EVG stellt Tarifforderung für die gesamte Branche - hohe Beteiligung bei Mitgliederbefragung

Die beiden Tarifvorstände der EVG, Cosima Ingenschay und Kristian Loroch, haben vor einem baldigen Kollaps bei Bus und Bahn gewarnt. „Wenn es den Eisenbahnunternehmen in den nächsten Monaten nicht gelingt, ausreichend Personal nachzusteuern, ist Stillstand vorprogrammiert“, sagten sie.

Schon jetzt würden immer öfter Züge ausfallen, weil nicht mehr ausreichend Personal vorhanden sei. „Entweder sind Stellen, auch wegen schlechter Bezahlung, unbesetzt oder die Kolleginnen und Kollegen sind krank; insbesondere, weil die Belastungen im Beruf mittlerweile überhand nehmen“, so Cosima Ingenschay. Diese Situation werde sich in den nächsten Wochen und Monaten weiter verschärfen. Um das zu ändern, müssten die Rahmenbedingungen ganz schnell verbessert werden. 

„Ab Februar 2023 führen wir als EVG mit rund 50 Unternehmen im Bereich von Bus und Bahn Tarifverhandlungen. Unser Ziel wird sein, die Löhne deutlich anzuheben und das branchenweit einheitlich, indem wir für alle Unternehmen die gleiche Forderung aufstellen“, betonte Cosima Ingenschay. Mit einer attraktiven Bezahlung steige auch die Chance, offene Stellen wieder besetzen zu können. Davon würden am Ende auch die Fahrgäste profitieren. 

„Alle Personaloffensiven werden zum Scheitern verurteilt sein, wenn die Unternehmen nicht endlich angemessene Löhne zahlen“, ergänzte EVG-Tarifvorstand Kristian Loroch. Am Beispiel der Deutschen Bahn machte er deutlich: „Es reicht nicht aus, zu erklären, in diesem Jahr 25.000 neue Mitarbeitende einstellen zu wollen. Die müssen erst einmal gefunden werden und dann vor allem aber bleiben. Dazu sind die derzeitigen Rahmenbedingungen nicht geeignet“.

„Die Fluktuation ist groß und wird immer größer,“, kritisiert Kristian Loroch. Waren es 2021 noch rund 6 Prozent der Mitarbeitenden, die das Unternehmen DB AG verlassen haben (Stand November 2022), lag die Zahl der Abgänge im vergangenen Jahr schon bei über 7,3 Prozent - nur 1,9 Prozent davon waren altersbedingt. „Es gibt Bereiche, beispielsweise bei der Sicherheit, da springen 80 bis 90 Prozent der Bewerber wieder ab, wenn sie sehen, was die Bahn bereit ist, für diese wichtige Aufgabe zu zahlen. Da schrillen bei uns die Alarmglocken“, so Kristian Loroch. 

Angesichts der vielen offenen Stellen nehme die Belastung für die verbleibenden Mitarbeitenden zu. Die Zahl der Überstunden steige kontinuierlich; die Zahl derer, die krank werden auch. „Lag der Krankenstand 2021 noch bei gut 5,5 Prozent, wurde 2022 ein deutlicher Anstieg auf 7,1 Prozent verzeichnet. In einigen Bereichen, etwa beim Service im Zug, beim Service im Bahnhof, aber auch im Busbereich, liegt die Quote mittlerweile bei 10 Prozent oder darüber“, erklärte Kristian Loroch. 

Der hohe Krankenstand habe letztlich dazu geführt, dass auch die Zahl der Überstunden kräftig angestiegen sei: von 6.7 Millionen Stunden in 2021 auf 7,1 Millionen Stunden in 2022. Zusätzlich seien über 1,5 Millionen Stunden ausbezahlt worden. Hinzu kämen knapp 18 Millionen Überstunden, die auf so genannten Langzeitkonten angespart worden seien. Das entspreche der Arbeitsleistung von rund 8.700 Vollbeschäftigten.

„Diese Zahlen machen deutlich, dass unsere Kolleginnen und Kollegen an ihrer Belastungsgrenze angekommen sind. Viele sind schon weit darüber hinaus gegangen. Das gilt für alle Unternehmen im Bus- und Eisenbahnbereich und wird nicht mehr lange gut gegen“, stellte EVG-Tarifvorstand Kristian Loroch fest. Um auf dem ohnehin schon leergefegten Arbeitsmarkt noch genügend neue Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu finden, müsse deutlich mehr gezahlt werden als bisher. Schon heute würden Neuangestellte häufig über Tarif bezahlt, um freie Stellen überhaupt besetzen zu können. 

„Das zeigt, dass die Löhne deutlich rauf müssen; nicht nur bei der Deutschen Bahn, sondern bei allen Eisenverkehrsunternehmen, wie auch im Busbereich. Sonst werben sich die Unternehmen untereinander die Mitarbeiter ab und die Reisenden bleiben auf der Strecke“, so EVG-Tarifvorstand Cosima Ingenschay. 

Die EVG werde deshalb in der bevorstehenden Tarifrunde ein deutliches Lohnplus für die gesamte Branche fordern. „Diesmal verhandeln wir mit rund 50 Unternehmen nahezu gleichzeitig, weil die Probleme in der Branche überall die gleichen sind. Unser Ziel ist es, in allen beteiligten Unternehmen die gleiche Lohnerhöhung durchzusetzen, weil nur das gerecht ist. Die Arbeit unserer Kolleginnen und Kollegen ist überall das Gleiche wert“, sagte sie. 

Über ihre branchenweite Lohnforderung wird die EVG am Dienstag, den 7. Februar 2023, entscheiden. „An diesem Tag kommen rund 300 Tarifkommissionsmitglieder aus ganz Deutschland nach Fulda, um gemeinsam zu beschließen, wie viel mehr Geld wir für alle fordern werden und wie lange der neue Tarifvertrag laufen soll“, betonten die EVG-Tarifvorstände Cosima Ingenschay und Kristian Loroch. 

Die erste Verhandlungsrunde beginnt Ende Februar und wird bis zum 24. März 2023 andauern. „Dann werden wir mit allen beteiligten Unternehmen einmal verhandelt haben. Wir erwarten, dass uns die Arbeitgeber zügig vernünftige Angebote vorlegen, da wir im Interesse unserer Kolleginnen und Kollegen möglichst schnell einen überzeugenden Abschluss erzielen wollen. Sollte dem nicht so sein, werden wir sehr schnell über entsprechende Konsequenzen nachdenken müssen“, so Cosima Ingenschay und Kristian Loroch.

Danke für eure tolle Beteiligung bei der Mitgliederbefragung

Die Resonanz auf unsere aktuelle Mitgliederbefragung war gewaltig. Schon in den ersten Tagen nach dem Start schnellten die Online-Teilnehmerzahlen nach oben. Bis jetzt sind schon mehr als 35.000 Stimmen abgegeben worden. So viele wie nie zuvor. Dafür einen ganz herzlichen Dank.

In den nächsten Tagen werden wir die Ergebnisse sorgfältig auswerten; insbesondere die zahlreichen Postkarten, die uns erreicht haben. Diese müssen nun eingelesen werden. 

Grundlage für die Entscheidung unserer Tarifkommissionen über unsere Zentralen Forderungen ist die Mitgliederbefragung. Deren Ergebnisse werden bis dahin vorliegen. Klar ist schon jetzt: Wir wollen deutlich mehr Geld bei einer möglichst kurzen Laufzeit. Und: wir wollen so schnell wie möglich einen Abschluss erzielen.