutung ein. Es würden viele Dinge über das Smartphone gemacht und auch Drohnen zur Überwachung eingesetzt, hieß es. Hier gebe es die klare Prognose, dass die Digitalisierung im Bereich Sicherheit weiter zunehmen wird.

Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass die EVG mit ihren Tarifverträgen zum Thema Digitalisierung und Demografie auf einem guten Weg ist. Im Mittelpunkt der Vereinbarungen steht dabei immer, dass die Qualität der Arbeit selbst das Ziel der tarifpolitischen Gestaltung ist. Dadurch übernimmt unsere Tarifpolitik auch ein Stück weit die sozialpolitische Gestaltung der Gesellschaft. Zahlreiche andere Gewerkschaften haben bereits nach den Inhalten unseres Tarifvertrages Arbeit 4.0 gefragt und wollen künftig selbst solche Verträge abschließen.