„Wir stehen für soziale Gerechtigkeit und Demokratie“

Mit einer engagierten Grundsatzrede des neuen EVG-Vorsitzenden Torsten Westphal ist der erste Tag des außerordentlichen Gewerkschaftstags zu Ende gegangen. „Unsere EVG steht für eine solidarische Gesellschaft und gegen Ausgrenzung und Fremdenfeindlichkeit. Wir stehen für soziale Gerechtigkeit und Demokratie. Wir stehen für gute Arbeit. Und wir nehmen auch 123 Jahre nach Gründung der freien Eisenbahnergewerkschaft unser Mandat wahr und leben es.“ Dabei hatte Torsten eine Reihe von politischen Botschaften und Forderungen im Gepäck.

Zum Beispiel zur Verkehrspolitik: Bis heute wirke der Versuch nach, den Konzern an die Börse zu bringen. „Infrastruktur und Wagenpark wurden auf Verschleiß gefahren.“ Dafür trügen Bund und Bahn gemeinsam die Verantwortung. „Mit unserem Beschluss Mehr Bahn für die Menschen haben wir ein Ende dieser Daseinsvorsorge light´ gefordert und seitdem ist viel passiert.“ Aber: Die Dotierung der neuen LuFV reiche nicht aus, um den Turnaround zu schaffen. „Deutschland wird es nicht schaffen, den Klimawandel zu bekämpfen, wenn aus der Floskel ´mehr Verkehr auf die Schiene´ nicht endlich Wirklichkeit wird.“ In diesem Zusammenhang forderte Torsten eine Abkehr von der Politik der ´schwarzen Null´. „Ein ausgeglichener Haushalt nützt künftigen Generationen nichts, wenn gleichzeitig die öffentliche Infrastruktur zusammengebrochen ist.“

Zum Beispiel zur DB AG. „Die Kolleginnen und Kollegen haben die Nase gestrichen voll darüber, was derzeit dort abgeht.“ Torsten forderte ein Ende des Themenhoppings: „Es gibt so viele Themen, die nicht geregelt sind und es bringt überhaupt nichts, Einzelthemen in der Öffentlichkeit zu diskutieren.“ Die Lage des Konzerns müsse endlich grundsätzlich und gesamthaft angegangen werden. „Die Kolleginnen und Kollegen wollen in Ruhe arbeiten - und sie wollen sagen können: Das ist meine Bahn, das ist unsere Bahn und ich arbeite gerne dort.“

Zum Beispiel zur Mitbestimmung: „Wir Gewerkschaften sind die normative Kraft in der Arbeitswelt und wir können sie gestalten. Das beweisen wir tagtäglich mit dem Aushandeln kluger Tarifverträge und kluger Vereinbarungen. Den politischen Parteien sagen wir: Finger weg von den Schutzrechten der Beschäftigten. Mit uns wird es kein Manchester 4.0 geben – sondern Mitbestimmung 4.0, das ist der Weg in die Zukunft.“ Er regte die Einrichtung eines unternehmensübergreifenden Arbeitskreises Mitbestimmung in der EVG an.

Zum Beispiel zur Digitalisierung: „Die digitalisierte Arbeitswelt kommt nicht, sie ist schon da. Ihre Auswirkungen sind aber noch undeutlich. Bisherige Problemlösungsstrategien werden uns dabei nicht helfen, wohl aber unsere Werte. Und einer unserer bedeutendsten Werte ist die Mitbestimmung.“ Anspruch der EVG sei es, jedem Beschäftigten in der digitalen Arbeitswelt gute Arbeit zu ermöglichen.

Zum Beispiel zum Sozialstaat: „Wenn die Schlangen vor den Suppenküchen immer länger werden, wenn Menschen trotz Arbeit ihre Mieten nicht mehr zahlen können, dann wird unser Sozialstaat bis in die Grundmauern erschüttert. Dann platzt das Sozialstaatsversprechen, auf das Millionen Menschen vertrauen. “ So führe auch der derzeitige Mindestlohn direkt in die Altersarmut. Um dieses Risiko abzubauen, sei eine Erhöhung um 2,92 € mehr pro Stunde erforderlich. „Lasst uns im kommenden Jahr darüber diskutieren, ob wir einen solidarischen Mindestlohn zu unserer politischen Forderung machen. Mit 2,92 € mehr kommen wir einem Leben in Würde im Alter einen großen Schritt näher.“ Erforderlich sei aber auch, dass Bund und Länder die Vergabe öffentlicher Aufträge grundsätzlich an die Einhaltung von Tarifverträgen knöpfen. „Gilt nicht auch für den Bund der Grundsatz: Eigentum verpflichtet?“

Zum Beispiel zum Rechtspopulismus: Sein Erfolg sei eine Herausforderung für die demokratischen Parteien. „Mein Appell an Sie: Wenn Veränderungen notwendig sind, nehmen Sie die Menschen mit – machen Sie Politik mit den Menschen, nicht ohne oder gar gegen sie.“ Was die Rechtspopulisten wollen, „hat mit unseren Werten von Vielfalt und einer offenen Gesellschaft nichts, aber auch gar nichts zu tun.“ Diesem Gedankengut müsse entschlossen entgegengetreten werden: „Es ist Zeit, dass Zivilcourage wieder die Oberhand bekommt."