„Das war eine tolle Zeit und ein toller Job und der hat mir richtig Spaß gemacht“

Seit Ende Januar ist er offiziell im Ruhestand, jetzt hat er sich als Vorsitzender des Landesverbandsvorstandes NRW verabschiedet: Hermann-Josef „Juppi“ Müller. Und hat, sowohl wörtlich als auch im übertragenen Sinne, den Staffelstab an den „Neuen“ weitergegeben: Neithard von Böhlen übernimmt den Vorsitz des LVV Nordrhein-Westfalen.

Nüchtern das Ambiente, der Hörsaal im „Haus der Technik in Essen“ - innen drin aber regierten am Donnerstag nach Ostern nicht Technik und Nüchternheit, sondern ein Hauch von Wehmut und ganz viel Zuversicht. Seit Januar 2012 hat „Juppi“ Müller den Landesverband geleitet, mehr als 11 Jahre lang. Das war, sagt er, „eine tolle Zeit und ein toller Job und der hat mir richtig Spaß gemacht. Wir haben viel gemeinsam erreicht.“ Der eigens aus Nürnberg angereiste EVG-Vorsitzende Martin Burkert würdigte Juppis Verdienste in seiner 50 Jahre währenden Biografie als Eisenbahner, Gewerkschafter und Interessenvertreter - sei es bei der Schaffung der 3-S-Zentralen oder als Begründer des Bonner „Fisch-Essens“ an Aschermittwoch. Und insbesondere seine Verdienste beim Zusammenwachsen von TRANSNET und GDBA zur EVG. „Es war nicht einfach damals. Für das Zusammenwachsen brauchte es Vorbilder wie dich, die immer die Einheit und die Einigkeit beschworen und vorangetrieben haben. Und es ist euer Verdienst, dass die unterschiedlichen Wurzeln und Herkünfte heute keine Rolle mehr spielen.“

Seinen Nachfolger:innen übergibt Hermann-Josef Müller ein wohl bestelltes Feld. Im Rahmen einer gemeinsamen Wahlkreiskonferenz der fünf nordrhein-westfälischen Wahlkreise wurden als neues Führungsteam neben Neithard von Böhlen Iris Steinmann und Michelle Pollmann als stellvertretende Vorsitzende sowie Markus Gamisch als Schriftführer gewählt bzw. bestätigt. „Die Herausforderungen sind immens“, so Neithard. „Aber wir haben einen Riesenvorteil und eine gute Voraussetzung: Wir arbeiten als Team, wir arbeiten gemeinsam.“ Neithard von Böhlen ist Personalrat bei der BAHN-BKK in Münster. „Dass jemand wie ich, der nicht bei der Deutschen Bahn groß geworden ist, in der EVG eine solche Rolle übernehmen kann, das zeigt: Wir leben wirklich Gemeinschaft.“ Seinem Vorgänger wünschte er Gesundheit und Zuversicht und machte schon mal eine erste Ansage: „Juppi, du wirst uns im LVV mit deinem Wissen und deiner Erfahrung immer willkommen sein.“

Was bei Wahlkreiskonferenzen der EVG nicht fehlen darf: der kritische, aber auch kämpferische Blick auf die aktuellen (gewerkschafts-) politischen Herausforderungen. Dafür sorgte zum einen als Hauptredner der EVG-Vorsitzende Martin Burkert. Er schlug in seinem Vortrag einen Bogen vom Sachstand der aktuellen Tarifrunde über die Mindestlohnthematik über das Thema Sicherheit bis hin zur Diskussion über die Schaffung einer „gemeinwohlorientierten Infrastruktur“. Diese hat die Ampelkoalition im Koalitionsvertrag vereinbart und will sie zum 1. Januar 2024 umsetzen. Dafür drängt allmählich die Zeit, denn dafür müssen mehrere Gesetze geändert werden. Eine vom Bundes-vorstand der EVG eingesetzte Arbeitsgruppe hat hierzu eine Positionierung der EVG vorbereitet. Ohne den Diskussionen im BuVo vorzugreifen, gab Martin eine klare Ansage: Der Integrierte Konzern ist und bleibt unsere rote Linie, und wenn es sein muss, werden wir für seinen Erhalt wieder auf die Straße gehen.

Klare Worte gab es auch von Anja Weber, der Vorsitzenden des DGB-Bezirks NRW. „In Zeiten der Inflation legen die Arbeitgeber einfach ein schlechtes Angebot zweimal vor“, sagte sie in ihrem Grußwort mit Blick auf die Tarifrunde der EVG. „Das ist ungeheuerlich und respektlos. Und wenn die Beschäftigten mit einem Warnstreik reagieren, dann fällt den Arbeitgebern nichts Besseres ein, als die Einschränkung des Streikrechts zu fordern. Das ist hochgradig demokratiegefährdend, denn das Streikrecht ist einer der Grundpfeiler unserer sozialen Demokratie. Deswegen sagen wir: Hände weg vom Streikrecht!“ Es zeichne die DGB-Gewerkschaften aus, „dass wir zusammenstehen und uns nicht spalten lassen. Denn Spaltung gibt es in der Gesellschaft und in den sozialen Bewegungen schon genug.“ Deswegen könne das Motto des DGB für die Mai-Kundgebungen 2023 gar nicht besser gewählt sein: „Wir sind ungebrochen solidarisch!"