36 Grad und es wird immer heißer…

Deutschland ist zweigeteilt: die einen jubeln über einen Jahrhundertsommer, die anderen ächzen unter der Rekordhitze. Mediziner geben Tipps,  wie man gut durch den Arbeitstag kommt. Doch die sind meist auf Bürotätigkeiten bezogen. Wie arbeitet es sich im Freien in diesen Hundstagen, zum Beispiel bei der Eisenbahn?

Interview mit Daniel Gudiland, Wagenmeister, DB Cargo Hannover

„Ab und zu mit einem feuchten Tuch über den Nacken“

Daniel, wie ist das Wetter auf dem Rangierbahnhof in Hannover-Seelze?Es ist sehr heiß. Wir haben jetzt schon 35, 36 Grad, bei praller Sonne.

Wie ist es, bei diesen Temperaturen zu arbeiten? 
Es ist sehr schwer. Wir bekommen zum Glück Wasser zur Verfügung gestellt. Privat nimmt man sich auch noch was mit. Viel trinken ist wichtig. Und man lässt es ein bisschen langsamer angehen.

Du bist Wagenmeister, was konkret ist dein Job?

Ich mache die wagentechnische Untersuchung an Güterwagen. Heißt, ich kontrolliere sie auf mögliche Schäden. Wenn ich Schäden finde, bezettele ich sie, nach Schadcodes, damit sie in der Werkstatt bearbeitet werden können.

Die Wagen strahlen zusätzlich Hitze ab…
Ja, zwischen den Zügen ist es meist noch ein bisschen wärmer.

Du gehst jetzt in die Nachmittagsschicht. Manch anderer macht früher Feierabend, aber die Möglichkeit habt ihr nicht…

Die Arbeitszeiten sind eben auf die Züge bezogen, da kann man nichts machen. Aber derzeit ist die Auslastung nicht so hoch, durch die Ferienzeit, da kann man sich auch mal ein bisschen mehr Zeit lassen zwischen den Zügen. Und ein Vorteil ist auch, man hat auch mal wieder Nachtdienst und da ist es dann ja nicht so heiß, so wechselt sich das ab.

Gibt es noch Individuelle Strategien, wie man durch die Hitze kommt?
Wir haben hier noch einen Lüfter aufgestellt. Und ab und zu geht man sich mit einem feuchten Tuch über den Nacken, das hilft dann schon.

Sehnst du das Ende der Hitzewelle herbei?
Ach, privat finde ich es ganz gut. Und auf der Arbeit muss man das eben so hinnehmen. Man hat ja auch das andere Extrem: Im Winter bei minus zehn Grad zu arbeiten, ist auch nicht angenehm. Aber ich mache diese Arbeit jetzt seit 20 Jahren, ich bin das gewöhnt. 

Interview mit Christian Bonner, Betriebsrat DB Cargo AG

Christian Bonner, Betriebsrat DB Cargo AG in Saarbrücken

Christian, Arbeiten auf dem Rangierbahnhof - das ist bei 30 Grad kein Spaß, oder?

Ganz sicher nicht. Vor allem nicht für die Kollegen auf der Rangierlok. Die Kollegen, die draußen arbeiten, haben schon die erhöhte Hitze, aber in der Rangierlok selbst ist es noch heißer. Überhaupt kein Spaß ist die Arbeit derzeit auch in  der Werkstatt. Die Kollegen dort müssen ja auch die Schutzanzüge tragen, weil sie ja z.B. auch schweißen. Dadurch ist die Belastung noch größer.

Hitzefrei gibt es ja vermutlich nicht…

Das nicht, aber man kann fast sagen: zum Glück haben wir durch die Ferienzeit auch Ausfälle auf Kundenseite, das heißt es werden weniger Leistungen abgefragt. So dass wir nicht alle Schichten voll besetzen müssen. Das ändert aber nichts daran, dass die, die da sind, genauso durchziehen wie sonst auch.

„Wie beim Fußball: regelmäßige Trinkpausen“

Christian Bonner, Betriebsrat DB Cargo AG in Saarbrücken

Was kann man tun, um diese Belastung auszuhalten?

Also wichtig ist, dass die Leute wassertechnisch gut versorgt sind. Es gibt Mineralwasser, es gibt Wasserspender. Dafür sorgt der Arbeitgeber. Und wir Betriebsräte achten darauf, dass die Kollegen das auch nutzen. Und dass sie regelmäßig Hitzepausen nehmen, also immer mal wieder für zehn Minuten rein gehen. Manche Leute  muss man leider Gottes durch ihren Übereifer  auch vor sich selbst schützen. Am wichtigsten ist, wie gesagt: regelmäßig trinken. Genau wie beim Fußball: Da gibt es auch regelmäßige Trinkpausen.

Interview mit Paul Müller, Fahrbahnmechaniker bei der DB Netz AG

Paul Müller, Fahrbahnmechaniker bei der DB Netz AG, PD Köln

Paul, wie arbeitet es sich im Gleis bei 30 Grad und mehr?

Also um das Mindeste zu sagen: Wir mögen diese Hitze nicht. Über 25 Grad wird es unangenehm, aber sich bei 30 Grad und mehr im Gleisbereich zu bewegen und zu arbeiten, das schmerzt schon. Es ist ja  nicht nur die Lufttemperatur. Der Schotter speichert Hitze, die Schienen speichern Hitze. Ein Kollege hat neulich ein Foto gepostet mit einem Thermometer direkt über dem Gleis: Es hat 60 Grad angezeigt. Das ist, als ob man in einer Hitzewolke steht. Und wenn man mehrere Kilometer zurücklegen muss, da fällt jeder Schritt schwer.

Und das in Arbeitsbekleidung…

Eigentlich müssen wir den kompletten Anzug tragen. Derzeit können wir die Jacke weglassen, aber die Weste muss getragen werden. Kurze Hosen sind aus Arbeitsschutzgründen eigentlich nicht gerne gesehen, manche Kollegen tragen sie aber trotzdem.

Welche Konsequenzen hat denn die Hitze für eure Arbeit?

Bestimmte Arbeiten sind bei diesen Temperaturen nicht mehr erlaubt. Wir dürfen z.B. keine Schienen heben oder Schienenverspannungen lösen, außer wenn es absolut notwendig ist. Gleise auswechseln, Austausch von Weichengroßteilen, Stopfarbeiten: derzeit nicht möglich. Das heißt aber auch: Es wird dann eng mit den Fristen, die wir ja eigentlich einhalten müssen.

„Als ob du in einer Hitzewolke stehst“

Paul Müller, Fahrbahnmechaniker bei der DB Netz AG, PD Köln

Und für die Arbeitsorganisation? 

Für die kommenden zwei Woche ist die Kernarbeitszeit aufgehoben, das heißt, wir können, wenn wir wollen, um 5 Uhr anfangen und entsprechend früher Feierabend machen. Das geht natürlich bei Entstörungen nicht so ohne weiteres, da muss man ja jederzeit erreichbar sein. Eventuell muss man dann sogar wieder zurück aus dem Feierabend, da hat man dann die Arschkarte gezogen. Aber ich kann mich über den Arbeitgeber nicht beschweren, wir sind da derzeit so flexibel wie möglich. Wir bekommen auch jeder eine Gutscheinkarte über 30 Euro, dafür können wir im Supermarkt Wasser kaufen. Und der Arbeitgeber spendiert Sonnencreme. Mit Lichtschutzfaktor 50! Arme, Gesicht, Nacken  müssen geschützt  werden, sonst verbrennst du dich bei dem Wetter schneller als du gucken kannst.

Und gibt es individuelle Strategien, wie man mit der Hitze umgeht?

Man muss versuchen, drunter durch zu kommen. Viel trinken, sich möglichst viel im Schatten aufhalten. Geht aber bei der Entstörung natürlich auch nicht immer.

Interview mit Gerd Simon, DB Netz AG - Instandhaltung

DB AG / Martin Busbach

Gerd, wo erwischen wir dich gerade?

Wir sind hier in der Nähe von Burgdorf bei Hannover. Zwischen Lehrte und Burgdorf werden die Gleise erneuert und wir sind jetzt gerade dabei, das Gleis wieder aufzurüsten, also die Gleisschaltmittel wieder einzubauen, Indusi und alles. Der Streckenabschnitt soll in der Nacht von Sonntag auf Montag wieder in Betrieb genommen werden und das heißt, wir können uns hier nicht mal eben in den Schatten setzen.

Heißt, ihr müsst durchziehen…

Das Problem ist, dass die Kollegen bei der Hitze nicht schweißen können, weil sie die Spannung nicht hinbekommen. Also hängen wir mit unserer Signaltechnik immer hinterher.

Wie geht ihr denn mit der Hitze um?

Wir haben über unseren Betriebsrat geregelt, dass wir freiwillig eine Stunde früher anfangen und entsprechend früher Feierabend machen können. So dass wir im Feierabend sind, wenn die Hitze am Nachmittag ihren Höhepunkt erreicht. Und natürlich muss man viel trinken. Da wir von unserer Dienststelle immer eine ganze Ecke weg sind, machen wir das so, dass ich losfahre und für alle  Wasser hole. Die Rechnung reiche ich beim Dispo ein und bekomme das Geld zurück, das ist gar kein Thema.  

„Immer darauf achten, dass der Kopf bedeckt ist.“

Gerd Simon, DB Netz
DB AG / Volker Emersleben

Und wie erlebst du persönlich diese heißen Tage?

Man schwitzt schon und bemüht sich schon, sich mal ein bisschen langsamer zu bewegen. Natürlich viel trinken. Und sonst muss man drauf achten, dass der Kopf bedeckt ist, damit man keinen Sonnenbrand auf der Platte bekommt.

Du wirkst recht entspannt…

Es wäre schon schön, wenn es mal wieder einen Regenschauer gäbe. Aber man kann es ja nicht ändern. Wer im Straßenbau arbeitet und Teer kocht, hat es noch heißer. Ich selbst arbeite jetzt seit 47 Jahren bei der Bahn. Wir hatten auch früher schon heiße Sommer. Und voriges Jahr im Herbst hat es wochenlang geregnet, inklusive Hochwasser im Harz. Da blieb uns auch  nichts anderes übrig, als im Regen zu arbeiten.