19. Juni 1975: Erste UN-Weltfrauenkonferenz - nur „ein teures Kaffeekränzchen“?
Für das Jahr 1975 wurde von der UN das erste Internationale Jahr der Frau ausgerufen. Ein Meilenstein in der weltweiten Anerkennung der Rechte und der Rolle von Frauen. Ziel der UN war es, auf allen Ebenen und in allen Mitgliedsländern Programme und Aktionen zu entwickeln, um die gleichberechtigte Teilhabe der Frauen voranzutreiben.
Höhepunkt des Internationalen Jahr der Frau bildete die erste UN-Weltfrauenkonferenz, die vom 19. Juni bis zum 02. Juli 1975 in Mexiko-Stadt abgehalten wurde.
Die Themen der Delegationen aus der ganzen Welt waren vielfältig. Einig waren sie sich in einem Punkt: Frauenrechte sind Menschenrechte. Während in den wirtschaftlichen sehr armen Ländern die Bekämpfung des Analphabetismus das erste Ziel war, ging es in den wirtschaftlich starken Ländern eher um die Verbesserung der Bildungsgerechtigkeit. Ein wichtiges Thema der Weltfrauenkonferenz war eine stärkere Einbeziehung der Frauen in die gesellschaftlichen und politischen Prozesse.
An der Konferenz nahmen Delegationen von 133 Staaten, 31 zwischenstaatlichen, 113 nicht staatlichen Organisationen sowie sieben „nationalen Befreiungsbewegungen“ (unter anderen von Angola und Mosambik – s. Link am Artikelende) teil. Deutschland war mit zwei Delegationen auf der Konferenz vertreten. Die Bundesrepublik wurde durch Bundesministerin für Jugend, Familie und Gesundheit, Katharina Focke, vertreten, die DDR durch Johanna Töpfer, stellvertretende Vorsitzende des Bundesvorstandes des FDGB.
Ganz unterschiedlich stand es damals um die Gleichberechtigung der Frauen in Ost und West. In der Bundesrepublik hatte die 68er-Bewegung und die Frauenbewegung viele gesellschaftliche Veränderungen angestoßen. Es war die Zeit der Lila-Latzhosen, feministische Publikationen befeuerten die Diskussionen. Selbst der DFB hatte 1970 seine Vorbehalte gegen fußballspielende Frauen aufgegeben.
Die Männerwelt spottete häufig, doch auch ein „Jahr des Mannes“ auszurufen, während die Frauen über Lohnungleichheiten und den geringen Frauenanteil in Parlamenten (Bundestag ca. 6 % Frauen) und Interessenvertretungen (1975: 16 % Frauen in BR) beklagten. Verheiratete Frauen mussten ihren Ehemann auch weiterhin um Erlaubnis fragen, wenn sie arbeiten wollten und mussten bei ihrer Heirat ihren Geburtsnamen ablegen.
Die DDR-Delegation wollte diese Konferenz nutzen „um am Beispiel der gesellschaftlichen Stellung der Frau in der DDR die Vorzüge des real existierenden Sozialismus darzustellen“, wie der Ministerrat seinen Beschluss dokumentierte. Das Thema Gleichberechtigung spielte für die meisten DDR-Frauen eine untergeordnete Rolle. Sie fühlten sich gleichberechtigt. Sie bekamen vermeintlich gleiches Geld für gleiche Arbeit, hatten Karrierechancen und ein Schwangerschaftsabbruch war möglich. Dabei fiel oft unter den Tisch, dass es mit der Verteilung von Sorgearbeit zwischen den Geschlechtern in der DDR nicht besser aussah, als in der BRD und auch kaum Frauen in der politischen Führung des Landes zu finden waren (z.B. lag der Frauenanteil im Politbüro der SED durchgehend bei 0 %).
Im Laufe des Jahres 1975 fanden in der Bundesrepublik Deutschland mehrere Konferenzen, viele Veranstaltungen und Aktionen statt. Eine breite Initiative von Journalistinnen, Schauspielerinnen, Publizistinnen, Wissenschaftlerinnen und Betriebsrätinnen schloss sich zusammen, um auf die Situation der Frauen aufmerksam zu machen. Im Oktober 1975 fand in Köln ein Kongress zum Thema der „Rolle der Frau in der BRD“ statt.
Auch in Ostberlin spielte das „Jahr der Frau“ weiterhin eine Rolle. Im Oktober fand ein Weltfrauenkongress unter dem Motto: „Gleichberechtigung - Entwicklung - Frieden“ statt. An diesem Kongress nahmen fast 2.000 Delegierte aus über 200 nationalen und internationalen Organisationen teil. Auch viele bundesdeutsche Fraueninitiativen reisten an, offizielle Vertreter:innen der Bundesregierung oder des Deutschen Frauenrats waren nicht eingeladen.
Die westdeutsche Presse beurteilte damals das Internationale Jahr der Frau und die UN-Weltfrauenkonferenz fast durchweg negativ und bezeichnete es einmal sogar als „teures Kaffeekränzchen“.
1975 waren weder im Osten, noch im Westen die Frauen repräsentativ in den Führungspositionen der Volksvertretungen und der Wirtschaft vertreten. Nach wie vor wurde der größte Teil der Arbeit im Haushalt, der Kinderbetreuung und der Pflege der Angehörigen von Frauen geleistet. Es mag noch den einen oder anderen Menschen geben, der Frauenkonferenzen, Chancengleichheit und Quoten für unsinnig und überflüssig hält.
Doch wenn sich auch seit 1975 einiges verändert hat, viele Ungleichheiten bestehen im mittlerweile wiedervereinigten Deutschland nach wie vor. Frauen verdienen nach wie vor weniger als Männer, leisten den Großteil der unbezahlten Sorge- und Pflegearbeit, sind nicht ausreichend in Parlamenten (Bundestag 32,4 % Frauenanteil) und Interessenvertretungen (BR 31 % Frauenanteil bei 47 % Frauen unter den Erwerbstätigen) vertreten und deutlich häufiger von geschlechtsspezifischer Gewalt und Belästigung betroffen.
Wir werden sehen, wie es zum 100-jährigem Jubiläum aussieht. Die Gewerkschaften werden jedenfalls weiterhin vehement für echte Gleichstellung eintreten müssen, gerade in Zeiten eines politischen Rechtsrucks, durch den alle Fortschritte bei der Gleichstellung seit Beginn der Frauenbewegung in Gefahr sind.
Ein Artikel des AK Geschichte/Frauengeschichte
Lektüre- und Audiohinweise zu dem Thema:
- Bundesarchiv: Das internationale Jahr der Frau 1975 und der Weltfrauenkongress in Ost-Berlin.
- NDR: Der lange Weg zur Gleichstellung (Audiobeitrag ca. 15 Min)
- WDR 2 – Stichtag (Artikel und Audiobeitrag, ca. 4 Min.): Die erste UN-Weltfrauenkonferenz (am 19.06.1975)
- BpB: kurz & knapp: Das Politiklexikon: „Befreiungsbewegungen“.