EU-Wahl 2019 Europa in unserem Alltag

Die Betriebstemperatur steigt. In wenigen Wochen wählen wir ein neues EU-Parlament. Warum ist diese Wahl so wichtig? Die Europäische Union, das ist mehr als der Binnenmarkt. Das ist z.B. die längste Friedensphase der europäischen Geschichte. Die rund 500 Millionen Bürger*innen der (noch) 28 Mitgliedsstaaten profitieren aber auch in vielen anderen, ganz konkreten Punkten. „Europa“ begegnet uns überall im Alltag, auch da, wo man es vielleicht gar nicht vermutet.

…morgens beim Aufstehen: Es geht schon los, wenn der neue Radiowecker anspringt. Hersteller von Waren aller Art müssen eine 2-jährige Gewährleistung übernehmen – vorgeschrieben durch eine EU-Richtlinie (vorher lag diese Mindestgarantie in Deutschland bei sechs Monaten). Wenn Du den Radiowecker im Internet gekauft hast und nicht zufrieden bist, hast du ein 14-tägiges Rückgaberecht. Es geht weiter, wenn aus der Dusche Wasser in Trinkwasserqualität sprudelt. Auch diese Qualität wird durch eine EU-Richtlinie vorgeschrieben. Eine Privatisierung der Wasserversorgung, wie sie eine Zeitlang mal zur Diskussion stand, wurde durch eine Europäische Bürgerinitiative verhindert. Übrigens: eine aktuelle Europäische Bürgerinitiative befasst sich mit der Bezahlbarkeit von Wohnraum. 

…auf dem Weg zur Arbeit: Manche Straße, manche Brücke, manche Bahnlinie ist mit EU-Geldern (teil-)finanziert worden. Im Planungszeitraum 2014 bis 2020 fließen insgesamt knapp 352 Milliarden Euro aus dem EU-Haushalt in die Mitgliedsländer: für Verkehrsinfrastruktur, Stadtentwicklung und Beschäftigung, in die Land-wirtschaft, die Entwicklung des ländlichen Raumes sowie Forschung und Innovation. Deutschland bekommt davon 19 Milliarden Euro. Wenn Du wissen willst, welche konkreten Projekte in Deinem Bundesland gefördert worden sind: Die EU-Kommission hat hierzu eine informative Internetseite gestaltet: bit.ly/2UJriit

…am Arbeitsplatz: Viele Regeln, auch Schutzrechte der Beschäftigten, tragen die Handschrift der EU. Ein paar Beispiele:

  • Die Wochenarbeitszeit ist begrenzt; Ansprüche auf Ruhezeiten, bezahlter Urlaub und Schutzmaßnahmen für Nachtarbeiter/innen wurden ausgebaut.
  • Wer als Beschäftigte/r, z.B. im Baugewerbe oder in Montage-Berufen, in einem anderen EU-Land eingesetzt wird, muss ab 2020 zum gleichen Tarif- bzw. Mindestlohn bezahlt werden wie einheimische Arbeitskräfte. Nachteil: Ausgerechnet der Transport- bzw. Verkehrsbereich ist von der Entsenderichtlinie ausgenommen.
  • Diskriminierungen wegen des Alters, der Religion, der Herkunft, der politischen Ansichten, wegen einer Behinderung, des Geschlechts oder der sexuellen Orientierung sind verboten – nicht nur am Arbeitsplatz, sondern z.B. auch bei der Wohnungssuche.
  • In Unternehmen, die eine Niederlassung in mindestens zwei EU-Mitgliedsländern haben, unterstützt die EU die Bildung Europäischer Betriebsräte. 

… beim Studium und bei der Arbeitsplatzwahl: Seit über 30 Jahren werden mit dem Programm „Erasmus“ Studienaufenthalte und Praktika im EU-Ausland gefördert.  Inzwischen haben rund 4,5 Millionen junge Menschen an dem Programm teilgenommen, darunter rund 650.000 aus Deutschland. Auch nicht-akademische Berufsabschlüsse aus den Mitgliedsländern werden ohne Nachprüfungen oder weitere Qualifikationen EU-weit anerkannt. Wer nach Studienabschluss oder Berufsausbildung in einem anderen Mitgliedsland wohnen und arbeiten will, kann dies ohne Nachteile tun: ihn schützt die Arbeitnehmerfreizügigkeit. Als EU-Bürger*in musst Du übrigens nur in einem Mitgliedsstaat Sozialversicherungs-beiträge bezahlen. Beitragszeiten in anderen EU-Staaten werden z.B. auch bei der Rente angerechnet. Und übrigens: Die Freizügigkeit gilt auch für Rentner*innen – sie können ihren Ruhestand in allen Mitgliedsländern genießen.

…beim Einkaufen. Viele Lebensmittel haben geschützte Herkunftsbezeichnungen. Mehrere EU-Gütezeichen bürgen für ihre Qualität und informieren über Herkunft und Inhaltsstoffe. Produkte, die in einem EU-Mitgliedstaat rechtmäßig in den Verkehr gebracht wurden, dürfen auch in den anderen Mitgliedstaaten verkauft werden. Das gilt auch für Lebensmittel und Medikamente. Die Rechte der Verbraucher*innen sind ebenso EU-weit einheitlich geregelt.

…bei Reisen ins Ausland. Von Portugal bis Finnland reisen wir heute ohne Visa, ohne Pass- und Zollkontrollen. Das Einkaufen und Preisvergleiche sind durch die gemeinsame Währung in 19 Ländern einfacher geworden. Auch das Gepäck ist heute leichter: Denn die EU hat die Ladegeräte für elektrische Geräte vereinheitlicht; es müssen also keine Adapter für unterschiedliche Steckdosen mehr mitgeführt werden. Und wer aus dem Urlaub nach Hause telefonieren will, der tut das inzwischen ohne Aufpreis: Anrufe, SMS und Surfen im Internet kosten in der gesamten EU so viel wie von zuhause aus.

…als Beschäfigte*r im Verkehrsbereich. Nach den Vergaberichtlinien der EU können bei öffentlichen Ausschreibungen neben dem Preis auch soziale und ökologische Aspekte berücksichtigt werden. Für die EVG war insbesondere die entsprechende Regelung in der Verkehrsverordnung 1370/2007 eine wichtige Grundlage, um den Schutz der Beschäftigten bei der Vergabe von Verkehrs-verträgen auch in der nationalen Gesetzgebung zu verbessern – aktuell z.B. in unserer Kampagne #MussPlusBus. Eisenbahner*innen im grenzüberschreitenden Verkehr profitieren von Regelungen zu den Einsatzbedingungen, die die Gewerkschaften gemeinsam mit den Unternehmen im sog. sektoralen Sozialen Dialog entwickelt haben.

Diese Beispiele zeigen: Europa nützt den Bürger*innen. Aber da geht noch mehr.

Aber gerade heute steht die EU stark unter Druck. Einige Parteien wollen zurück zum Nationalstaat. Das würde nicht nur die hier aufgezeigten Errungenschaften gefährden. Es würde auch weitere Fortschritte, insbesondere im Interesse der Beschäftigten und ihrer Familien, nahezu unmöglich machen. Deshalb müssen wir die Parteien und Kandidat*innen wählen, die das europäische Projekt vorantreiben wollen.  

Europa: Das ist nicht nur der Binnenmarkt. Das ist vor allem das Versprechen von Frieden und sozialem Fortschritt. Die EVG tritt für ein demokratisches, soziales Europa ein. Für ein Europa der Bürgerinnen und Bürger.

Wählen gehen!

Die EVG ruft dazu auf, am 26. Mai zur Wahl zu gehen und die Parteien und Kandidat*innen zu wählen, die uns insbesondere bei den folgenden Themen unterstützen:

  • Intermodale Wettbewerbsbedingungen, die die Verlagerung von Verkehr von Straße und Luftfahrt auf die Eisenbahn begünstigen;
  • ein europäisches Verkehrssystem ohne CO2-Emissionen bis spätestens 2050;
  • Schutz vor Wettbewerb auf dem Rücken der Beschäftigten: verbindliche Vorschriften zum Personalübergang bei Bahn und Bus;
  • ausreichende Kontrollen von Arbeits- und Ruhezeiten, Qualifikation und Streckenkenntnis bei Triebfahrzeugführer/innen; Einführung der elektronischen Fahrerkarte;
  • Schutz gemeinwirtschaftlicher Verkehre vor Wettbewerb und Rosinenpicken;
  • Erhaltung integrierter Bahnunternehmen in Deutschland und anderen Ländern.