Die EVG ist die kompetente Gewerkschaft für alle Arbeitnehmer und Beamte im Verkehrsbereich.
In fast allen Konzernunternehmen stellt die Deutsche Bahn derzeit zahlreiche neue Kolleginnen und Kollegen ein. Wir haben drei von ihnen getroffen.
Um den Tag zu beschreiben, an dem er zum ersten Mal allein als Kundenbetreuer unterwegs war, reicht Sven Suft genau ein Wort: „Genial.“ Auch wenn der Tag in Form einer Türstörung gleich eine Herausforderung bereithielt. „Ich war froh, dass ich meine Ausbildung hinter mir hatte, dass ich wieder arbeiten konnte. Es war einfach schön.“
Auch für Sevda Göztepe hielt der erste Tag im neuen Beruf eine Überraschung parat: In und um Nürnberg waren alle Fahrkartenautomaten ausgefallen. „Meine Kollegin und ich sagten dann schon: Das haben sie extra gemacht, um uns noch mal zu prüfen“, lacht sie. „Wir standen dann an den Türen und haben Tickets verkauft.“
Sevda und Sven sind zwei von rund 24.000 neuen Kolleginnen und Kollegen, die im vergangenen Jahr als so genannte Quereinsteiger neu zur Deutschen Bahn gekommen sind. Sevda hat in einem Modegeschäft gearbeitet, Sven auf dem Nürnberger Flughafen und als Busfahrer. Beiden gemeinsam ist, dass sie nach einer beruflichen Neuorientierung suchten, sich relativ spontan entschlossen, sich bei der Deutschen Bahn zu bewerben – und schnell eine Zusage bekamen.
Auch Anne Karges ist eine von den 24.000. „Es fängt eine neue Lebensphase an, die Kinder sind aus dem Gröbsten raus. Beruflich ist es zwar gut gelaufen, aber ich wusste, dass das nicht bis zum Rentenalter trägt“, beschreibt sie ihre damalige Situation. Auch Anne kommt aus dem Verkaufsgeschäft; hat in einem Möbelgeschäft gelernt, in einem Haushaltswarengeschäft gearbeitet. „Aber heute kaufen immer mehr Menschen per Mausklick ein, diese Art von Geschäft wird immer schwieriger.“ Da kam ihr zupass, dass sie Ingbert Hautsch kannte, Betriebsrat bei DB Regio Franken. Der sagte halb im Scherz zu ihr, sie möge doch zur Bahn kommen, dort würden Lokführer gesucht. Und staunte nicht schlecht, als Anne ein halbes Jahr später tatsächlich ihre Bewerbung bei DB Regio abgab. „Technik hat mich schon immer interessiert, meine frühere Chefin hat schon immer gesagt, ich sei die technisch Versierteste im Laden.“ Auch wenn Lokfahren dann doch wieder eine andere Qualität hat und sie von vorne anfangen musste: „Es war richtig, ich bereue diesen Schritt nicht."
Betriebsrat Ingbert Hautsch sieht zwei Seiten der Quereinsteiger-Medaille. „Einerseits ist es gut, dass wir auf diese Weise relativ schnell viel neues Personal bekommen. Andererseits darf der DB-Konzern auch nicht darauf verzichten, mehr Leute zu EiB, also Eisenbahnern im Betriebsdienst, auszubilden. Da muss man auf das richtige Verhältnis achten.“ Letztendlich, sagt Ingbert, werden mit der Rekrutierung von Quereinsteigern heute die Versäumnisse von Jahrzehnten aufgearbeitet: „Man hat den Konzern jahrelang kaputtgespart, Personal abgebaut, Leute in den Ruhestand geschickt. Das rächt sich heute.“ Positiv wertet er, „dass da Menschen zu uns kommen, die eine gewisse Lebenserfahrung haben, die eine Ausbildung und berufliche Erfahrung mitbringen und die schon mal etwas anderes kennengelernt haben.“
Ein Eindruck, den Sven Suft aus seiner Perspektive bestätigt. „Was ich sehr schön fand, war der erste Tag. Wir sind nicht einfach als „die Neuen“ vorgestellt worden, sondern wir wurden gleich als Eisenbahnerinnen und Eisenbahner begrüßt und das kannte ich aus meinen vorigen Berufen nicht. Wir sind herzlich empfangen worden, und da ist man gleich motiviert, zur Arbeit zu kommen.“
Die Ausbildung bezeichnet Sven als „knackig“. Aus seiner Busfahrer-Zeit kannte er natürlich das Thema der verschiedenen Fahrkarten, „aber dass die DB noch mehr hat, wusste ich nicht.“ Ein Eindruck, den Sevda Göztepe bestätigt. „Ich habe jeden Tag neue Fahrkarten kennengelernt“, sagt sie. Neben dem Kennenlernen der Verbünde und ihrer Tarifpolitik standen natürlich viele andere Themen auf dem Ausbildungsplan: Kommunikation mit Fahrgästen, Umgang mit Schwarzfahrern, Erste Hilfe im Notfall. Aber auch, wie man mit Schichtdienst umgeht – für Eisenbahnberufe sind Wochenendarbeit, Schicht- und Wechseldienst normal, manche Quereinsteiger kennen das aber nicht. „Stressig und schwer“ sei das gewesen, „aber auch lustig und schön.“ Die ersten Fahrten machen die neuen KiN noch von Paten begleitet, bevor es dann allein auf die Fahrt geht. „Wir waren eine gute Truppe und halten auch jetzt noch zusammen“, sagt Sevda. „Die älteren Kollegen haben uns geholfen. Ich mag meine Arbeit und mache sie mit Herz.“
Auch für Anne Karges war es während der Ausbildung nicht langweilig. „Du fährst, musst dich konzentrieren, aber gleichzeitig hast du einen Ausbilder und einen weiteren Azubi im Führerraum, da kannst du gar nicht weghören, wenn die miteinander reden.“ Zumal es zeitweise an Ausbildern fehlte: Da war sie schon auch mal mit drei weiteren Azubi im Führerraum unterwegs. Anspruchsvoll auch die Prüfung: „Der Prüfer fragt dich, was würdest du tun, wenn das Signal jetzt nicht das zeigen würde, sondern das? Heißt, du musst dir vorstellen, etwas anders zu sehen als du wirklich siehst.“
Sevda, Anne und Sven vergrößern nicht nur die Eisenbahnerfamilie. Sie gehören auch zu den 10.300 Kolleginnen und Kollegen, die im vergangenen Jahr Mitglied der EVG geworden sind. „Wenn man aus einem selbstständigen mittelständischen Unternehmen kommt, lernt man erstmal, dass Gewerkschaft ein rotes Tuch ist, so bin ich aufgewachsen“, sagt Anne Karges. „Aber die DB ist ein großes Unternehmen und da muss man zur Gewerkschaft gehen.“ Auch schätzen die drei Neuen, dass die EVG von Anfang an mit kompetenten Ansprechpartner*innen und Info-Materialien präsent war. Sven Suft haben vor allem die Sozialleistungen beeindruckt, „dass die EVG wirklich auch hilft, wenn man sie braucht. Das Gesamtpaket hat mich überzeugt.“ Und Sevda Göztepe schätzt, „dass man immer einen Ansprechpartner hat. Von außen hat man ja wenig Einblick in die Eisenbahn, jetzt sehe ich, wie komplex das ist. Ich habe immer noch Fragen, und die EVG erklärt einem alles. Da weiß ich, ich habe jemanden hinter mir und das ist ein gutes Gefühl.“