Interview: „Die Klimawende sichert langfristig Wohlstand"

Immer wieder wird Klimaschutz mit Verzicht in Verbindung gebracht. Aber: Nicht Klimaschutz ist teuer, sondern seine Vermeidung, sagt die Ökonomin Claudia Kemfert vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung.

©Sabine Braun, www.claudiakemfert.de

Bedeutet Klimaschutz tatsächlich Verlust an Freiheit, Wohlstand, Arbeitsplätzen?
Im Gegenteil, Klimaschutz schafft Freiheit, Wohlstand und dauerhafte Arbeitsplätze. Ein ungehinderter Klimawandel hingegen bedroht nicht nur unsere Freiheit, sondern führt zu kriegerischen Auseinandersetzungen um ausreichende Lebensbedingungen. Er führt zu häufigeren extremen und intensiveren Klimaereignissen. Ganze Landstriche werden unbewohnbar, sodass Klimaflüchtlinge zunehmen werden. Ein effektiver Klimaschutz vermeidet all dies und schafft einen dauerhaft nachhaltigen Wohlstand und Frieden. Investitionen in Zukunftstechnologien schaffen wirtschaftliche Wertschöpfung und Arbeitsplätze.

Viele Menschen befürchten durch Klimaschutz steigende Belastungen – Stichworte CO2-Bepreisung, Kerosinsteuer. Wie „teuer“ wird echter Klimaschutz für uns?
Ein ungebremster Klimawandel wird richtig teuer, und je länger wir mit dem Klimaschutz warten, desto teurer wird es. Er kostet viel Geld, diese Klimaschäden zahlen wir schon heute heimlich über den Staatshaushalt. Es ist Zeit für echte Kostenwahrheit! Fossile Energien bekommen ihren echten Preis, erneuerbare Energien, Elektromobilität und Schienenverkehr werden so immer erschwinglicher. Eine klug gemachte Klimawende ist nicht nur deutlich preiswerter, sondern sichert langfristigen Wohlstand.

Welche Maßnahmen müssten aus Ihrer Sicht jetzt konkret ergriffen werden?
Im September tagt ja wieder das „Klimakabinett“… Das Klimaschutzgesetz sollte so schnell wie möglich kommen. Der Kohleausstieg muss endlich begonnen werden, alte und ineffiziente Kraftwerke sofort vom Netz gehen und die restlichen schrittweise gedrosselt werden. Gleichzeitig muss der Ausbau erneuerbarer Energien doppelt so schnell gehen. Mit dem Ausstieg der Kohle muss der Einstieg in die Vollversorgung aus erneuerbaren Energien erfolgen. Zudem muss endlich die Verkehrswende umgesetzt werden, der Schienenverkehr und die Elektromobilität gestärkt sowie alles getan werden, um die effiziente und nachhaltige Gebäudeenergie zu integrieren. 

Muss dieses Thema bzw. kann es nur europäisch angegangen werden? Bzw. wie bewerten Sie nationale Vorstöße wie z.B. die Kerosinsteuer in Frankreich?
Nahezu alle Länder haben sich im Rahmen des internationalen Paris­-Abkommens zu mehr Klimaschutz verpflichtet, Klimaschutzmaßnahmen werden in den Ländern umgesetzt. Viele Staaten sind in Punkto Klimaschutz weit vor Deutschland. Deutschland ist vom einstigen Vorreiter zum Nachzügler geworden. Die Kerosinsteuer ist überfällig, Fliegen muss teurer und klimaschonender werden, Alternativen billiger.

Der Verkehr ist einer der Hauptverursacher von CO2-Emissionen. Was müsste verkehrspolitisch geschehen und welche Rolle sollte die Schiene spielen?
Ein klimagerechtes und nachhaltiges Verkehrssystem muss den motorisierten Individualverkehr verringern und gleichzeitig intelligente und integrierte Mobilitätslösungen stärken. Weniger Verkehr sowie eine Verlagerung auf Schiene und ÖPNV, sowie mehr Rad­ sowie Fußverkehr verringern nicht nur die Emissionen und den Energieverbrauch, sondern lösen gleichzeitig weitere Probleme wie Flächenverbrauch, Lärm und Unfallrisiken. Da das zukünftige Energiesystem auf erneuerbaren Energien basiert, ist die direkte Elektrifizierung des Verkehrs zentral, entweder durch Schienenverkehr oder elektromobile Fahrzeuge. Der Schienenverkehr ist eine tragende Säule der Energie­ und Verkehrswende.