Sylt-Verkehre: „Wir fahren im dicksten Nebel auf Sicht“

Seit einem Jahr bereits leiden Kunden und Beschäftigte unter den chaotischen Zuständen auf der sog. Marschbahn von und nach Sylt. Die EVG fordert ein schnelles Ende der immensen Belastungen. 

„Ich habe meinen Job im Unternehmen bis vor einem Jahr noch gerne gemacht. Jetzt ist es unerträglich! Jeden Tag auf‘s Neue.“ So reagiert ein enttäuschter Kollege, der sich mit den Verhältnissen auf der Strecke Niebüll – Westerland seit Monaten alleine gelassen fühlt. Als einer von vielen.

Seit einem  Jahr dürfen Anwohner, Pendler und Sylt-Urlauber überhaupt froh sein, wenn sie einen der wenigen Züge am Tag erwischen; oft heillos verspätet. Aktuell fallen sogar bis zu 12 Züge täglich auf der Strecke aus.

Wut und Aggressionen der Kunden entladen sich zuerst an den KiN auf der Strecke. Diese sind - neben ihrer eigentlichen Arbeit - Prellböcke, nehmen Beschwerden entgegen, müssen immer wieder die Situation erklären. Und das bereits seit einem Jahr, Monat für Monat, Woche für Woche, Tag für Tag. Die Antwort auf die  meistgestellte Frage – der nach dem Licht am Ende des Tunnels – können auch sie nicht geben. Die wüssten sie selbst gerne.

Im Dezember 2016 hatte DB Regio die Strecke übernommen. Kurz vor der Betriebsaufnahme aber mussten alle Züge wegen Kupplungsproblemen aus dem Verkehr genommen werden. „Damit brach das Chaos über uns ein“, so ein DB-Kollege gegenüber der imtakt. Seitdem klemmt es auf dem auch von zahlreichen EVU`s befahrenen, teilweise eingleisigen Streckenabschnitt zwischen Westerland und Niebüll, vorne und hinten. DB Regio besorgte zwar Ersatz an Zügen und Loks, aber die sind meist veraltet und technisch anfällig. Mal ist die Lok defekt, mal schließen die Türen nicht. Züge bleiben liegen und blockieren die Strecke.

„Jeder von uns gibt sein Bestes, um die Situation zu meistern.“

DB-Mitarbeiter

Der nächste Winter steht bevor…

„Technik und Infrastruktur wurden kaputtgespart“ schimpft ein maßlos verärgerter DB-Mitarbeiter gegenüber der IMTAKT. „Die Zustände sind katastrophal, die Stimmung im Keller. Wir werden im Ungewissen gelassen. Die Situation spitzt sich immer mehr zu!“, warnt der Bahner. „Keiner übernimmt Verantwortung und der nächste Winter steht bevor. Jeder von uns gibt sein Bestes, um die Situation zu meistern, obwohl es keine Informationen von den Vorgesetzten gibt. Ob Gleisänderungen, umgekehrte Reihung der Waggons, SEV oder Ausfälle. Wir fahren im dicksten Nebel der Unwissenheit nur auf Sicht!“

Dabei gerät oft in Vergessenheit, dass eigentlich das Land Schleswig-Holstein dafür zuständig ist, den SPNV im Land mit Wagenmaterial zu versorgen. Dritter Player ist das Hamburger Unternehmen Paribus Capital als Finanzierer. „Wir fordern, dass sich alle Verantwortlichen an einen Tisch setzen, die Situation offen analysieren und Lösungen liefern“, sagt deshalb auch Beate Rache, Leiterin der EVG-Geschäftsstelle in Kiel. „Wir lassen nicht zu, dass sich der Imageschaden, den Arbeitgeber, Betreiber und Politik hier billigend in Kauf nehmen, sich auf die Gesundheit unserer Kolleginnen und Kollegen auswirkt.“

Bereits im April hatte die EVG an die Verantwortlichen appelliert, Flagge zu zeigen und den Beschäftigten den Rücken gestärkt. „Unsere Kolleginnen und Kollegen auf der Strecke leisten Übermenschliches“, so Beate Rache. „Wir erwarten, dass sich Betreiber, Finanzierer und Auftraggeber schützend vor die Kolleginnen und Kollegen auf und an der Strecke stellen. Passiert das weiterhin nicht, werden wir das tun.“