„Für die 5 Minuten nach dem Einsatz bin ich bei der Feuerwehr“

Die Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft organisiert auch Feuerwehrleute.  So in Maschen bei Hamburg: Auf dem Rangierbahnhof gibt es eine Werkfeuerwehr.

„Ein Passagierzug ist auf einen Güterzug aufgefahren, über 30 Personen sind verletzt“, berichtete die Kreiszeitung aus Seevetal. „Als erste Einsatzkräfte war die Werkfeuerwehr der Deutschen Bahn vor Ort, sie übernahm die Erdung des Fahrstromkabels.“

Aber, zum Glück, alles nur eine Übung. Mit dabei: Freiwillige Feuerwehren, das Deutsche Rote Kreuz – und die Berufsfeuerwehr aus dem Rangierbahnhof Maschen, die einzige bei der Deutschen Bahn und die einzige in unserem Organisationsgebiet. 40 Feuerwehrleute sorgen hier rund um die Uhr für Brandschutz und Sicherheit auf Europas größtem Rangierbahnhof.
Eigentlich sind die Gemeinden für den Brandschutz an und in Bahnanlagen verantwortlich. Der Gemeinde Seevetal vor den Toren Hamburgs gefiel das aber gar nicht: Sie sah ihre Freiwilligen Feuerwehren durch Einsätze auf dem Rangierbahnhof unzumutbar belastet. Seevetal klagte – und das Oberverwaltungsgericht Niedersachsen beendete den Rechtsstreit 1994 mit einem Vergleich. Seitdem gibt es in Maschen eine Werksfeuerwehr.

Ein Tag auf der Feuerwache in Maschen beginnt morgens um 7:00 Uhr. Neun Mann bilden die Schicht. Jeder von ihnen, sagt Feuerwehrmann Christian Kaplan, ist für eine bestimmte Position eingeteilt: „Maschinist, Angriffstrupp, Wassertrupp. Jeder Kollege, der morgens erscheint, bespricht sich mit dem, der die Position in der vorigen Schicht hatte.“ Nach der Übergabe gibt’s ein gemeinsames Frühstück, dann geht‘s an die Arbeit. „Das sind ganz normale Arbeiten, z.B. Atemschutzgeräte prüfen, Masken prüfen, Feuerlöscher prüfen.“ Die Maschener Feuerwehrleute warten die Feuerlöschgeräte im Bereich der DB Netz AG PD Hamburg und Kiel, übernehmen technische Hausmeisterdienste für den Rbf Maschen und kümmern sich um den Winterdienst und Vegetationsschnitt. Viele der Kollegen haben eine handwerklich-technische Ausbildung; Reparaturen z.B. an den Einsatzwagen machen sie selbst. Neben dem Frühstück werden auch Mittag- und Abendessen gemeinsam eingenommen. Bis 19 Uhr dauert die Arbeitszeit, dann beginnt die Bereitschaftszeit – bis morgens um kurz vor 7 die nächste Schicht anrückt. 

In zwei Minuten von null auf hundert

Routine darf dennoch nur bis zu einem gewissen Maße einkehren. Rund 200-mal pro Jahr rücken die Maschener Feuerwehrleute zu einem Einsatz aus. Und dann muss es schnell gehen. „Man ist sofort voll da, wenn die Klingel losgeht“, sagt Christian Kaplan. Vom Alarmklingeln bis zum Ausrücken brauchen die Kollegen zwei Minuten, auch nachts. „Jeder hat für sich persönlich einen Fahrplan im Kopf“, sagt Gruppenführer Jens Ruhnke. Zum Glück sind die allermeisten Einsätze weniger spektakulär als in der Übung erprobt. Es wird Erste Hilfe geleistet, aus Kesselwagen treten Flüssigkeiten aus, im Sommer gibt es oft Schwellenbrände. Die Ursachen für einen Einsatz sind manchmal recht lapidar. Z.B. kann ein Bodenventil nicht geschlossen sein. Auch hier greift eins ins andere, wie Jens Ruhnke auf gut norddeutsch formuliert: „Unsere Wagenmeister sind wirklich plietsch“, pfiffig also und aufmerksam. „Die sehen nachts in tiefster Dunkelheit, wenn irgendwo Betriebsstoffe auslaufen.“

„Jeder bringt 100 Prozent, und wenn einer schwächelt, müssen die anderen ausgleichen.“

Jens Ruhnke, Gruppenführer

Fachberater für die Freiwilligen

Einsatzgebiet der Werkfeuerwehr ist der Bahnhof Maschen, im Zuge der Amtshilfe unter-stützt sie aber auch die Feuerwehren der Umgegend. „Wenn irgendwo eine Freiwillige Feuerwehr an eine Bahnstrecke kommt, kann sie uns über das  Notfallmanagement der Netz AG anfordern“, sagt Jens Ruhnke. „Manpower haben die genug, aber natürlich fehlen die eisenbahnspezifischen Kenntnisse. Dann stehen wir ihnen als Fachberater zur Seite.“ Aber auch zu großen Verkehrsunfällen sind die Maschener schon ausgerückt. 
Ganz große Einsätze sind zum Glück selten. Der größte Einsatz, den Jens Ruhnke miterlebt hat, ereignete sich 2007 in der Nähe von Tornesch in Schleswig-Holstein. Ein Güterzug entgleiste, giftige Chemikalien ergossen sich in die Landschaft, „zum Glück ins Moor. Aber das war eine echte Großschadenslage, eine ganze Woche lang waren wir vor Ort.“

Jeder Einsatz ist anders

Dass das Einsatzgebiet gut bekannt und im Grunde überschaubar ist, ist natürlich ein Vorteil. Aber „abgesehen davon, Leuten zu helfen: Das Spannende an dem Beruf ist die Vielfältigkeit“, sagt Feuerwehrmann Christian Kaplan. „Man kann zwar zehnmal den gleichen Einsatz haben, aber der Ablauf ist immer anders. Man muss immer anders reagieren, weil die Situation nicht dieselbe ist.“
„Das Blaulicht-Gewitter brauche ich nicht“, sagt Schichtleiter Jens Ruhnke. Seine Antwort auf die Frage, was ihm das Liebste an seinem Beruf ist, mag überraschen: „Es sind die fünf Minuten nach dem Einsatz. Wenn die Geräte verstaut sind, die Einsatzleitung einen Haken dran gemacht hat, die Mannschaft am Fahrzeug steht, wenn man sich in die Augen guckt. Der Einsatz ist rum, alle sind gesund, die Gefahr ist gebannt. Dafür bin ich bei der Feuerwehr. Alles andere ist schmuckes Beiwerk.“