Beim Wasser hört die Digitalisierung auf

Eigentlich müssen wir uns in Deutschland kaum Gedanken über den Wert des Wassers machen. Wer es zum Trinken, Waschen oder Kochen benötigt, dreht jederzeit den Wasserhahn auf. Doch das ist nicht überall auf der Welt so. In Stellwerken der Deutschen Bahn zum Beispiel kann es schon mal schwierig werden.

Es geht um das Stellwerk B2 in Oberröblingen, im Süden von Sachsen-Anhalt, kurz vor Sangerhausen. Rund um die Uhr besetzt von 5,5 Beschäftigten. Ihnen wurde seit Monaten die Erkenntnis abverlangt, im Wasser ein wertvolles Luxusgut zu sehen. Seit März mussten sie ihr Trink-, Wasch- und Spülwasser aus Flaschen beziehen. Jetzt, im August, entspannt sich die Situation endlich. Dem vorangegangen waren viele Stunden Schriftverkehr, Telefonate und Recherchen nötig. Dem Einsatz der zuständigen Bezirksleiter war es zu verdanken, dass die Fahrdienstleiter nicht „auf dem Trockenen saßen“. Sie hatte sich im wahrsten Sinne zum „Wasserträger“ verdingt, um den Beschäftigten die Lage etwas zu erleichtern.

Grund für die vorsintflutlichen Zustände war eine bis dahin defekte Leitung des örtlichen Wasserversorgers, an der auch das STW hängt. Eigentlich kein Problem. Aber: Die Leitung verläuft unter einem Gebäude, welches die Deutschen Bahn verkauft hatte. Seitdem steht es leer steht und der Eigentümer ist unauffindbar. Folge: Alle Versuche von DB Netz, Reparaturansprüche beim Trinkwasseranbieter anzumelden, liefen ins Leere.

Bleibt DB Netz in dieser Situation lange Zeit machtlos, ergeben sich die Kolleginnen und Kollegen keineswegs ihrer bedauernswerten Lage. Sie kümmern sich weiter zuverlässig darum, dass der Verkehr fließt; Züge nach Fahrplan rollen, Signale und Weichen rechtzeitig gestellt werden.   

Eisenbahnromantik in einem alten Stellwerk? Die Fahrdienstleiter als Lotsen der Schiene? Jedes Kind, dass die Kollegen in Oberröblingen nach der Bestätigung dieser Träume fragt, würde in diesen Wochen eine zerstörerische Antwort bekommen. „Die Situation ist unhaltbar und sozial in allerhöchstem Maße unerträglich“, gibt der zuständige EVG-Betriebsrat Christian Bormann die Stimmung der Fahrdienstleiter wieder.

„Bis vor kurzem wurde noch Regenwasser vom geteerten Dach aufgefangen, um Spülwasser für die Toilette zu haben“, so Bormann. In diesem fast regenfreien Sommer müssen jetzt jedes Mal 10 Flaschen Mineralwasser dafür herhalten. „Was für ein Fortschritt“, lässt sich Manfred Haberland,  einer der betroffenen Mitarbeiter, sarkastisch aus. Bevor er im Juli seinen Urlaub angetreten hatte, war er voller Hoffnung. „Angeblich tut sich da was. Dank der Betriebsräte“

Die Geschichte des trockengelegten Stellwerks haben die Interessenvertreter bis in die Vorstandsetage der DB getrieben. Für Haberland wieder Grund, auf seine Gewerkschaft stolz zu sein. „Die legt den Finger in die offene Wunde, wo es angebracht ist“ – „Wie damals in Mainz“, schiebt er nach. Einen ähnlichen Effekt wünscht sich Manfred jetzt für sein Stellwerk und andere Objekte, von denen er weiß, dass dort ähnlich ominöse Zustände herrschen. „Wir sind nur die Spitze des Eisberges“, so Haberland.

Sein Betriebsrat Christian Bormann ist stinksauer. „Es werden enorme Summen für die Digitalisierung investiert“. Aber fließendes Wasser aus der Leitung sei manchmal wichtiger als ein Tablet in der Hand. Schuld an solchen Zuständen wie in B2 gibt Bormann den teils ohne Rücksicht auf die Folgen durchgezogenen Immobilienverkäufen durch die Deutsche Bahn.

Wir als EVG sagen, Wertschätzung für die Mitarbeiter zeigt sich über gute und faire Arbeitsbedingungen. Wer Top-Arbeitgeber werden will, muss jeden einzelnen Beschäftigten wahr und ernst nehmen. Wer 100 Prozent Leistung einfordert, muss auch selbst 100 Prozent investieren. Unsere Gewerkschaft fordert von der Deutschen Bahn, alles dafür zu tun, dass die Arbeitsbedingungen für alle Beschäftigten optimal gestaltet sind. Die Situation in Oberröblingen muss schnellstens abgestellt werden. Ohne Wenn und Aber!