Wie geht's weiter mit den Werken der Deutschen Bahn? Seit Monaten herrscht ein Zustand zwischen Agonie und Aktionismus. Die Werker:innen haben davon langsam die Nase voll - und fahren nach Berlin.
Während im Bahntower mal wieder über S3 beratschlagt wird, machen am Dienstag rund 400 Kolleg:innen aus ganz Deutschland ihrem Unmut über die Geisterfahrt des Vorstandes Luft.
Die Betriebsräte der 15 Wahlbetriebe der DB Fahrzeuginstandhaltung nehmen ein klares Signal mit: Wir kämpfen miteinander für jeden einzelnen Standort. Und damit das mal klar ist, nimmt jeder Betriebsrat ein paar rote Boxhandschuhe mit nach Hause.
Der Bahnvorstand weiß offenbar nur tagesaktuell, wohin er will.
Kristian Loroch, stellv. EVG-Vorsitzender
"Die Mitbestimmung wird nicht richtig mitgenommen, auch der Aufsichtsrat wird nicht informiert", richtete der stellvertretende EVG-Vorsitzende Kristian Loroch deutliche Kritik an den DB-Vorstand. Und auch für die Öffentlichkeit würden Nebelkerzen gezündet. Beispiel Neumünster: Da munkelt der DB-Vorstand laut über die Schließung des Standortes, dann schaltet sich der Ministerpräsident von Schleswig-Holstein ein - und prompt heißt es "Das Werk bleibt erhalten". "Der Bahnvorstand weiß offenbar nur tagesaktuell, wohin er will. Aber mal so, mal so, so funktioniert Eisenbahn nicht. Eisenbahn braucht ein Ziel und einen Fahrplan." Die Beschäftigten würden sich nicht länger herumschubsen lassen.
Die solidarische Unterstützung des DGB und der Schwestergewerkschaften überbrachte der stellvertretende DGB-Vorsitzende Stefan Körzell. Er erinnerte daran, dass die EVG vor wenigen Monaten schon einmal am Potsdamer Platz demonstriert hat. "Damals ging es gegen die Zerschlagung der Deutschen Bahn. Aber wenn man ein Rädchen nach dem anderen herausbricht, ist das auf Dauer auch eine Zerschlagung." Es ei derzeit in Mode, Arbeitsplätze abzubauen, "aber das ist die schlechteste denkbare Antwort auf die Krise." Der Einfallsreichtum der Arbeitgeber sei offenbar beschränkt, "wenn man jetzt Leute rausschmeißt und sich in ein paar Jahren über Personalmangel beschwert." An den Bahn-Vorstand richtete Stefan eine klare Botschaft: "Wenn ihr in den Regionen die Werke zumacht, stehen die Leute auf - und wir sind bei ihnen."
"Auch ich würde auch ich gerne für eine Firma arbeiten, die Gewinne erwirtschaftet. Doch den Preis dafür, den sollt ihr zahlen", so die Vorsitzende des Gesamtbetriebsrates FZI, Saskia Borchert. Hinter Begriffen wie Redimensionierung, Anpassung des Portfolios, Optimierung stehe in Wirklichkeit "Verlagern, Verkleinern, Schließen, ab in den Jobservice. Und ich sage euch: Das lassen wir uns nicht gefallen! Wir sind nicht bloß Zahlen in einer Excel-Tabelle. Wir sind Menschen mit Geschichte, mit Erfahrung, mit Stolz auf unsere Arbeit und auf unsere Werke." In den Werken arbeiteten ganz Familien in mehreren Generationen. Bei uns kann man die viel beschworene Eisenbahner-Familie noch hautnah erleben. Es geht hier nicht nur um ein Werk, einen Standort oder eine Werkstatt. Es geht um uns alle."
Wer heute Ausbildungsplätze abbaut, baut sich für morgen seinen eigenen Fachkräftemangel!
Patrick McLaughlin, Vorsitzender der Gesamt- Jugend- und Auszubildendenvertretung der DB Fahrzeuginstandhaltung
Wie so oft, ist es insbesondere die Jugend, die unter Fehlentscheidungen des Managements zu leiden hat, darauf wies Patrick McLaughlin hin, der Vorsitzende des GJAV bei der DB FZI. "Unsere Berufsausbildung wird Teil von Einsparungen! Für 2025 werden 20% weniger Nachwuchskräfte eingestellt. In Paderborn werden dieses Jahr gar keine Auszubildenden rekrutiert - null! Und von denen, die bei der FZI auslernen, werden nur rund 60% übernommen. Das bedeutet: Weniger Chancen für junge Menschen. Weniger Nachwuchs für unser Unternehmen. Und weniger Perspektive für uns alle!" Bei der Ausbildung zu kürzen, sei der falsche Weg, so Patrick. "Ausbildung ist keine Last - sie ist unsere Zukunft! Wer heute Ausbildungsplätze abbaut, baut sich für morgen seinen eigenen Fachkräftemangel!"
Auch Andreas Steins, BR-Vorsitzender im derzeit am stärksten gefährdeten Standort Paderborn, kritisierte scharf die Planlosigkeit des DB Vorstandes und die Verletzung der sozialpartnerschaftlichen Spielregeln. "Zurzeit hält sich keiner an der klar definierten Werkeordnung. Was ist mit dem Kontrahierungsgebot aus dem DemoTV und was mit der KBV konzernweiter Arbeitsmarkt? Nichts hat mehr Gültigkeit, an nichts kann man sich erinnern. Und stellt man die Verantwortlichen zur Rede, wird alles dementiert. Diese Firma hat eine Grundordnung verlassen für das sie mal gestanden hat." Er wies aber auch auf die gesamtwirtschaftliche Bedeutung des Kampfes um die Werke hin: "Wir brauchen keine neuen Brücken und Rastplätze an der Autobahn für mehr LKW´s. Große Güter Tonnagen und Mengen können ökonomisch und ökologisch sinnvoll auf der Schiene transportiert werden. Aber dafür braucht die Bahn eine radikale Notoperation. Nur der Eigentümer hat weder ein zielführendes OP-Besteck noch eine Krankenversicherung dafür abgeschlossen."
"Ihr habt Boxhandschuhe bekommen, aber ihr müsst auch wissen, dass dieser Kampf über mehrere Runden geht", nahm abschließend Johannes Kuipers den Faden noch einmal auf. Er musste, als stellvertretender Aufsichtsratsvorsitzender der DB Fahrzeuginstandhaltung, aus der Presse erfahren, dass das Werk Delitzsch geschlossen werden soll. "Das ist unglaublich und unwürdig. Das ist pure Ignoranz gepaart mit Arroganz." Auch er forderte, dass die Beschäftigten und ihre Interessenvertrete:innen endlich ins Boot geholt werden. "Wir brauchen Informationen, damit wir in den Austausch gehen können. Probleme kann man nur gemeinsam lösen und nicht gegeneinander."
So viel ist zu sehen: Während der Kundgebung erscheinen immer wieder neugierige Zuschauer an den Fenstern des Bahntowers. Hoffentlich haben sie und insbesondere der DB-Vorstand auch die Botschaften gehört und verstanden. Denn: es gibt keine starke Schiene ohne Fahrzeuginstandhaltung. Und dafür kämpfen wir.