Brandbrief eines EVG-Mitglieds: „Die Busbranche ist im Keller“

„Was unsere Politik in den vergangenen Jahren mit dem Busverkehr gemacht hat, ist nicht mehr in Worte zu fassen.“ Das schreibt ein Kollege, der es wissen muss, der 25 Jahre in dem Bereich arbeitet und den Niedergang der Branche miterlebt hat. Die Busbranche, schreibt er, „wurde komplett in den Keller getrieben.“ Sein Brief hat uns am Mittwoch erreicht. Wer wissen will, warum 150 EVG-Kolleginnen und -Kollegen aus dem Busbereich am Mittwoch in Brüssel demonstriert haben, muss diesen Brief lesen.

Denn gute Arbeitsbedingungen: Das ist eine elementare Forderung für die Beschäftigten in einer Branche, die von einem aggressiven Ausschreibungswettbewerb - ohne Schutz der Beschäftigten! - von Personalmangel, immer stärkerer Arbeitsverdichtung, mangelnder Wertschätzung gekennzeichnet ist.

Der Name des Kollegen ist der Redaktion bekannt, er ist EVG-Mitglied. Zusammen mit dem Cargo-Lokführer, der uns vor wenigen Tagen angeschrieben hat, zeigt er: Es muss sich was tun!

 

Der Brief des Kollegen:

Busverkehr in Deutschland im gewaltigen Sinkflug 

Vor allem in Bayern, einem der reichsten Bundesländer in Deutschland, wurde die Busbranche komplett in den Keller getrieben. Hier lautet das Motto: Geiz ist geil! Der billigste Anbieter erhält den Zuschlag!

Es gibt keine verbindlichen Anforderungen bei Ausschreibungen bezüglich der Busfahrer.  Keine Anforderungen in Bezug auf Arbeitszeiten, Bezahlung oder den Sozialstandards. Und das, obwohl die Europäische Union das ausdrücklich ermöglicht!

Was resultiert daraus? Ein Monatslohn von ca. 2100 Euro brutto, tägliche Arbeitszeiten von 13-15 Stunden, davon werden 7-9 Stunden bezahlt. Oftmals sind die Schichten „geteilt“, d.h. durch mehrere Stunden unterbrochen, in denen wir nicht fahren, sondern z.B. an Endhaltestellen buchstäblich herumstehen. Diese Stunden sind tote Zeit, mit der wir nichts anfangen können. Die natürlich auch nicht bezahlt wird. An diesen Endhaltestellen haben wir oftmals nicht mal die Möglichkeit, eine Toilette zu benutzen. Es gibt schlichtweg keine! Manche Arbeitgeber regeln das, z.B. indem sie Toilettenhäuschen aufstellen oder Absprechen mit lokalen Gewerbetreibenden treffen. Und manch andere Arbeitgeber – kümmern sich überhaupt nicht um dieses Thema.

Wir verbringen diese Zeit zumeist im Bus, und das sommers wie winters. Die Heizung oder die Klimaanlage dürfen natürlich nicht eingeschaltet werden, ist zu teuer! Da kommen dann in der Woche locker Arbeitszeiten von 55 – 60 Stunden zusammen. Bezahlt werden natürlich nur etwa 40 Stunden. Hinzukommen ja noch die unzähligen Überstunden der Kollegen (30 Überstunden im Monat sind normal).

Jetzt kann sich jeder ausrechnen, wieviel Freizeit einem Busfahrer noch für Familie oder Hobby bleibt. Es gibt keine Freizeit für Busfahrer mehr.

Zu erwähnen sei, dass diese Busfahrer jeden Tag unsere Kinder und Fahrgäste befördern. Ob hier die Sicherheit bei jeder Fahrt gewährleistet ist, wage ich stark zu bezweifeln.

Aufgrund dieser Umstände, die unsere Politik zu verantworten hat, gibt es immer weniger Menschen, die diesen Beruf ausüben möchten. Es wurde und wird zwar versucht, über ausländische Märkte Busfahrer zu werben, dies fruchtet aber auch nicht. Selbst im Ausland finden sich nicht genügend Menschen, die in Deutschland den Beruf des Busfahrers zu diesen Konditionen und Anforderungen ausüben wollen.

Jetzt kommt von der Politik der Aufschrei in Deutschland/Bayern: Uns fehlen Fachkräfte wie z.B. Busfahrer! Welch ein Hohn gegenüber dieser Berufsgruppe! Wie sollte es anders sein? Bei dieser Bezahlung? Diesen Arbeitsbedingungen? Dieser „Wertschätzung“???

Dieses Thema wird aber von der Politik komplett verschwiegen… Nicht einmal der Personalübergang wird von der Politik unterstützt, so dass die Busfahrer ständig bei Ausschreibungen um ihren Arbeitsplatz fürchten müssen. Das heißt: alle paar Jahre Angst vor einem Betreiberwechsel. Bei dem im schlimmsten Fall Arbeitsplatzverlust droht. Ansonsten: womöglich noch schlechtere Bezahlung, noch schlechtere Arbeitsbedingungen…

Schadstoffklassen und die Farbe der Sitzpolster in den Bussen werden in den Ausschreibungen vorgeschrieben. Und die Interessen und Bedürfnisse der Beschäftigten? Fehlanzeige! 

Vor einigen Jahren war der Nahverkehr mit Bussen so geregelt, dass die Leistung von Tochtergesellschaften der DB erbracht wurden. Aber dieses wurde durch einen freien Markt und Wettbewerb beendet. Was macht seitdem unsere DB mit diesem Thema? Genau das, was alle anderen Unternehmen, die im Wettbewerb stehen, machen: Sie gründet Schwester- und Tochtergesellschaften, die ihren Mitarbeitern weniger Löhne bezahlen und die Mitarbeiter noch mehr aussaugen.

Es werden nur noch Top-Manager zentral und dezentral eingestellt, die den Markt beobachten und die Busgesellschaften der DB effizienter und rentabler machen sollen. Ergebnis dieser Strategie: Chaos! Hochbezahlte Manager, die alle Bereiche zentralisieren. Und hier macht es die DB genau anders als unsere Konkurrenten - anders, aber keineswegs besser: Wir führen sinnlose Prozesse ein, wir strukturieren alles neu, sei es der zentrale Einkauf, sei es ein „Flottenmanagement“, sei es eine Leitstelle für Busfahrer, sei es eine zentrale Buchhaltung. Diese Liste könnte man noch ellenlang weiter führen.

Das Resultat ist: ein enorm großer „Wasserkopf mit Managern“, von denen jeder seine Visionen hat, und immer weniger kleines Arbeitnehmervolk, das auf dem Zahnfleisch robbt.

Unsere Politik und unsere DB haben es geschafft! Der Nahverkehr wird immer schlechter und nur die billigsten und somit - aus Arbeitnehmersicht - die schlechtesten Arbeitgeber bekommen die Aufträge.