Nur noch Roboter auf den Schienen und in den Werkstätten? Digitalisierungs-Workshop der ETF in Lille

Fahren in Europa bald alle Züge automatisch? Und übernehmen in den Werkstätten die Roboter und Computer das Kommando? Mit diesen und weiteren Fragen beschäftigte sich der insgesamt dritte Workshop des gemeinsam von der Europäischen Transportarbeiter-Föderation (ETF) und der Gemeinschaft der Europäischen Bahnen (CER) veranstalteten Projektes „EDA Rail“. Auch die EVG war wieder mit dabei.

Teilnehmergruppe - Foto © by_pix

Im Rahmen des Projektes „EDA Rail“, bei dem sich europäische Arbeitnehmer:innen- und Arbeitgebervertreter:innen den Themen Digitalisierung, Automatisierung und Beschäftigungsfähigkeit widmen, fand Ende März im französischen Lille ein weiterer Workshop statt. Dieses Mal ging es um den automatischen Zugbetrieb und die Digitalisierung in den Werkstätten. In interessanten Vorträgen sowie angeregten Gesprächen und Diskussionen erhielten die Teilnehmer:innen nicht nur einen Überblick über die allgemeine Situation in anderen europäischen Ländern, sondern lernten auch verschiedene Projekte rund um die beiden Workshopthemen kennen.

Den Anfang am ersten Tag und damit den Einstieg ins Thema machte die Präsentation von zwei EVG-Kollegen: Manfred Scholze, GBR-Vorsitzender bei der DB Fernverkehr, und Dirk Möller vom Konzernbetriebsrat der DB AG stellten die Ergebnisse einer Umfrage zum Thema Digitalisierung in der Instandhaltung vor. Diese hatten sie im Rahmen ihrer Tätigkeit in der „ETF Advisory Group Maintenance“, also der Fachgruppe zum Thema Instandhaltung der ETF, durchgeführt. Im Wesentlichen kam die Befragung laut Manfred und Dirk zu dem Ergebnis, dass die befragten Beschäftigten keine Angst vor der Digitalisierung an sich haben - wohl aber vor einem Scheitern der Transformation. Für die Zukunftsfähigkeit der Werkstätten und damit für den sicheren Eisenbahnbetrieb seien Prozesse und Regelwerke rund um Fahrzeugsicherheit, Komponenten und IT sowie qualifizierte Beschäftigte wichtiger als ein reiner Fokus auf IT und digitale Lösungen. Darüber hinaus ergab die Befragung, dass die Beschäftigten vehement vom Out-Sourcing der wertschöpfenden Instandhaltung an die Fahrzeughersteller abraten - auch, wenn es um die Instandhaltung im automatisierten Fahrbetrieb geht, denn auch dafür fühlen sich die Mitarbeiter:innen gut gewappnet.

Der nächste Punkt auf der Tagesordnung kam aus Österreich: Ein Vertreter der österreichischen Gewerkschaft vida gewährte in seiner Präsentation Einblicke in die Anforderungen, die im Rahmen des Europäischen Zugleitsystems ERTMS und des Europäischen Zugbeeinflussungssystems ETCS an Lokführer:innen gestellt werden. ETCS ermöglicht ab einem bestimmten Level den automatisierten Fahrbetrieb und damit den theoretischen Verzicht auf Lokführer:innen. Aus Sicht des Referenten ist aber klar, dass dies nicht bedeuten kann, dass der Lokführer:innen-Beruf einfach abgeschafft wird. Ganz im Gegenteil: Durch umfassende Weiterqualifizierung müssten die Kolleg:innen langfristig zu umfassenden Expert:innen für den gesamten Zug ausgebildet werden.

Es folgte eine Präsentation der staatlichen französischen Eisenbahngesellschaft SNCF über das Digitalisierungsprojekt NExTEO, mit dem die Kapazität der Pariser Vorstadtzüge (RER) erhöht werden soll, ohne dass die Infrastruktur verdoppelt werden muss: In Stoßzeiten soll NExTEO einige Aufgaben der Lokführer:innen wie Beschleunigung und Abbremsen übernehmen, um so eine Erhöhung der Frequenz zu ermöglichen. Dann ging es nach Italien, wo bei der Staatsbahn Trenitalia verschiedene digitale Innovationen im Bereich Instandhaltung und automatischer Fahrbetrieb entwickelt, getestet und eingeführt werden. Die italienische Gewerkschaft FILT CGIL ergänzte den Vortrag der Arbeitgeber mit Hinweisen zu den sozialen Auswirkungen derartiger Neuerungen auf die Beschäftigten und verband sie mit dem Appell, bei aller Begeisterung für Digitalisierungsprojekte Arbeitsbedingungen, Arbeitsumfeld und Sicherheit der Arbeitnehmer:innen nicht aus den Augen zu verlieren.

Am zweiten Tag schließlich ging der Blick noch einmal weiter südlich in Richtung Spanien: Zwei Kollegen der spanischen Gewerkschaft FeSMC-UGT berichteten, wie es um Beschäftigungsbedingungen und Arbeitsbedingungen in der Instandhaltung bei der spanischen Staatsbahn bestellt ist.

Nach dem erfolgreichen Workshop in Lille tritt EDA Rail in den kommenden Monaten in die Endphase ein: Im April findet der letzte Workshop des Projekts statt, bei dem es in Prag um Verkehrssteuerung und Verkehrsmanagement im Bahnbereich gehen wird. Im Juni findet dann in Brüssel die Abschlusskonferenz statt.