Gesonderte Arbeitsbefreiung bei Kinderbetreuung

Die vereinbarten Regelungen zur Kinderbetreuung sind ausgelaufen - jetzt greifen die gesetzlichen Regelungen! 



Update vom 17.04.2020 - Corona-Krise: Weitergehende Absicherung der Beschäftigten: EVG bleibt dran!

Die EVG setzt sich nach wie vor für die weitergehende Absicherung für alle Beschäftigten während der Corona-Krise ein. Das betrifft insbesondere Regelungen für Kolleginnen und Kollegen, die Kinder betreuen oder nahe Angehörige pflegen müssen. Denn Schulen und Kindergärten sind weitestgehend geschlossen, auch viele Pflegeeinrichtungen haben ihre Leistungen zurückgefahren.

In einem ersten Schritt haben EVG und GDL gemeinsam mit der Deutschen Bahn vereinbart, dass betroffene Kolleg*innen bis zum 3. Mai 5 Arbeitstage bezahlte Freistellung für Kinderbetreuung oder Pflege in Anspruch nehmen können. In Härtefällen können auch weitere Tage genehmigt werden; dies erfolgt unter Einbindung der örtlichen Betriebsräte. Hierfür müssen zunächst bestehende Arbeitszeitguthaben abgebaut werden. Die Langzeitkonten bleiben dabei unangetastet.

In den kommenden Tagen werden wir mit allen Arbeitgebern in unserem Organisationsgebiet sprechen, um Lösungen im Sinne der Beschäftigten zu entwickeln. Wichtige Punkte hierbei sind neben den beiden genannten:

  • Gesundheitsschutz und der Umgang mit Risikopatienten
  • Beschäftigungssicherung
  • Verfahren beim „Wieder-Hochfahren" des Betriebes


Erläuterungen

Akut sind Familien mit Kindern besonders betroffen. Um diesen Familien als Soforthilfe Unterstützung zukommen lassen, erfolgt speziell zum Zwecke der Kinderbetreuung unter den nachfolgenden Voraussetzungen eine Arbeitsbefreiung von Mitarbeitenden unter Fortzahlung des verstetigten Entgelts von insgesamt bis zu 15 Arbeitstagen in dem Zeitraum vom 16. März 2020 bis zum 9. April 2020 (siehe hierzu das Update vom 17.04.2020): Folgende Voraussetzungen müssen zur gesonderten Arbeitsbefreiung bei Kinderbetreuung erfüllt sein:

- Schließung einer Gemeinschaftseinrichtung wie Kindertagesstätte oder Schule in Reaktion auf den Corona Virus


EVG-Erläuterung:
Verlangt wird in einigen Betrieben der Nachweis, dass die besuchte Kindertagesstätte oder Schule tatsächlich geschlossen war, teilweise wird auch nach Namen und Adresse der jeweiligen Einrichtung gefragt. Nach unserer Auffassung sind solche Angaben nicht erforderlich. Die Schließung der Kitas und Schulen wurde angeordnet, sie gilt bundesweit. Bei allen, denen keine Benachrichtigung über die Schließung von Kita oder Schule vorliegt, reicht die persönliche Erklärung des Arbeitnehmers aus. In der augenblicklichen Situation brauchen wir gegenseitiges Vertrauen und schnelle Unterstützung.

 - die von der Schließung betroffenen Kinder sind unter 12 Jahre alt

EVG-Erläuterung:
Eine Ausnahme besteht für die Betreuung schwerbehinderter Kinder (bis 18 Jahre), wenn eine Betreuung aufgrund der Schwerbehinderung erforderlich ist.

- eine alternative Betreuung des oder der Kinder kann ansonsten nicht sichergestellt werden

EVG-Erläuterung:

Ob es in der Familie alternative Betreuungsmöglichkeiten gibt, entscheiden die Eltern in ihrer Verantwortung. Wenn sich Eltern für entscheiden, dem Rat der Wissenschaftler zu folgen und die Kinder nicht zu den Großeltern geben, ist das verantwortungsvoll. Fachleute raten dringend von sozialen Kontakten zu Senioren ab, da deren Gesundheit ansonsten gefährdet sein könnte. Auch hier reicht, nach unserer Auffassung, die entsprechende persönliche Erklärung des Arbeitnehmers aus. Zahlreiche Führungskräfte sehen das offensichtlich anders.
 
- es stehen nach Abstimmung mit der Führungskraft keine arbeitsorganisatorisch anderweitigen Optionen zu einer Fortsetzung der Tätigkeit zur Verfügung (z. B. Home Office/ mobiles Arbeiten).

EVG-Erläuterung:

Ob Homeoffice zur Kinderbetreuung geeignet ist, muss jeder/jede für sich entscheiden.  In der Regel lässt das Arbeiten zu Hause kaum Raum für eine angemessene Kinderbetreuung – und umgekehrt. Sofern der Arbeitsaufwand im Home-Office oder bei der mobilen Arbeit nicht den erforderlichen Bedürfnissen einer angemessenen Kinderbetreuung angepasst werden kann, gilt dies in unseren Augen nicht als „arbeitsorganisatorisch anderweitige Option“. Zahlreiche Führungskräfte sehen das offensichtlich anders. 

Derzeit heißt es, dass für den Fall, dass die Stundenleistung wegen der Betreuung der Kinder nicht erbracht werden kann, die Möglichkeit besteht, im gegenseitigen Einvernehmen zwischen Führungskraft und Mitarbeiter, eine gewisse Zahl an Stunden wieder zurück buchen zu lassen. Ob dabei die Interessen der Betroffenen ausreichend berücksichtigt werden, werden wir genau beobachten. 

Sollte es durch den Gesetzgeber insoweit zu weiteren spezifischen Regelungen zugunsten der Familien mit Kindern kommen, so werden diese darüber hinaus zur Anwendung gebracht. Sollte es zu keinen weiteren Regelungen durch den Gesetzgeber kommen, nehmen die Tarifvertragsparteien zu diesem Sachverhalt weitere Verhandlungen auf.

EVG-Erläuterung:
Zwischenzeitlich gibt es eine gesetzliche Regelung, die ab dem 30.3.2020 gilt. Die von uns mit der DB AG getroffenen Regelungen sind weitreichender, insbesondere hinsichtlich des vollen Entgeltausgleiches. Zudem gelten sie bis zum 9.4.2020 und gehen der neuen gesetzlichen Regelung auch ausdrücklich vor. Wir stehen zum einen im Austausch mit dem Arbeitgeber, um zu klären, ob gegebenenfalls Anschlussvereinbarungen getroffen werden können.  Zum anderen versuchen wir derzeit, gemeinsam mit dem DGB, die noch offenen Fragen der neuen gesetzlichen Regelung zu klären. 

Hintergrundinfo zur neuen gesetzlichen Regelung: 
In das Infektionsschutzgesetz ist ein Entschädigungsanspruch für Verdienstausfälle bei behördlicher Schließung von Schulen und Kitas zur Eindämmung der gegenwärtigen Pandemie aufgenommen. Ziel der Entschädigungsregelung ist die Abmilderung von Verdienstausfällen der erwerbstätigen Sorgeberechtigten (orientiert an der Kurzarbeitsregelung 67 Prozent des Nettolohns), wenn sie ihre Kinder (bis 12 Jahre) aufgrund der Schließung selbst betreuen müssen und daher ihrer beruflichen Tätigkeit nicht nachgehen können. Die Auszahlung übernimmt der Arbeitgeber, der bei der von den Ländern bestimmten zuständigen Behörde einen Erstattungsantrag stellen kann, die Regelung gilt längstens für 6 Wochen und ist bis 31.12.2020 befristet. Gemeinsam mit dem DGB und den anderen Gewerkschaften kritisieren wir unter anderem die Höhe und fordern eine Anhebung auf mindesten 80 Prozent.

Zudem sind wichtige Details wie der Umfang des Einsatzes von Urlaub und Überstunden in der neuen gesetzlichen Regelung noch unklar. Laut Bundesarbeitsministerium soll nach aktueller Information nicht - wie erst befürchtet - der gesamte (Jahres-)Urlaub aufgebraucht werden. Sondern die Pflicht, den Erholungsurlaub zu verbrauchen, beschränkt sich auf den Urlaub aus dem Vorjahr sowie den bereits vorab verplanten Urlaub, der sowieso während des Zeitraums der Kita- der Schulschließung genommen werden sollte. Arbeitnehmer*innen können dagegen nicht verpflichtet werden, ihren gesamten Jahresurlaub für das laufende Kalenderjahr in Anspruch zu nehmen, bevor sie den Entschädigungsanspruch geltend machen können. Offen ist noch, in welchem Umfang Überstunden eingebracht werden müssen. Wir bleiben an der Klärung dran und versuchen diese Regelungen bestmöglich zu beeinflussen. 

Weitere Details und Nachbesserungsforderungen der neuen gesetzlichen Regelung finden sich unter anderem hier 

sowie beim DGB  


Weitere EVG-Erläuterungen:
Die Regelung gilt grundsätzlich für alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im „Systemverbund Bahn“. Beschränkungen auf einzelne Bereiche gibt es ausdrücklich nicht!

Die in Anspruch genommene „gesonderte Arbeitsbefreiung bei Kinderbetreuung“ muss nicht nachgearbeitet werden. Es wird, wie im Krankheitsfall, die geplante Arbeitszeit gebucht.

Wer bereits Urlaub genommen hat, um seine Kinder aufgrund von Kita- oder Schulschließungen zu betreuen, kann auch nachträglich Arbeitsbefreiung beantragen und sich die Urlaubstage wieder gutschreiben lassen. Dies gilt nicht für bereits in der bestehenden Urlaubsplanung geplanten und genehmigten Urlaub.

Versuche, Kolleginnen und Kollegen insbesondere in systemrelevanten Bereichen dazu zu drängen, andere Möglichkeiten auszuschöpfen, bevor die Regelung zu Kinderbetreuung angewendet wird, sind nicht zulässig. Es entspricht nicht der Intention der Vereinbarung unnötige Hürden aufzubauen; wir haben diesen Punkt noch mal direkt beim Arbeitgeber angesprochen.

Sollte in den Betrieben versucht werden, die 15 Tage-Regelung zu umgehen – in dem bei Disposchichten die Ruhen auf die entsprechenden Tage gelegt werden – sind unsere Betriebsräte gefragt, diesem unzulässigen Vorgehen einen Riegel vorzuschieben. Bitte informiert diese entsprechend. 

Es besteht keine Verpflichtung, die Arbeitsbefreiung am Stück zu nehmen, auch eine tageweise in Anspruchnahme ist möglich.

 Eine Inanspruchnahme über den 9. April hinaus ist allerdings ausgeschlossen.

Eine stundenweise Inanspruchnahme ist nicht möglich, es zählen nur volle Tage.

Beantragt wird die „gesonderte Arbeitsbefreiung bei Kinderbetreuung“ bei der örtlichen Personalstelle.

Zugewiesenen Beamten kann unter diesen Voraussetzungen unter Bezugnahme auf das BMI RdSchr. v. 16. März 2020 (D2-30106/24#3; D5-31002/17#9) i.V.m. § 22 Abs. 2 Sonderurlaubsverordnung Sonderurlaub in gleichem Umfang gewährt werden.

Anders als von uns gefordert ist das Thema „Pflege von Angehörigen“ noch nicht Gegenstand der Vereinbarung. Der Arbeitgeber verweist auf bestehende, gesonderte Regularien auf gesetzlicher und tariflicher Ebene sowie auf der Basis einer Konzernbetriebsvereinbarung.

So können Beschäftigte bis zu zehn Arbeitstage ohne Ankündigungsfrist der Arbeit fernbleiben, wenn eine akute Pflegesituation vorliegt oder eine bedarfsgerechte Pflege organisiert werden soll. (vgl. § 2 Abs. 1 PflegeZG). Die Führungskraft muss in diesem Fall prüfen, ob eine bezahlte Freistellung möglich ist (beispielsweise Arbeitsbefreiung unter Fortzahlung des Entgelts gem. § 40 Abs. 1 Buchst. g BasisTV bzw. § 6 Abs. 2 Buchst. h ÜTV FGr-TV).

Im Übrigen wird darauf verweisen, einen Anspruch auf Lohnersatzleistung durch die Pflegekasse – das Pflegeunterstützungsgeld – prüfen lassen. Das Pflegeunterstützungsgeld beträgt etwa 90 Prozent des Nettoarbeitsentgelts aus dem beitragspflichtigen Arbeitsentgelt.

 

EVG-Mitglieder können unter bestimmten Umständen auf die Leistungen des Fonds soziale Sicherung (FsS) zurückgreifen. Der FsS zahlt einen Kinderbetreuungszuschuss für Kinder unter 14 Jahren, der in diesem Jahr einmalig deutlich erhöht wird. Voraussetzungen: Du bist Mitglied unserer Gewerkschaft und arbeitest in einem Betrieb, in dem der SozialsicherungsTV gilt. 

Nähere Informationen findest Du auf der Internetseite des Fonds soziale Sicherung unter diesem Link: https://www.fonds-soziale-sicherung.de/kinderbetreuungszuschuss/